Neuzugang im CRISPR-Werkzeugkasten: Mit Genscheren RNA nachweisen
17.07.2024Ein Team des Würzburger Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung rund um den RNA-Experten Chase Beisel hat eine neue Technologie zur präzisen Detektion von RNA mit DNA-schneidenden Cas12-Nukleasen entwickelt.
Die bakteriellen CRISPR-Cas-Abwehrsysteme haben sich zu einer bedeutenden Ressource für molekulare Diagnoseverfahren entwickelt. Forschende des Würzburger Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) haben diesen umfangreichen Werkzeugkasten nun erweitert: Ihre neuartige Technologie, PUMA genannt, ermöglicht den Nachweis von RNA mit Cas12-Nukleasen, die herkömmlicherweise DNA schneiden. Die Methode verspricht dabei vielseitige Anwendungsmöglichkeiten und hohe Genauigkeit. Seine Ergebnisse hat das Team in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Bakterien haben spezielle Abwehrmechanismen entwickelt, um sich gegen Viren zu schützen – denn diese befallen keineswegs nur den Menschen. Bei diesen sogenannten CRISPR-Cas-Systemen erkennt eine CRISPR-Ribonukleinsäure (crRNA), die als „Leit-RNA“ dient, Regionen fremden Erbguts, zum Beispiel DNA eines Virus. Die von der crRNA geleitete Nuklease (Cas) macht diese DNA dann unschädlich, indem sie sie wie eine Schere zerschneidet. Die Forschung hat sich die Strategie zunutze gemacht: „CRISPR, bekannt als ‚Genschere‘, ist die Grundlage zahlreicher molekularer Technologien“, sagt Chase Beisel, Leiter der Abteilung Synthetische RNA-Biologie am Würzburger Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI). Das Institut ist ein Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg, an der Beisel eine Professur innehat.
Auch die Diagnostikplattform LEOPARD – eine Erfindung des Beisel-Labors in Zusammenarbeit mit der JMU aus dem Jahr 2021 – beruht auf der CRISPR-Technologie. LEOPARD ermöglicht den Nachweis einer Vielzahl von krankheitsbezogenen Biomarkern in nur einem Test. Der Ansatz basiert darauf, RNA-Faktoren, so genannte tracrRNAs, umzuprogrammieren. Diese RNAs sind von Natur aus an der Herstellung von Leit-RNAs beteiligt, die manche Cas-Nukleasen verwenden. „LEOPARD konzentrierte sich auf Cas9. CRISPR-Cas-Systeme umfassen jedoch noch eine weitere, vielfältige Gruppe von Nukleasen: Cas12“, erläutert Beisel. Während sowohl Cas9 als auch Cas12 DNA-Zielmoleküle schneiden können, kann Cas12 das ausgehende Signal erhöhen, indem es „kollaterale“ DNA schneidet. Dies macht die Nachweismethoden empfindlicher und damit effizienter.
Das Forschungsteam um Chase Beisel hat nun die einzigartigen Funktionen von LEOPARD auf Cas12 ausgeweitet. Die daraus entstandene Technologie hat das Team PUMA getauft (Programmable tracrRNAs Unlock protospacer-adjacent Motif-independent detection of ribonucleic Acids by Cas12 nucleases). Die entsprechende Studie haben die Forschenden in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Funktionale Hürden überwinden
Zwar sind Cas12-Nukleasen in der molekularen Diagnostik bereits weit verbreitet, doch gab es bisher zwei entscheidende Einschränkungen: Zum einen waren Cas12-basierte Technologien auf DNA beschränkt. Zum anderen musste für den Einsatz der Nuklease eine Erkennungssequenz, genannt PAM (vom engl. protospacer-adjacent motif), vorhanden sein, die das Zielmolekül ausweist.
PUMA bietet nun eine elegante Lösung. Wie LEOPARD stützt sich auch diese neue Methode auf tracrRNAs. „Mithilfe von PUMA können wir die tracrRNAs umprogrammieren. So steuern wir, welcher RNA-Biomarker in eine Leit-RNA umgewandelt wird. Diese Leit-RNA wiederum steuert Cas12 zu einem DNA-Molekül, das wir bereitstellen, und aktiviert die Genschere“, erklärt Erstautor Chunlei Jiao die neue Technologie. Chunlei Jiao war Doktorand und später Postdoc im Beisel-Labor und bereits maßgeblich an der Entwicklung von LEOPARD beteiligt. Jüngst hat er eine Professur an der National University of Singapore angetreten. „Anhand der geschnittenen DNA kann dann festgestellt werden, welcher Biomarker in der Probe vorhanden war, zum Beispiel solche, die für verschiedene Krankheitserreger spezifisch sind“, ergänzt Beisel.
Die neuartige Technologie ermöglicht folglich die Erkennung von RNA-Biomarkern mithilfe von CRISPR-Nukleasen, die normalerweise nur DNA nachweisen können. „Dies ist besonders für molekulare Biomarker von Bedeutung, die nur auf RNA-Ebene gefunden werden können. Dazu gehören unter anderem RNA-Viren“, sagt Beisel. Dabei kommt PUMA ganz ohne Erkennungssequenz aus: Denn diese ist im mitgelieferten DNA-Zielmolekül enthalten. Da die Forschenden das Zielmolekül selbst bereitstellen, können sie auch gekürzte DNA einbringen. Dadurch konnten sie die Geschwindigkeit der Methode deutlich erhöhen.
Mehrere Fliegen, eine Klappe
„PUMA hat das Potenzial, ein flexibles und präzises Werkzeug für den Nachweis von RNA zu werden“, folgert Beisel. Das Team stellte die Leistungsfähigkeit der Methode unter Beweis, indem es aufzeigte, dass PUMA fünf verschiedene bakterielle Erreger nachweisen kann, die mit akuter Sepsis in Verbindung gebracht werden. Ihre Bestimmung basierte dabei auf einer einzelnen universellen umprogrammierten tracrRNA, was folglich eine vereinfachte Methode zur Unterscheidung verschiedener Bakterienarten darstellt. Damit eröffnen sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in der Medizin: „Die neue Technologie repräsentiert eine neue Form der CRISPR-Diagnostik, die zuverlässige molekulare Tests am Point-of-Care ermöglichen könnte – sei es zur Bestimmung von viralen oder bakteriellen Krankheitserregern oder von Krebs-Biomarkern“, so Jiao.
Das Forschungsteam hat bereits die nächsten Schritte geplant: „Wir wollen eine multiplexfähige Auswertung, ähnlich wie bei LEOPARD ermöglichen, und den Anwendungsbereich der Technologie erweitern“, sagt Beisel, der zudem auf eine breite Anwendung in der Forschungsgemeinschaft spekuliert: „Wir hoffen, dass unsere Studie weitere Untersuchungen zur Umprogrammierung von tracrRNA anregt.“
Die Studie wurde aus Mitteln des Europäischen Forschungsrats (ERC Consolidator Award an Chase Beisel) und des Förderprogramms „GO-Bio initial“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung
Das Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) ist die weltweit erste Einrichtung ihrer Art, die die Forschung an Ribonukleinsäuren (RNA) mit der Infektionsbiologie vereint. Auf Basis neuer Erkenntnisse aus seinem starken Grundlagenforschungsprogramm will das Institut innovative therapeutische Ansätze entwickeln, um menschliche Infektionen besser diagnostizieren und behandeln zu können. Das HIRI ist ein Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und befindet sich auf dem Würzburger Medizin-Campus.
Originalpublikation
Jiao C, Peeck NL, Yu J, Ghaem Maghami M, Kono S, Collias D, Martinez Diaz SL, Larose R, Beisel CL (2024) TracrRNA reprogramming enables direct PAM-independent detection of RNA with diverse DNA-targeting Cas12 nucleases. Nature Communications, DOI: 10.1038/s41467-024-50243-x
Kontakt
Luisa Macharowsky, Manager Communications am Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI), Tel. +49 931 31-86688, luisa.macharowsky@helmholtz-hiri.de