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RNA kontrolliert die Schutzhülle von Bakterien

21.07.2021

Der Magenkeim Helicobacter pylori weiß, wie er sich gegen Angriffe des Immunsystems oder durch Antibiotika schützen kann. Einem Forschungs-Team der Uni Würzburg ist es gelungen, neue Details dieser Fähigkeit zu entschlüsseln.

Bakterien vom Typ Helicobacter pylori mit Wirtszellen, grafisch modifiziert.
Bakterien vom Typ Helicobacter pylori mit Wirtszellen, grafisch modifiziert. (Bild: Sandy Westermann, Scigraphix)

Helicobacter pylori ist weltweit verbreitet. Experten schätzen, dass etwa die Hälfte der Menschheit das Bakterium in sich trägt – bevorzugt im Magen. Dank diverser Anpassungen ist Helicobacter vor der extrem sauren Umgebung geschützt und kann sich in der Magenschleimhaut dauerhaft ansiedeln und vermehren. Vor allem die Fähigkeit, die Strukturen auf der Oberfläche seiner Hülle äußerst variabel zu gestalten, hilft dem Bakterium dabei, sich in dieser an und für sich feindlichen Umwelt zu behaupten. Mit dem gleichen Trick weiß er sich vor dem Immunsystem seines Wirts zu verbergen.

Wie es das macht:  Dazu hat eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) gemeinsam mit Kollaborationspartnerinnen am Institut Pasteur in Paris jetzt neue Details entschlüsselt. Dem Team ist es gelungen, ein Gen zu identifizieren, das an der Synthese der Oberflächenstrukturen der Bakterien beteiligt ist.

Weiterhin konnte es zeigen, dass eine kleine RNA die Expression dieses Gens modulieren und damit die Beschaffenheit der Oberflächenstrukturen variieren kann. Auf diese Weise schafft es Helicobacter pylori nicht nur, dem Immunsystem zu entkommen, sondern auch seine Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Antibiotika zu variieren.

Publikation in Nature Communications

Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen haben die Forscherinnen jetzt in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. Verantwortlich dafür ist Cynthia Sharma, Leiterin des Lehrstuhls für Molekulare Infektionsbiologie II und Sprecherin des Zentrums für Infektionsforschung der JMU.

Lipopolysaccharide (LPS): So lautet der Fachbegriff dieser Oberflächenstrukturen, für die sich Sharma und ihr Team interessieren. Dabei handelt es sich um Verbindungen aus fettähnlichen (Lipo-) Bestandteilen und Zucker (Polysaccharid), die in der äußeren Membran von Bakterien wie Helicobacter zu finden sind. „Helicobacter pylori produziert ein im Vergleich zu anderen Bakterien einzigartiges Lipopolysaccharid, das wichtige Funktionen im Infektionsprozess übernimmt. Ohne dieses Molekül könnte das Bakterium den menschlichen Magen nicht besiedeln oder dort dauerhaft überleben“, erklärt Sharma.

Auf der anderen Seite ist LPS einer der stärksten Stimulatoren des Immunsystems. Damit ein Organismus eine Infektion mit Helicobacter wirkungsvoll bekämpfen kann, müssen seine Immunzellen diese Strukturen erkennen können. Das zu verhindern haben die Bakterien im Laufe der Evolution gelernt: „Während einer Infektion modifizieren viele Krankheitserreger ihre LPS-Synthese sowie deren Struktur. Auf diese Weise können sie der Erkennung durch das Immunsystem entkommen“, sagt Sharma.

Weit verstreute Gene

Obwohl die zentrale Rolle der Lipopolysaccharide für die erfolgreiche Infektion des Wirts durch bestimmte Bakterien bekannt ist, ist der Syntheseweg dieser Moleküle im Fall von Helicobacter pylori noch nicht komplett entschlüsselt. „Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Gene, die für die LPS-Synthese verantwortlich sind, über das gesamte Erbgut des Bakteriums verstreut sind“, vermutet Sharma. Gemeinsam mit ihrem Team ist es ihr jetzt gelungen, ein essentielles Protein in diesem Vorgang zu identifizieren.

Sogenannte „hypervariable Simple Sequence Repeats (SSRs)“ sind eine der Hauptquellen für die Veränderungen der Lipopolysaccharide. Bei ihnen handelt es sich um kurze DNA-Sequenzen, die während der Zellteilung zufällig in der Länge variiert werden und darüber die Expression von Genen beeinflussen. Die Arbeitsgruppe konnte in vorherigen Arbeiten zeigen, dass solche SSRs auch Angriffspunkte für kleine regulatorische RNAs (sRNAs vom Englischen small RNA) sind, einer wichtiger Klasse von Regulatoren, die beispielsweise unter Stressbedingungen oder während einer Infektion die Genexpression kontrollieren.

Graduelle Resistenz gegen Antibiotika

In der jetzt veröffentlichten Studie zeigen die Beteiligten, dass eine bestimmte sRNA mit dem wissenschaftlichen Namen RepG (Regulator of polymeric G-repeats) in Helicobacter pylori die Synthese des LPS kontrolliert, indem es die Expression eines Gens moduliert, das für diesen Prozess von Bedeutung ist. Das Zusammenspiel der verschiedenen Beteiligten ermöglicht eine schrittweise Kontrolle der LPS-Biosynthese durch die sRNA.

„Auf diese Weise kann die regulatorische RNA die Struktur der Lipopolysaccharide fein abgestimmt regulieren und damit die Empfindlichkeit gegenüber Antibiotika beeinflussen und die Gefahr reduzieren, vom Immunsystem des Wirts erkannt zu werden“, sagt Sandy Westermann, Erstautorin der Studie. Damit sei Helicobacter pylori in der Lage, sich auch einem widrigen Umfeld anzupassen und im Wirt zu überleben.

Bayernweites Forschungsnetzwerk

Cynthia Sharmas Forschung an Bakterien ist unter anderem dem Bayerischen Forschungsnetzwerk bayresq.net angegliedert. Mit seinen zahlreichen Forschungsgruppen, einschließlich zweier Konsortien an der JMU, hat es das Ziel, neue Strategien gegen multiresistente Krankheitserreger mittels digitaler Vernetzung zu entwickeln.

Beispielsweise erforscht Cynthia Sharma gemeinsam mit Ana Rita Brochado (Biozentrum Würzburg) und Christian Müller (LMU München) in ihrem „StressRegNet“-Projekt bakterielle Stressreaktionen und Signalwege bei Infektionen mittels Hochdurchsatztechnologien und maschinellem Lernen.

Publikation

Small RNA mediated gradual control of lipopolysaccharide biosynthesis affects antibiotic resistance in Helicobacter pylori. Sandy R. Pernitzsch, Mona Alzheimer, Belinda U. Bremer, Marie Robbe-Saule, Hilde de Reuse & Cynthia M. Sharma. Nature Communications, https://doi.org/10.1038/s41467-021-24689-2

Kontakt

Prof. Dr. Cynthia M. Sharma, Lehrstuhl für Molekulare Infektionsbiologie II, Institut für Molekulare Infektionsbiologie (IMIB), Universität Würzburg, T +49 931 31-82560, cynthia.sharma@uni-wuerzburg.de

Cynthia Sharmas Homepage

Homepage von bayresq.net

Von Gunnar Bartsch

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