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Pflanzenextrakte wirken gegen Viren

12.08.2022

Extrakte aus Heidelbeeren und schwarzen Johannisbeeren unterbinden in Zellkulturen die Infektion der Zellen durch Masern- und Herpesviren. Davon war ein Würzburger Forschungsteam sehr überrascht.

Ein Pflanzenextrakt aus Heidelbeeren wirkt gegen Masern- und Herpesviren.
Ein Pflanzenextrakt aus Heidelbeeren wirkt gegen Masern- und Herpesviren. (Bild: congerdesign / Pixabay.de)

Schon lange werden bestimmte pflanzliche Extrakte und Naturstoffe als immunstärkend oder sogar heilungsfördernd bei verschiedenen Erkrankungen angesehen. Dazu zählen auch Erkrankungen durch Viren.

Aber wie lassen sich solche Zusammenhänge untersuchen? Wie kann man mit möglichst geringem Aufwand geeignete Wirkstoffkandidaten für weiterführende Tests identifizieren?

Forschende nutzen dazu heute unter anderem Screeningverfahren, die „in vitro“, also außerhalb eines lebenden Organismus, Aussagen über erwünschte oder unerwünschte Wirkungen auf biologische Zellen treffen können. Zum Einsatz kommen dabei standardisierte Zellkulturen, sodass die Ergebnisse vergleichbar und reproduzierbar sind.

Viele virale Infektionssysteme etabliert

Den Forschenden des Fraunhofer-Translationszentrums für Regenerative Therapien am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC und am Institut für Virologie und Immunbiologie der Universität Würzburg stehen eine Vielzahl viraler Infektionssysteme zur Verfügung. Hier werden Zellen mit unterschiedlichen Viren infiziert. Dann wird analysiert, ob bestimmte Substanzen die Vermehrung der Viren hemmen.

Diese Tests sind standardisierbar und kommen ohne Tierversuche aus. Damit können aussagekräftige Ergebnisse zügig erzielt werden. Die Zusammenarbeit beider Forschungsgruppen hat zur Entwicklung von 3D-Zellkultur-Infektionsmodellen geführt, die sehr patientennahe Infektionsstudien mit verschiedenen Viren ermöglichen.

Zuerst die Toxizität analysiert

Im Rahmen einer Forschungskooperation mit der Abteilung Research & Development Innovation der Evonik Operations GmbH wurden nun Analysen zur antiviralen Wirkung von Pflanzenextrakten durchgeführt. Basis waren Zelllinien, die für Untersuchungen von definierten viralen Infektionen etabliert sind.

„Im ersten Schritt haben wir Toxizitätsanalysen der pflanzlichen Wirkstoffkandidaten durchgeführt, um festzustellen, ob und in welchen Konzentrationen die Substanzen für die Zellkulturen verträglich sind“, erklärt Dr. Maria Steinke, Leiterin des Projekts am Fraunhofer-Translationszentrum für Regenerative Therapien. Für die anschließenden Tests zur Wirksamkeit gegen Viren wurden nur die als zellverträglich identifizierten Substanzen und Konzentrationen eingesetzt.

In der Studie kamen Herpes- und Masernviren zum Einsatz, die so modifiziert wurden, dass infizierte Zellen grün fluoreszieren. Substanzen, die eine Infektion durch Viren hemmen, führten also dazu, dass weniger Zellen unter UV-Licht grün leuchteten. Die Zählung infizierter Zellen in den Kulturen ließ sich so automatisiert bewerkstelligen.

Antivirale Wirkung kam überraschend

In den antiviralen Versuchen wurden die Zellsysteme mit neun Wirkstoffkandidaten versetzt und die Wirkung auf das Infektionsgeschehen untersucht. Die erhobenen Daten zeigen, dass ein Gemisch aus Extrakten schwarzer Johannisbeeren und Heidelbeeren mit hohem Gehalt an Anthocyan-Farbstoffen (Healthberry® 865) und die entsprechenden Einzelextrakte in vitro antivirale Eigenschaften gegenüber Masern- und Herpesviren besitzen.

„Wir haben gemeinsam mit Professor Bodems Team schon für viele Unternehmen solche Wirksamkeitstests durchgeführt, doch sehr oft lassen sich die eigentlich erhofften Wirkungen kaum oder gar nicht nachweisen. Deshalb kam für uns die erkennbare antivirale Wirkung der Substanzen in dieser Studie schon fast überraschend“, berichtet Dr. Steinke.

Beiden Forschungsgruppen gelang darüber hinaus die Identifikation der aktiven, antiviralen Komponenten in den Extrakten. Dies ist auch für eine Wirk- oder Inhaltsstoffentwicklung ein essenzieller Schritt. Die Daten zeigen auch, dass die Naturstoffe konventionelle antivirale Therapien ergänzen können.

Masernviren gehemmt, nicht aber das Masernimpfvirus

„Insgesamt hat unsere Studie sehr interessante Ergebnisse zur Wirksamkeit von Pflanzenextrakten auf Viren in vitro gezeigt“, so Professor Bodem. „Denn einige der untersuchten Stoffe hemmen die Infektion mit Masernviren, aber nicht das zur Impfung verwendete Masernimpfvirus. Somit wäre eine Impfung zusätzlich zu einer vorbeugenden Behandlung möglich, sollte es gelingen ein Therapeutikum auf der Basis der Pflanzeninhaltsstoffe zu entwickeln. Durch die Identifikation der aktiven Wirkstoffe in den Extrakten ist es gelungen, einen ersten Schritt in diese Richtung zu gehen.“

Die Zusammenarbeit der Arbeitsgruppen von Jochen Bodem und Maria Steinke hat damit auch einen Grundstein für den Einsatz von patientennahen, zellbasierten 3D Modellen gelegt.

Die Ergebnisse zur Wirksamkeit von Pflanzeninhaltsstoffen gegen humanpathogene Virenstämme stimmen zuversichtlich, dass mit Hilfe von In-vitro-Testverfahren neue Anwendungsfelder für bereits zugelassene Wirkstoffe schneller als bisher identifiziert werden können. In Zukunft könnten pflanzliche Extrakte und Wirkstoffe alleine oder in Kombination mit gängigen Medikamenten neue Optionen in antiviralen Therapien eröffnen.

Publikation

Sivarajan, R., Oberwinkler, H., Roll, V. et al. A defined anthocyanin mixture sourced from bilberry and black currant inhibits Measles virus and various herpesviruses. BMC Complementary Medicine and Therapies 22, 181 (2022). Open Access, https://doi.org/10.1186/s12906-022-03661-7

Von Marie-Luise Righi / Pressemitteilung des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung ISC und der Universität Würzburg

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