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Insektenrückgang weitreichender als vermutet

30.10.2019

Auf vielen Flächen tummeln sich heute etwa ein Drittel weniger Insektenarten als noch vor einem Jahrzehnt. Das hat ein internationales Forschungsteam herausgefunden, an dem auch die Uni Würzburg beteiligt war.

Der Insektenrueckgang betrifft intensiv bewirtschaftete Waelder, wie diesen Fichtenbestand, als auch unbewirtschaftete Waldbestaende.
Der Insektenrueckgang betrifft intensiv bewirtschaftete Waelder, wie diesen Fichtenbestand, als auch unbewirtschaftete Waldbestaende. (Bild: Sebastian Seibold / TUM / Universität Würzburg)

Dass es auf deutschen Wiesen weniger zirpt, summt, kreucht und fleucht als noch vor 25 Jahren, haben bereits mehrere Studien gezeigt. „Bisherige Studien konzentrierten sich aber entweder ausschließlich auf die Biomasse, also das Gesamtgewicht aller Insekten, oder auf einzelne Arten oder Artengruppen. Dass tatsächlich ein Großteil aller Insektengruppen betroffen ist, war bisher nicht klar“, sagt Sebastian Seibold. Er habilitiert aktuell an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg und ist zudem als Forscher am Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie der Technischen Universität München (TUM) tätig.

Im Rahmen einer breit angelegten Biodiversitätsstudie hat nun ein internationales Forschungsteam zwischen 2008 und 2017 eine Vielzahl von Insektengruppen in Brandenburg, Thüringen und Baden-Württemberg erfasst. Von der JMU waren neben Seibold auch Professor Jörg Müller und Professor Karl Eduard Linsenmair (beide Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie) an der Studie beteiligt. Federführend war die TUM. Die Auswertung stellt das Team nun in der Fachzeitschrift „Nature“ vor.

Insekten auf der Wiese und im Wald betroffen

Die Forscherinnen und Forscher haben auf 300 Flächen über eine Million Insekten gesammelt und konnten so nachweisen, dass viele der fast 2.700 untersuchten Arten rückläufig sind. Einige seltenere Arten wurden in den letzten Jahren in manchen der beobachteten Regionen gar nicht mehr gefunden. Sowohl auf den Waldflächen als auch auf den Wiesen zählten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach zehn Jahren etwa ein Drittel weniger Insektenarten.

„Bisher war nicht klar, ob und wie stark auch der Wald vom Insektenrückgang berührt ist“, sagt Seibold. Das Team stellte fest, dass die Biomasse der Insekten in den untersuchten Wäldern seit 2008 um etwa 40 Prozent zurückgegangen war. Im Grünland waren die Ergebnisse noch alarmierender: Am Ende des Untersuchungszeitraums hatte sich die Insektenbiomasse auf nur ein Drittel ihres früheren Niveaus verringert.

„Dass solch ein Rückgang über nur ein Jahrzehnt festgestellt werden kann, haben wir nicht erwartet – das ist erschreckend, passt aber in das Bild, das immer mehr Studien zeichnen“, sagt Wolfgang Weisser, Professor für Terrestrische Ökologie an der TUM und einer der Initiatoren des Verbundprojekts.

Die Umgebung gibt den Ausschlag

Betroffen sind alle untersuchten Wald- und Wiesenflächen: Schafweiden, Wiesen, die drei bis viermal jährlich gemäht und gedüngt wurden, forstwirtschaftlich geprägte Nadelwälder und sogar ungenutzte Wälder in Schutzgebieten. Den größten Schwund stellten die Forscherinnen und Forscher auf den Grünlandflächen fest, die in besonderem Maße von Ackerland umgeben sind. Dort litten vor allem die Arten, die nicht in der Lage sind, große Distanzen zu überwinden.

Im Wald hingegen schwanden vorwiegend jene Insektengruppen, die weitere Strecken zurücklegen. „Ob mobilere Arten aus dem Wald während ihrer Ausbreitung stärker mit der Landwirtschaft in Kontakt kommen oder ob die Ursachen doch auch mit den Lebensbedingungen in den Wäldern zusammenhängen, müssen wir noch herausfinden“, sagt Martin Gossner von der beteiligten Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft im schweizerischen Birmensdorf.

Einzelinitiativen haben wenig Aussicht auf Erfolg

„Aktuelle Initiativen gegen den Insektenrückgang kümmern sich viel zu sehr um die Bewirtschaftung einzelner Flächen und agieren weitestgehend unabhängig voneinander“, sagt Seibold. „Um den Rückgang aufzuhalten, benötigen wir ausgehend von unseren Ergebnissen eine stärkere Abstimmung und Koordination auf regionaler und nationaler Ebene.“

 

Publikation:

Seibold, S., Gossner, M.M., Simons, N.K., Blüthgen, N., Müller, J., Ambarli, D., Ammer, C., Bauhus, J., Fischer, M., Habel, J.C., Linsenmair, K.E., Nauss, T., Penone, C., Prati, D., Schall, P., Schulze, E.-D., Vogt, J., Wöllauer, S. und Weisser, W.W.: Arthropod decline in grasslands and forests is associated with drivers at landscape level; Nature, 30.10.2019,

https://doi.org/10.1038/s41586-019-1684-3

Pressemitteilung der TUM

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