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UWE-4: Klein und agil im All

11.08.2020

UWE-4, der Experimentalsatellit der Uni Würzburg, hat mit seinem Elektro-Antrieb neue Maßstäbe gesetzt: In einer weltweiten Premiere für Kleinst-Satelliten hat er seine Umlaufbahn gezielt verändert.

UWE-4 hat in seiner Umlaufbahn um die Erde erfolgreich Manöver vollführt.
UWE-4 hat in seiner Umlaufbahn um die Erde erfolgreich Manöver vollführt. (Bild: Lehrstuhl Informatik VII / Universität Würzburg)

Seit Ende 2018 kreist er um die Erde: der Kleinst-Satellit UWE-4. Als jüngstes Mitglied im Universität-Würzburg-Experimentalsatelliten-Programm UWE sollte er als erster Pico-Satellit weltweit seine Umlaufbahn kontrollieren.

Anfangs sah das gar nicht gut aus, denn von den vier Miniatur-Elektrotriebwerken an Bord funktionierte zuerst nur eines, später zeitweise noch ein zweites. „Allerdings hat Alexander Kramer in seiner Doktorarbeit sehr clever die noch verfügbaren Systeme genutzt, den verbliebenen Elektro-Antrieb und die Orientierung gegenüber dem Erdmagnetfeld mit Magnetfeldspulen, um dennoch alle geplanten Manöver durchzuführen“, freut sich sein Betreuer Professor Klaus Schilling.

So vollführte der Satellit erfolgreich gleich drei Manöver, die für die Klasse der Pico-Satelliten als Weltpremieren gelten dürfen. Pico-Satelliten haben nur etwa ein Kilogramm Masse und sind in etwa so groß wie eine Milchtüte.

Absenken der Umlaufbahn

Um die Erde schwirren jede Menge ausgediente Satelliten und anderer Weltraumschrott. Das birgt Gefahren für funktionierende Satelliten, die bei Kollisionen mit Schrott beschädigt werden könnten. Müllvermeidung ist darum auch in der Raumfahrt ein wichtiges Ziel. Es ist mittlerweile Pflicht, Satelliten bis zum Ende ihrer Lebensdauer auf einen Absturz-Orbit zu bringen, so dass sie in der Atmosphäre verglühen. Ein solch kontrolliertes Absenken der Umlaufbahn war eines der Manöver, die UWE-4 dank seines innovativen Elektro-Antriebs im Juni 2020 erfolgreich gemeistert hat.

Anheben der Umlaufbahn

UWE-4 konnte seine Umlaufbahn auch anheben, durch Feuern seiner Triebwerke mit der richtigen Ausrichtung und Zeitdauer. Dieses Manöver eröffnet interessante Perspektiven, um die Lebensdauer funktionierender Satelliten zu verlängern. Auf erdnahen Bahnen sinken Satelliten durch den Luftwiderstand der Restatmosphäre normalerweise zügig nach unten. So muss auch die Raumstation ISS ständig Treibstoffnachschub durch Versorgungs-Raumschiffe erhalten, um ihr Absinken wieder durch die Triebwerke korrigieren zu können. Hier zeigte die Mission UWE-4, dass dies mit nur wenigen Gramm Treibstoff mit Elektro-Antrieben für Kleinst-Satelliten realisiert werden kann.

Vermeiden von Kollisionen

Während der Experimente erhielt Doktorand Alexander Kramer eine Warnung von SpaceOps, der Weltraumkontrollstelle der US-amerikanischen Luftwaffe: Es bestand die Gefahr, dass UWE-4 mit einem ausgedienten Telekommunikationssatelliten zusammenstoßen könnte. Kramer veränderte daraufhin gezielt die Bahn von UWE-4, um den Sicherheitsabstand zwischen den beiden Satelliten zu vergrößern. So konnte erstmals ein Kleinst-Satellit dank seines Elektro-Antriebs einer drohenden Kollision ausweichen.

Großes Anwendungspotenzial

„Das sind gleich drei Technologie-Durchbrüche, die Alexander Kramer mit UWE-4 weltweit erstmals für Kleinst-Satelliten im Orbit gezeigt hat“, stellt Professor Schilling fest, der an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) den Lehrstuhl für Informatik VII (Robotik und Telematik) leitet. „Das eröffnet ein sehr großes Anwendungspotenzial gerade für kostengünstige künftige Generationen von Kleinst-Satelliten.“

„Im Moment sind Satellitenbetreiber noch nicht verpflichtet, ein Antriebssystem einzubauen“, sagt Kramer. Das müsse sich auf Grund gesetzlicher Vorgaben ändern. So soll die Zahl der sich rasch anhäufenden Satelliten begrenzt werden: „In unterschiedlichen Weltraumorganisationen wird darum schon über die Notwendigkeit von Antriebssystemen diskutiert. Unsere Experimente mit UWE-4 zeigen hier eine innovative Lösung auf.“

Das Antriebssystem aus Dresden

Entwickelt wurde UWE-4 von Schillings JMU-Team mit Dr. Stephan Busch, Dr. Philip Bangert, Alexander Kramer und Dieter Ziegler sowie zahlreichen Informatik- und SpaceMaster-Studierenden. An der Technischen Universität Dresden wurde vom Team um Professor Martin Tajmar das miniaturisierte elektrische Antriebsystem NanoFEEP (Field Emission Electric Propulsion) in gemeinsamer Forschung seit 2015 auf UWE-4 realisiert.

Die Funktionsweise von NanoFEEP: An eine Nadel, die mit dem Flüssigtreibstoff Gallium benetzt ist, wird eine Spannung angelegt. Dadurch lösen sich einzelne Gallium-Ionen von der Nadel und werden durch eine Lochkathode in den Weltraum ausgestoßen. Die Ionen werden dabei auf eine Geschwindigkeit von bis zu acht Kilometer pro Sekunde beschleunigt. Dieser Impuls bewirkt nach dem Rückstoß-Prinzip eine Bewegung des Satelliten in die entgegengesetzte Richtung.

Nachfolge-Satelliten stehen schon bereit

UWE‑4 ist mit vier Triebwerken mit jeweils 0,25 Gramm Treibstoff ausgestattet. Damit kann er länger als ein Jahr Störungen seiner Umlaufbahn korrigieren. Nach dem Erfüllen seiner Missionsziele wird UWE-4 Ende 2020 von der Bodenkontrollstation an der JMU gezielt auf einen Absturzorbit gebracht. Ohne Antrieb würde er noch mehrere Jahre um die Erde kreisen, bevor er beim Eintritt in die Atmosphäre verglüht.

Nachfolgesatelliten aus Würzburg stehen schon bereit: die vier NetSat-Satelliten des Zentrums für Telematik. Sie sollen mit ihren Elektro-Antrieben erstmals einen Formationsflug in drei Dimensionen zeigen. Die Satelliten haben Würzburg bereits verlassen und sind auf dem Weg zum Raketenstartplatz in Plesetsk in Russland.

Kontakt

Prof. Dr. Klaus Schilling, Lehrstuhl für Informatik VII (Robotik und Telematik), Universität Würzburg, T +49 931 31-86647, schi@informatik.uni-wuerzburg.de

Von Robert Emmerich

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