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Stagediving mit Biomolekülen

30.04.2018

Physiker aus Dresden und Würzburg haben eine neuartige Methode für die optische Mikroskopie entwickelt. Mit Hilfe biologischer Motoren und einzelner Quantenpunkte erzeugen sie ultra-hochaufgelöste Bilder.

Künstlerische Darstellung mehrerer Mikrotubuli, welche durch das optische Nahfeld einer nanostrukturierten Goldoberfläche gleiten.
Künstlerische Darstellung mehrerer Mikrotubuli, welche durch das optische Nahfeld (blau) einer nanostrukturierten Goldoberfläche gleiten. Die an den Mikrotubuli befestigten Quantenpunkte (grün) reagieren auf das lokale Feld, indem sie verstärkt fluoreszieren. (Bild: Heiko Groß)

Die Auflösung konventioneller optischer Mikroskopie ist durch das fundamentale physikalische Prinzip der optischen Beugung auf etwa die halbe Wellenlänge des Lichts begrenzt: Ist die Entfernung zweier Objekte kleiner als dieses sogenannte „Beugungslimit“, können diese optisch nicht mehr voneinander getrennt werden – das Bild erscheint „verschwommen“. Für Darstellungen im Bereich weniger Nanometer reicht das nicht aus.

Nano-Sonden wandern über Oberflächen

Wissenschaftler weltweit haben deshalb in der Vergangenheit ausgeklügelte Konzepte entwickelt, um das Beugungslimit zu umgehen und somit die Auflösung zu erhöhen. Der dafür notwendige technische Aufwand ist jedoch erheblich und benötigt in der Regel hochspezialisierte Mikroskop-Aufbauten. Insbesondere die Vermessung optischer Nahfelder, welche so stark lokalisiert sind, dass sie keine Wellen zu einem weit entfernten Detektor schicken können, stellt nach wie vor eine große Herausforderung dar.

In einer neuen Studie zeigen Physiker der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und der Technischen Universität Dresden nun, dass es möglich ist, diese Nahfelder mit einem deutlich geringeren Aufwand zu vermessen. Sie haben dafür viele extrem kleine optische Nano-Sonden mithilfe eines biomolekularen Transportsystems über eine Oberfläche gleiten lassen. In der aktuellen Ausgabe des renommierten Fachmagazins Nature Nanotechnology stellen sie die Ergebnisse ihrer Arbeit vor.

Intrazelluläre Moleküle als Transportsystem

„Wir haben als Sonden sogenannte Quantenpunkte verwendet – wenige Nanometer kleine fluoreszente Partikel“, schildert Professor Bert Hecht die Vorgehensweise der Physiker. Hecht hat an der JMU den Lehrstuhl für Experimentelle Physik (Biophysik) inne; gemeinsam mit Professor Stefan Diez, Lehrstuhlinhaber für BioNanoWerkzeuge am B CUBECenter for Molecular Bioengineering der TU Dresden, hat er die Arbeiten geleitet.

Sogenannte Motorproteine und Mikrotubuli sorgen dafür, dass die Quantenpunkte über das zu untersuchende Objekt wandern. „Diese beiden Elemente gehören zu den fundamentalen Bestandteilen eines intrazellulären Transportsystems“, erklärt Diez. „Mikrotubuli sind röhrenförmige Proteinkomplexe, die mit einer Länge von bis zu mehreren zehntel Millimetern ein wichtiges ‚Straßensystem‘ im Inneren menschlicher Zellen bilden. Motorproteine laufen entlang dieser Strecken und können dabei intrazelluläre Lasten von einem Ort zu einem anderen transportieren“, so der Wissenschaftler.

Motorproteine sorgen für den Antrieb

Dieses Konzept haben sich die Physiker aus Würzburg und Dresden zunutze gemacht, allerdings in umgekehrter Anordnung: „Die Motorproteine werden auf der Oberfläche der Proben fixiert und reichen die Mikrotubuli über sich hinweg – sozusagen ein ‚Stagediving‘ mit Biomolekülen“, sagt Heiko Groß, Doktorand in der AG Hecht. Die Quantenpunkte, die als optische Sonden dienen, werden dabei an die Mikrotubuli gebunden und bewegen sich mit ihnen mit.

Da es mit einem einzelnen Quantenpunkt sehr lange dauern würde, einen großen Oberflächenabschnitt zu untersuchen, haben die Forscher große Mengen solcher Quantenpunkte und Motorproteine verwendet. Damit bewegen sich viele Quantenpunkte gleichzeitig und tasten so eine große Fläche in kurzer Zeit ab. „Auf diese Weise können wir lokale Lichtfelder großflächig mit einer Auflösung von weniger als fünf Nanometer auf einem einfachen optischen Mikroskop vermessen“, erklärt der Physiker. Zum Vergleich: Ein Nanometer entspricht dem millionsten Teil eines Millimeters.

Test auf einer dünnen Goldschicht

Die von ihnen entwickelte Methode haben die Physiker auf einer dünnen Goldschicht getestet, die mit schmalen Schlitzen mit einer Breite von weniger als 250 Nanometern versehen war. Diese Schlitze haben sie von unten mit blauem Laserlicht beleuchtet. „Licht, das durch diese schmalen Spalte tritt, ist auf die Spaltbreite eingeschränkt und damit ideal, um eine hochaufgelöste optische Mikroskopie zu demonstrieren“, so Groß.

Während der Messung gleitet ein „Gewimmel von Mikrotubuli“ gleichzeitig in verschiedene Richtungen über die Oberfläche der Goldschicht. Mit einer Kamera kann in definierten zeitlichen Intervallen die Position von jedem transportieren Quantenpunkt exakt bestimmt werden. Wenn sich nun ein Quantenpunkt durch das optische Nahfeld der Spalte bewegt, leuchtet dieser – sozusagen als optischer Sensor – stärker auf. Da der Durchmesser des Quantenpunkts nur wenige Nanometer beträgt, lässt sich die Lichtverteilung innerhalb des Schlitzes äußerst präzise bestimmen – und somit das Beugungslimit umgehen.

Zehn Mal höhere Genauigkeit

Ein weiterer Clou dieser neuartigen Methode besteht darin, dass sich ein Mikrotubulus aufgrund seiner Länge und Festigkeit äußerst geradlinig und vorhersagbar über die motorbeschichtete Probenfläche bewegt. „Dadurch ist es möglich, die Position der Quantenpunkte zehn Mal genauer zu bestimmen als bei bisher etablierten höchstauflösenden Mikroskopiemethoden“, erklärt Dr. Jens Ehrig, ehemaliger Postdoktorand in der AG Diez und derzeitiger Leiter der Serviceeinrichtung „Molekulare Bildgebung und Manipulation“ am Center for Molecular and Cellular Bioengineering (CMCB) der TU Dresden. Auch können auf diese Weise Störungen ausgeschlossen werden, die durch Artefakte aufgrund einer Nahfeld-Kopplung entstehen. Da das Transportsystem nur aus wenigen Molekülen besteht, ist auch dessen Einfluss auf das Nahfeld vorteilhafterweise vernachlässigbar.

Die Forscher hoffen, mit ihrer Idee eine neue Technologie im Bereich der Oberflächenmikroskopie etablieren zu können. Sie sind jedenfalls überzeugt: „Besonders bei der optischen Überprüfung von nanostrukturierten Oberflächen kann diese Art der Mikroskopie ihre Stärken ausspielen.“ In einem nächsten Schritt wollen sie jetzt dieses molekulare Transportsystem in der Grundlagenforschung verwenden, um Quantenpunkte gezielt mit präparierten optischen Nahfeldern zu koppeln und deren Wechselwirkung zu studieren.

Heiko Groß, Hannah S. Heil, Jens Ehrig, Friedrich W. Schwarz, Bert Hecht, Stefan Diez: Parallel mapping of optical near-field interactions by molecular motor-driven quantum dots. Nature Nanotechnology http://dx.doi.org/10.1038/s41565-018-0123-1

Kontakt

Heiko Groß und Prof. Dr. Bert Hecht, Physikalisches Institut der Universität Würzburg
T +49 931 31-85863, hecht@physik.uni-wuerzburg.de

Dr. Jens Ehrig und Prof. Dr. Stefan Diez, B CUBE – Center for Molecular Bioengineering, TU Dresden
T +49 (351) 463 43010, stefan.diez@tu-dresden.de

Von Bert Hecht / Gunnar Bartsch

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