English Intern
  • none
  • none

Was die Angst kleiner macht

30.01.2020

In unheimlichen Situationen kann die bloße Anwesenheit einer unbekannten Person beruhigend wirken. Das zeigt die Studie eines Würzburger Teams, das Angsterkrankungen erforscht.

Angst im Flugzeug – kleiner wäre sie, wenn noch jemand neben einem säße…
Angst im Flugzeug – kleiner wäre sie, wenn noch jemand neben einem säße… (Bild: riskms / iStock.com)

Alleine auf eine Reise gehen. Stundenlang im Flugzeug sitzen, in zwölf Kilometern Höhe über dem Atlantik. Mit Turbulenzen und allen Unbequemlichkeiten, die zu einem Langstreckenflug eben so dazu gehören. Vor dieser Situation hat Michaela B. Angst. Wäre nur eine Freundin auf der Reise dabei! Dann würde sie sich bestimmt besser fühlen.

Dabei müsste Michaela B. vor der Situation im Flieger gar nicht bange sein. Auf die Freundin als Begleitung könnte sie locker verzichten. Denn es würde ihr schon helfen, wenn einfach irgendjemand neben ihr sitzt. Und dieser Jemand müsste sich nicht einmal mit ihr unterhalten oder sich ihr in anderer Weise zuwenden. Seine bloße Präsenz würde genügen, um die Angst zu verringern.

Das ergibt sich aus einer Studie, die eine Gruppe um Professorin Grit Hein von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg durchgeführt hat. Die Resultate sind im Journal Proceedings of the Royal Society B: Biological Science veröffentlicht.

Physiologische Anspannung über Hautwiderstand gemessen

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Angst und die daraus resultierende physiologische Anspannung durch die bloße Anwesenheit einer anderen Person vermindert werden können, auch wenn diese Person unbekannt ist und keine aktive Unterstützung leistet“, erklärt Grit Hein. Sie hat an der JMU eine Professur für Translationale Soziale Neurowissenschaften inne und forscht über Angsterkrankungen.

Die verminderte Angstreaktion trat unabhängig davon auf, ob die unbekannte Person der gleichen oder einer anderen Ethnie angehörte. „Interessanterweise war der angstmindernde Effekt umso stärker, wenn die Probanden die andere Person als weniger ähnlich wahrnahmen – wahrscheinlich, weil sie dann davon ausgingen, dass der andere im Gegensatz zu ihnen selbst keine Angst hat“, so die JMU-Professorin.

In der Studie bekamen die Versuchspersonen über Kopfhörer entweder neutrale oder angsterzeugende Geräusche vorgespielt –das Plätschern von Wasser oder menschliche Schreie. Ihre körperlichen Reaktionen darauf wurden über den Hautwiderstand gemessen – bei Angst verändert sich die elektrische Leitfähigkeit der Haut. War bei den Tests eine unbekannte Person im Raum mit dabei, durfte diese nichts sagen und blieb von der Versuchsperson körperlich abgewandt. Dieses Setting sollte soziale Interaktionen zwischen den beiden verhindern.

Folgestudien mit Männern und Frauen

Bisher wurden nur Frauen in Anwesenheit von Frauen getestet. In Folgestudien möchte das Würzburger Forschungsteam nun auch die Effekte messen, wenn sich Männer mit Männern oder Männer mit Frauen der unheimlichen Situation im Labor aussetzen.

Dabei werden sich eventuell Unterschiede zeigen. „Es gibt Hinweise aus der Stressforschung, dass das Geschlecht der anwesenden Person eine Rolle spielen könnte“, sagt die JMU-Professorin. Die Erkenntnisse aus diesen Forschungen lassen sich womöglich für die Therapie von Angsterkrankungen nutzen.

Kooperation und Förderung

Wesentlichen Anteil an der publizierten Studie hatten die Wissenschaftler Yanyan Qi, Martin Herrmann und Jürgen Deckert. Finanzielle Förderung kam von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften.

Publikation

Qi Y, Herrmann M, Bell L, Fackler A, Han S, Deckert J, Hein G: The mere physical presence of another person reduces human autonomic responses to aversive sounds. 22. Januar 2020, Proc. R. Soc. B 287: 20192241. http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2019.2241

Kontakt

Prof. Grit Hein, PhD, Professur für Translationale Soziale Neurowissenschaften, Universität und Universitätsklinikum Würzburg, T +49 931 201-77411, hein_g@ukw.de

Website Prof. Hein http://grit-hein.de/

Von Robert Emmerich

Zurück