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Neue Materialklasse mit interessanten elektronischen Eigenschaften

11.03.2020

Physiker der Uni Würzburg haben gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam eine neue Materialklasse nachgewiesen. Diese vereint die elektronischen Eigenschaften topologischer Isolatoren mit einer magnetischen Ordnung.

Die Verbindungen MnBi2Te4 und MnBi4Te7 vereinen erstmals die elektronischen Eigenschaften topologischer Isolatoren mit der Ausbildung magnetischer Ordnung.
Die Verbindungen MnBi2Te4 und MnBi4Te7 vereinen erstmals die elektronischen Eigenschaften topologischer Isolatoren mit der Ausbildung magnetischer Ordnung. (Bild: AG Bentmann)

Materialien mit topologischen elektronischen Eigenschaften stehen derzeit weltweit im Brennpunkt der Festkörperphysik – eine Entwicklung, die mit der Entdeckung topologischer Isolatoren in Würzburg durch die Gruppe von Laurens Molenkamp ihren Anfang nahm. Großes Interesse richtet sich hierbei aktuell auf Phänomene, die auf dem Zusammenspiel topologischer Elektronenzustände und Magnetismus beruhen. Bisher war jedoch kein Material bekannt, das intrinsisch, also von sich aus, sowohl topologische Oberflächenzustände als auch magnetische Ordnung zeigt.

Forschungsteams unter Beteiligung von Physikerinnen und Physikern der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) ist es nun gelungen, solche topologischen Isolatoren mit intrinsischer magnetischer Ordnung herzustellen und ihre exotischen Eigenschaften im Experiment nachzuweisen. Maßgeblich an den Arbeiten beteiligt war das Team von Dr. Hendrik Bentmann, Gruppenleiter am Lehrstuhl für Experimentelle Physik 7 von Professor Friedrich Reinert, sowie Arbeitsgruppen der TU Dresden, des DIPC San Sebastian und der Universitäten St. Petersburg und Baku. Zum Einsatz kamen dabei die Elemente Mangan (Mn), Bismut (Bi) und Tellur (Te) – und zwar in den Verbindungen MnBi2Te4 und MnBi4Te7. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Fachzeitschriften Nature und Physical Review X vorgestellt.  

Antiferromagnetischer topologischer Isolator

„Im Fall von MnBi2Te4 handelt es sich um einen antiferromagnetischen topologischen Isolator, eine Materialphase die 2010 theoretisch vorhergesagt, aber bisher nicht realisiert worden war“, erklärt Dr. Hendrik Bentmann. Chemikerinnen und Chemikern der TU Dresden um Dr. Anna Isaeva gelang es erstmals, diese Verbindung systematisch herzustellen und eine antiferromagnetische Ordnung der magnetischen Momente nachzuweisen, die bei tiefen Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt einsetzt.

Mit einer Reihe von Experimenten und dem Einsatz spezieller Nachweisverfahren – der winkelaufgelösten Photoelektronen-Spektroskopie und dem Röntgendichroismus – konnten die Arbeitsgruppen aus Würzburg und St. Petersburg an diesem Material den entscheidenden Nachweis topologischer Zustände und magnetischer Ordnung an der Oberfläche nachweisen.

Für die Forschung bedeutet dieser Nachweis einen wichtigen Schritt: „Die Realisierung topologischer Isolatoren mit intrinsischer magnetischer Ordnung in einer flexiblen Materialklasse könnte einen wichtigen Schritt markieren hin zu einer systematischeren Erforschung topologischer Phänomene in magnetischen Materialien“, sagt Hendrik Bentmann.

Modifikation magnetischer Wechselwirkungen

Wer sich für die Details auf atomarer Ebene interessiert: Die stapelartige Kristallstruktur von MnBi2Te4 besteht aus einzelnen Schichten, die untereinander nur schwach durch Van-der-Waals-Kräfte gebunden sind. „Dies bietet Möglichkeiten, die elektronischen und magnetischen Eigenschaften zu steuern. Durch das Einbringen nichtmagnetischer Schichten kann beispielsweise die Wechselwirkung zwischen den magnetischen Schichten variiert werden“, so Bentmann. Diese Idee konnte in MnBi4Te7 bereits realisiert werden. In diesem Material sind magnetische MnBi2Te4- und nichtmagnetische Bi2Te3-Schichten abwechselnd angeordnet. Bei niedrigen Temperaturen führt dies zu einer neuen magnetischen Phase mit magnetischer Polarisation. Des Weiteren lässt sich MnBi2Te4, ähnlich wie Graphen, in eine zweidimensionale Form bringen, wodurch die topologischen und magnetischen Eigenschaften ebenfalls modifiziert werden können.

Forschungsförderung

Die Arbeiten wurden gefördert durch den Sonderforschungsbereich 1170 „Tocotronics“ und den Exzellenzcluster ct.qmat. Sie sind das Resultat einer Kollaboration von Arbeitsgruppen aus Würzburg und Dresden, die im Exzellenzcluster ct.qmat eng zusammenarbeiten. Weiterführende Arbeiten der Arbeitsgruppe an magnetischen topologischen Isolatoren werden zudem von Fördergeldern des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in Höhe von 1,3 Millionen Euro profitieren, die Bentmann und Reinert gemeinsam mit einem Kollaborationspartner an der Universität Kiel eingeworben haben. Das Projekt soll spektroskopische Untersuchungen von epitaktisch hergestellten, topologischen Materialien an den hochbrillanten Lichtquellen des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (DESY) ermöglichen.  

Publikation

Otrokov et al., Prediction and observation of an antiferromagnetic topological insulator, Nature 576, 416–422 (2019).

Vidal et al., Surface states and Rashba-type spin polarization in antiferromagnetic MnBi2Te4 (0001),  Phys. Rev. B 100, 121104(R) (2019). (Editor´s suggestion)

Vidal et al., Topological Electronic Structure and Intrinsic Magnetization in MnBi4Te7: A  Bi2Te3-Derivative with a Periodic Mn Sublattice, Phys. Rev. X 9, 041065 (2019).

Kontakt

Dr. Hendrik Bentmann, Lehrstuhl für Experimentelle Physik 7, T: +49 931 31-82434, hendrik.bentmann@physik.uni-wuerzburg.de,

Prof. Dr. Friedrich Reinert, Lehrstuhl für Experimentelle Physik 7, T: +49 931 31-85758, reinert@physik.uni-wuerzburg.de

Von Hendrik Bentmann / Gunnar Bartsch

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