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Sozialer Gesundheitsdienst bei Borkenkäfern

20.12.2019

Krankheitserreger können bei Insekten die Evolution sozialer Verhaltensweisen vorantreiben. Das zeigen Forscher aus Bern und Würzburg am Beispiel von Ambrosiakäfern, die zu den Borkenkäfern gehören.

Drei weibliche Ambrosiakäfer in ihrem Nest.
Drei weibliche Ambrosiakäfer in ihrem Nest. (Bild: Gernot Kunz)

Ameisen und Honigbienen leben in ihren Nestern zu Hunderten oder Tausenden auf engstem Raum zusammen. Das Risiko, dass sich ansteckende Krankheiten schnell ausbreiten, ist darum sehr hoch.

Um diese Gefahr zu verringern, haben die Tiere spezielle soziale Verhaltensweisen entwickelt. Sie putzen sich zum Beispiel gegenseitig und halten so ihre Körperoberfläche frei von gefährlichen Erregern. Und erkrankte Artgenossen werfen sie kurzerhand aus dem Nest, um die Gemeinschaft zu schützen.

Soziale Immunabwehr ist evolutionär älter

Die Wissenschaft spricht hier von einer „sozialen Immunabwehr“. Und die ist – anders als bislang gedacht – in der Evolution nicht erst bei den staatenbildenden sozialen Insekten entstanden. Sie kommt auch bei Ambrosiakäfern vor, die sich ebenfalls gegenseitig putzen.

Das berichten drei Wissenschaftler im britischen Fachjournal Proceedings of the Royal Society B. Die Autoren sind Jon A. Nuotclà und Michael Taborsky von der Universität Bern und Dr. Peter Biedermann von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg.

Käfer ziehen Geschwister auf

„Ambrosiakäfer betreiben eine kooperative Brutpflege und leben gruppenweise in Nestern, die nicht so streng organisiert sind wie die Staaten der Bienen und Ameisen“, sagt Jon Nuotclà, Doktorand am Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern und Erstautor der Studie. Bei diesen Käfern können die Arbeiterinnen frei entscheiden, ob sie ihren Müttern im Nest bei der Brutpflege helfen, also Geschwister aufziehen, oder ob sie auswandern und eigene Nester gründen.

„In der Evolution von Sozialverhalten nehmen Ambrosiakäfer eine Zwischenstufe zwischen den einzeln und den sozial lebenden Insekten ein“, verdeutlicht Peter Biedermann, der am Biozentrum der JMU forscht und die Experimente mitbetreut hat. „Doch bei der Vorbeugung von Krankheiten verhalten sie sich schon wie soziale Insekten.“

Pilzsporen lösen Putzverhalten aus

„Unsere Experimente weisen darauf hin, dass die Abwehr von Krankheitserregern ein wichtiger Faktor für die Evolution von Sozialverhalten ist“, sagt Michael Taborsky vom Berner Institut für Ökologie und Evolution, der Leiter der Studie. Sprühten die Wissenschaftler Sporen des krankheitserregenden Pilzes Aspergillus in die Käfernester, dann fingen die Arbeiterinnen verstärkt damit an, ihre Artgenossinnen zu putzen.

„In verpilzten Nestern waren sie außerdem eher geneigt, sich in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen: Sie bleiben dann länger im Nest, um bei der Brutpflege mitzuhelfen“, so Taborsky.

Als nächstes wollen die Forscher untersuchen, ob im Speichel der Ambrosiakäfer womöglich antibiotische Wirkstoffe stecken, welche die Sporen der Aspergillus-Pilze abtöten. Fraglich wäre dann auch, wie die Käfer es vermeiden können, dass die krankheitserregenden Pilze Resistenzen entwickeln.

Ein Käfer, der Landwirtschaft betreibt

Ambrosiakäfer gehören zu den Borkenkäfern, die wirtschaftlichen Schaden anrichten, indem sie Bäume befallen und zum Absterben bringen. Sie attackieren Nadel- und Laubbäume und sind weltweit mit mehreren tausend Arten vertreten. Bevorzugt besiedeln sie die Stämme alter, absterbender Bäume, die Alkohol produzieren. Das zieht die Ambrosiakäfer an, denn hier können sie artspezifische Pilze züchten. Diese Ambrosiapilze sind im Gegensatz zu anderen Pilzen unempfindlich gegenüber dem Zellgift Alkohol. Mit den Ambrosiapilzen betreiben die Käfer Landwirtschaft: Sie bohren Löcher ins Holzund züchten dort die Pilze, von denen sie sich und ihre Larven ernähren.

Publikation

Pathogen defence is a potential driver of social evolution in ambrosia beetles. Jon A. Nuotclà, Peter H. W. Biedermann, and Michael Taborsky, Proceedings of the Royal Society B, Dezember 2019, http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2019.2332

Kontakt

Jon Andreja Nuotclà und Prof. Dr. Michael Taborsky, Institut für Ökologie und Evolution, Universität Bern, T +41 76 592 61 35, michael.taborsky@iee.unibe.ch

Website

Dr. Peter Biedermann, Lehrstuhl für Zoologie III (Tierökologie und Tropenbiologie), Biozentrum, Universität Würzburg, T +49 931 31-89589, peter.biedermann@uni-wuerzburg.de

Website: www.insect-fungus.com

Von Robert Emmerich

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