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Neue Studie zeigt Kosten von Sanktionen auf

20.06.2024

Welchen Effekt haben Wirtschaftssanktionen auf die betroffenen Länder wie etwa Russland oder den Iran? Diese Fragen haben Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus Würzburg, Kiel, Berlin und Bielefeld untersucht.

Wirtschaftssanktionen können ein zweischneidiges Schwert sein. Durch eine geschickte Auswahl der beteiligten Länder lassen sich unerwünschte negative Folgen deutlich abmildern.
Wirtschaftssanktionen können ein zweischneidiges Schwert sein. Durch eine geschickte Auswahl der beteiligten Länder lassen sich unerwünschte negative Folgen deutlich abmildern. (Bild: bakhtiarzein / Adobe Stock)

Wirtschaftssanktionen können ein zweischneidiges Schwert sein. Auf der einen Seite senken sie in der Regel, wie beabsichtigt, das Bruttoinlandsprodukt und damit den Wohlstand in den betroffenen Ländern. Auf der anderen Seite können sie jedoch auch bei den sanktionierenden Ländern die Wirtschaft empfindlich treffen. Allerdings ließen sich durch eine geschickte Auswahl der Länder, die an den Sanktionsmaßnahmen beteiligt sind, diese unerwünschten negativen Folgen deutlich abmildern.

Das sind die zentralen Ergebnisse einer neuen Studie, die jetzt in der Fachzeitschrift Economic Policy veröffentlicht wurde. Verantwortlich dafür sind die Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler Sonali Chowdhry (DIW Berlin), Julian Hinz (Universität Bielefeld & IfW Kiel), Katrin Kamm (IfW Kiel) und Joschka Wanner (Universität Würzburg & IfW Kiel). Im Mittelpunkt der Studie stehen die Sanktionen gegen den Iran im Jahr 2012 als Antwort auf dessen Atomprogramm und gegen Russland nach der gewaltsamen Annexion der Krim 2014.

Analyse von Preisen, Wohlstand und Handelsströmen

„Wir haben uns in unseren Untersuchungen auf die wirtschaftlichen Auswirkungen von Sanktionen konzentriert, beispielsweise auf Preise und Wohlstand im Zielland, sowie auf Handelsströme“, beschreibt Joschka Wanner, Juniorprofessor für Quantitative International and Environmental Economics an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), die Vorgehensweise. Dafür hat das Team in einem ersten Schritt untersucht, wie stark sich diese Parameter im Zuge der Sanktionen konkret verändert haben.

Tatsächlich zeigen die Berechnungen für den Iran einen realen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts als Folge der Sanktionen um 1,9 Prozent. Für Russland liegt der Wert bei 1,44 Prozent – bezogen auf die Sanktionen aus dem Jahr 2014. Die Sanktionen nach dem Angriff auf die Ukraine spielen in dieser Untersuchung noch keine Rolle. „1,4 oder 1,9 Prozent mag sich nach wenig anhören. Aus Sicht der Volkswirtschaft handelt es sich dabei allerdings um eine ausgewachsene Rezession“, sagt Wanner.

Maximales Sanktionspotenzial ist nicht erreicht

Diesen realen Entwicklungen gegenüber stellte die Gruppe das maximale Potenzial der Sanktionen unter verschiedenen Bedingungen – entweder durch eine Beteiligung weiterer Länder an den Sanktionsmaßnahmen oder durch eine Ausweitung auf sämtliche Waren. „Unseren Berechnungen nach erreicht die jetzige Koalition im Falle des Iran rund 39 Prozent dessen, was an Rückgang des Bruttoinlandsprodukts möglich wäre – verglichen mit dem Fall, in dem sich alle Länder an den Sanktionen beteiligen“, erklärt Wanner. Für Russland beträgt dieser Wert knapp 58 Prozent.

Noch drastischer fallen diese Werte aus, wenn das aktuelle Szenario mit dem Fall verglichen wird, in dem die Sanktionen sich auf alle Waren beziehen, also keine Ausnahmen mehr kennen. Dann erreicht die jetzige Koalition für den Iran nur 47 Prozent dessen, was an BIP-Rückgang möglich wäre. Und für Russland 16 Prozent.

Hohe Kosten für manche Beteiligte

Wenn Sanktionen verhängt werden, leiden nicht nur die sanktionierten Länder – auch das zeigt die Studie. Allerdings gibt es dabei große Unterschiede: „Während größere Volkswirtschaften wie die USA, Japan und Deutschland dabei relativ glimpflich wegkommen, verspüren kleinere Länder wie Malta, Estland und Lettland relativ drastische Konsequenzen“, erklärt Wanner. Verwundern müsse das nicht: Wenn ein kleines Land wie Lettland den Handel mit seinem großen Nachbarn Russland einschränkt, wirkt sich das zwangsläufig stärker aus als bei den USA oder in Kanada.

In der Konsequenz bedeutet dies: Kleine Länder zahlen in diesem Fall einen hohen Preis, während sich die Auswirkungen ihrer Beteiligung an den Sanktionen nur in einem geringen Wohlfahrtsverlust für Russland niederschlagen. Wie es besser gehen könnte, zeigt die Studie auch: „Anstelle der kleinen Länder müssten sich andere Staaten an der Koalition beteiligen. Dann würden die Sanktionen deutlich stärkere Konsequenzen haben“, erklärt Wanner.

Im Fall der Sanktionen gegen Russland haben die Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler errechnet, dass vor allem eine Beteiligung von China, Vietnam, Belarus, der Türkei und Südkorea das Sanktionspotenzial drastisch erhöhen würde. Dieses würde von 58 Prozent unter der derzeitigen Koalition auf 71 Prozent steigen – allein durch den Beitritt Chinas in die Sanktionskoalition.

Transferzahlungen für besonders betroffene Länder

Natürlich ist nicht damit zu rechnen, dass China sich einer Koalition westlicher Staaten gegen Russland anschließen wird. Was also könnte die Koalition tun, damit sich möglichst viele Staaten auf ihre Seite stellen und dabei trotzdem keinen überproportional großen wirtschaftlichen Schaden erleiden? „Finanztransfers“ lautet die Antwort des Forschungsteams.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass 591 Millionen US-Dollar im Zusammenhang mit den Sanktionen gegen den Iran und 4,8 Milliarden US-Dollar im Fall Russland mobilisiert werden müssten, damit die Mitglieder ihre Wohlfahrtsverluste durch die jeweiligen Sanktionen ausgleichen könnten“, heißt es in der Studie.

Der größte Beitragszahler in diesen „Ausgleichsfonds“ wären die USA, deren kombinierte Transfers für beide Sanktionspakete sich auf etwa 4,4 Milliarden US-Dollar belaufen würden. Ihnen folgen Großbritannien (770 Millionen US-Dollar) und Kanada (553 Millionen US-Dollar).

Originalpublikation

„Brothers in Arms: The Value of Coalitions in Sanctions Regimes”, Sonali Chowdhry, Julian Hinz, Katrin Kamm und Joschka Wanner, Economic Policy, DOI: https://doi.org/10.1093/epolic/eiae019

Kontakt

Prof. Dr. Joschka Wanner, Juniorprofessur für Quantitative International and Environmental Economics, T: +49 931 31-87172, joschka.wanner@uni-wuerzburg.de

Joschka Wanners Homepage

Von Gunnar Bartsch

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