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Neue indogermanische Sprache entdeckt

21.09.2023

Eine Grabung in der Türkei hat eine bislang unbekannte indogermanische Sprache ans Licht gebracht. Der Würzburger Altorientalist Professor Daniel Schwemer wirkt an der Erforschung des Fundes mit.

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An dieser Grabungsstätte am Fuß von Ambarlikaya in Boğazköy-Hattuscha in der Türkei wurde eine Keilschrifttafel mit einer bislang unbekannten indogermanischen Sprache entdeckt. (Bild: Andreas Schachner / Deutsches Archäologisches Institut)

Entdeckt wurde die neue Sprache in der UNESCO-Welterbestätte Boğazköy-Hattuša in der nördlichen Zentraltürkei. Dort lag einst die Hauptstadt des hethitischen Reiches, einer der Großmächte Westasiens während der späten Bronzezeit (1650 bis 1200 vor Christus).

Seit mehr als 100 Jahren laufen unter der Leitung des Deutschen Archäologischen Instituts Ausgrabungen in Boğazköy-Hattuša. Der Ort gehört seit 1986 zum UNESCO-Weltkulturerbe; bislang wurden dort fast 30.000 Tontafeln mit Keilschrift gefunden. Diese Tafeln, die 2001 ins UNESCO-Weltdokumentenerbe aufgenommen wurden, liefern reichhaltige Informationen über die Geschichte, Gesellschaft, Wirtschaft und die religiösen Traditionen der Hethiter und ihrer Nachbarn.

Die meisten Texte sind in hethitischer Sprache verfasst, der ältesten bezeugten indogermanischen Sprache und der vorherrschenden Sprache in Boğazköy-Hattuša. Nun brachten die Ausgrabungen des Jahres 2023 eine Überraschung zutage: In einem Ritualtext, der in hethitischer Sprache verfasst ist, ist eine Rezitation in einer bisher unbekannten Sprache versteckt. Das berichtet der derzeitige Leiter der Ausgrabungsstätte, Professor Andreas Schachner von der Istanbuler Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts.

Hethiter waren an fremden Sprachen interessiert

Professor Daniel Schwemer, Leiter des Lehrstuhls für Altorientalistik an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg, bearbeitet die keilschriftlichen Funde der Ausgrabung. Er berichtet, dass der hethitische Ritualtext das neue Idiom als Sprache des Landes Kalašma bezeichnet. Das ist eine Gegend am nordwestlichen Rand des hethitischen Kernlandes, wahrscheinlich in der Gegend des heutigen Bolu oder Gerede.

Die Entdeckung einer weiteren Sprache in den Archiven von Boğazköy-Hattuša sei nicht völlig unerwartet, wie Daniel Schwemer erklärt: „Die Hethiter waren in einzigartiger Weise daran interessiert, Rituale in fremden Sprachen aufzuzeichnen.“

Solche Ritualtexte, die von Schreibern des hethitischen Königs verfasst wurden, spiegeln verschiedene anatolische, syrische und mesopotamische Traditionen und sprachliche Milieus wider. Sie geben Einblicke in die wenig bekannten sprachlichen Landschaften des spätbronzezeitlichen Anatoliens, wo nicht nur Hethitisch gesprochen wurde. So enthalten Keilschrifttexte aus Boğazköy-Hattuša auch Passagen in Luwisch und Palaisch, zwei weiteren anatolisch-indoeuropäischen Sprachen, die eng mit dem Hethitischen verwandt sind, sowie in Hattisch, einer nicht-indoeuropäischen Sprache. Jetzt kann die Sprache von Kalašma zu diesen Sprachen hinzugefügt werden.

Genauere Einordnung der neuen Sprache ist in Arbeit

Noch ist der Kalašma-Text weitgehend unverständlich. Daniel Schwemers Kollegin Professorin Elisabeth Rieken von der Philipps-Universität Marburg, eine Spezialistin für altanatolische Sprachen, hat bestätigt, dass das Idiom zur Familie der anatolisch-indoeuropäischen Sprachen gehört. Ihr zufolge scheint der Text trotz seiner geografischen Nähe zum palaischen Sprachgebiet mehr Merkmale mit dem Luwischen zu teilen. Wie eng die Sprache von Kalašma mit den anderen luwischen Dialekten des spätbronzezeitlichen Anatoliens verwandt ist, wird nun Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.

Förderung der Arbeiten

Die beschriebenen Arbeiten werden gefördert vom Deutschen Archäologischen Institut (DAI), der Thyssen-Stiftung, der Gisela und Reinhold Häcker Stiftung, der VolkswagenStiftung und vom italienischen Außenministerium. Bei der Dokumentation und Auswertung des neu gefundenen Texts arbeiten Forschende vom DAI sowie von den Universitäten Istanbul, Würzburg und Marburg zusammen.

Daniel Schwemer und Elisabeth Rieken sind Mitglieder der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz. Sie leiten gemeinsam das Langfristvorhaben „Das Corpus der hethitischen Festrituale“ mit Arbeitsstellen in Mainz, Marburg und Würzburg im Rahmen des Akademienprogramms des Bundes und der Länder.

Kontakt

Prof. Dr. Andreas Schachner, Direktor der Ausgrabungen in Boğazköy-Hattuša, Deutsches Archäologisches Institut – Abteilung Istanbul, Mobil +90 (0)543 2323116, E-Mail andreas.schachner@dainst.de

Von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Uni Würzburg

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