Graphen für Ionen durchlässig gemacht
15.01.2025Würzburger Chemiker haben erstmals einen Defekt in Graphen erzeugt, der Ionen passieren lässt. Wie sie in „Nature“ berichten, kann das zu neuartigen Anwendungen in der Wasserfiltration oder der Sensorik führen.
Graphen ist ein extrem dünnes, flexibles und widerstandsfähiges Material aus reinem Kohlenstoff. Es bildet Schichten, die praktisch aus nur einer einzigen Lage von Kohlenstoffatomen bestehen. Um Graphen so dick zu machen wie ein menschliches Haar, müsste man tausende solcher Schichten aufeinanderstapeln.
Viele Forschende befassen sich intensiv mit Graphen. Das hat einen guten Grund, denn die besonderen Eigenschaften des Materials versprechen neuartige Anwendungen, zum Beispiel in der Elektronik oder Energietechnik.
Graphen für andere Moleküle durchlässig machen
Besonders interessant ist es für die Wissenschaft, die Durchlässigkeit von Graphen für verschiedene Stoffe kontrollieren zu können: „Im Kohlenstoffgitter von Graphen lassen sich sogenannte Defekte erzeugen. Diese kann man sich vorstellen wie kleine Löcher, die das Gitter durchlässig für Gase machen“, sagt Chemieprofessor Frank Würthner von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg.
Eine Durchlässigkeit für andere Stoffe, etwa für Ionen wie Fluorid, Chlorid oder Bromid, wurde bislang nicht beobachtet. „Das aber wäre für Anwendungen wie die Entsalzung von Wasser, die Detektion oder die Reinigung von Stoffgemischen von grundlegendem wissenschaftlichem Interesse“, erklärt der Würzburger Professor.
Defekt lässt Ionen passieren: Publikation in Nature
Erstmals hat ein Team um Frank Würthner nun ein Modellsystem mit einem Defekt erzeugt, der die Halogenide Fluorid, Chlorid und Bromid passieren lässt, nicht aber Jodid. Das gelang in einer stabilen Doppelschicht bestehend aus zwei Nanographenen, die einen Hohlraum umschließt. In dieser Höhle werden die eingedrungen Halogenid-Ionen gebunden, so dass die Zeit für den Eintritt gemessen werden konnte. Die Ergebnisse sind im Journal Nature publiziert.
Chlorid ist ein Bestandteil von Kochsalz, kommt in Meerwasser vor und spielt eine wichtige Rolle bei Lebensvorgängen in allen Organismen. „Der Nachweis einer hohen Durchlässigkeit für Chlorid durch einlagiges Nanographen und einer selektiven Bindung von Halogeniden in einem zweilagigen Nanographen rückt einige Anwendungen näher“, so Dr. Kazutaka Shoyama, der das Projekt zusammen mit Frank Würthner initiiert und geleitet hat. Solche Anwendungen wären zum Beispiel Wasser-Filtrationsmembranen sowie künstliche Rezeptoren und Chloridkanäle.
Größere Stapel von Nanographenen als nächstes Ziel
Im nächsten Schritt wollen die Würzburger Chemiker größere Stapel ihrer Nanographene aufbauen. Daran möchten sie den Durchfluss von Ionen untersuchen – und damit einen Prozess, der in ähnlicher Form auch in biologischen Ionenkanälen abläuft.
Diese Forschungsarbeiten wurden am Institut für Organische Chemie und am Zentrum für Nanosystemchemie der JMU durchgeführt. Gefördert wurden die Arbeiten von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen von zwei Sachbeihilfen zur Entwicklung von Nanographenen, die mit Imidgruppen ausgestattet sind.
Publikation
Bilayer nanographene reveals halide permeation through a benzene hole. M. A. Niyas, Kazutaka Shoyama, Matthias Grüne & Frank Würthner, Nature, 15. Januar 2025, DOI: 10.1038/s41586-024-08299-8, https://www.nature.com/articles/s41586-024-08299-8
Kontakt
Prof. Dr. Frank Würthner, Institut für Organische Chemie, Center for Nanosystems Chemistry, Universität Würzburg, wuerthner@uni-wuerzburg.de