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Was kann unser Immunsystem leisten?

28.04.2023

Im Vorfeld zum offiziellen Tag der Immunologie präsentierten Forschende aktuelle Erkenntnisse zum Thema „Immunologie – What’s next?“. Die zentrale Rolle der Immunologie in den verschiedensten Fachrichtungen wurde deutlich.

Mikroskopieaufnahme: Das Immunsystem wird in mikroskopischen Strukturen sichtbar – die Wirkung der Forschung auf die Gesundheit ist umso größer.
Mikroskopieaufnahme: Das Immunsystem wird in mikroskopischen Strukturen sichtbar – die Wirkung der Forschung auf die Gesundheit ist umso größer. (Bild: Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie)

Am 29. April 2023 wird der Tag der Immunologie unter dem Motto „Immunologie im Dialog mit der öffentlichen Gesundheit“ gefeiert – aus diesem Anlass fand im Vorfeld ein dialogischer Austausch zu aktuellen Erkenntnissen und Potenzialen der Immunforschung statt. Forschende aus verschiedenen Fachbereichen der Max-Planck-Forschungsgruppe und dem Universitätsklinikum Würzburg gewährten einen Blick hinter die Kulissen und zeigten, was die Immunologie in den Bereichen Systemimmunologie, Neonatologie, Onkologie und Kardiologie noch leisten kann.

Das hybride Pressegespräch am 26. April wurde von der Vogel Stiftung Dr. Eckernkamp gemeinsam mit der Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie an der Universität Würzburg organisiert.

Wie verändern sich Immunzellen bei Krankheit?

Professor Georg Gasteiger und Professor Wolfgang Kastenmüller untersuchen, wo das Immunsystem aktiv ist – es wirkt nämlich auch an Stellen, wo man es nicht vermutet. "Es ist faszinierend, dass sich manche Immunzellen schon vor der Geburt und in den ersten Lebenswochen in bestimmten Geweben ansiedeln und ein fester Bestandteil davon werden und die Entwicklung und Funktion dieser Gewebe beeinflussen“, so Wolfgang Kastenmüller. Man findet es in allen Geweben, es kommuniziert mit dem Nervensystem, es reguliert unseren Stoffwechsel, sorgt für einen regelmäßigen Herzschlag und steuert die Gewebeerneuerung. Es ist unermüdlich im Einsatz, um uns aktiv gesund zu erhalten. Georg Gasteiger erklärt: „Wir untersuchen, wie sich diese Zellen vor Ort auf so unterschiedliche Umgebungen wie Haut, Lunge, Darm, Leber oder Fettgewebe spezialisieren, und wie das Immunsystem die Entwicklung und Funktion des Körpers im gesunden beeinflusst. Das ist die Grundlage, um Veränderungen bei Krankheiten zu erkennen, und um neue Ansätze zu entwickeln, wie man diese Veränderungen wieder korrigieren könnte."

Wie Einflüsse auf Neugeborene das Immunsystem lebenslang lenken

Neonatologin und Immunologin Dorothee Viemann forscht an der frühen Prägung und wie Einflüsse auf Neugeborene das Immunsystem lebenslang lenken: „Sämtliche Umwelteinflüsse in den ersten Wochen und Monaten nach der Geburt beeinflussen das Immunsystem ein Leben lang und entscheiden maßgeblich über die Entwicklung von Gesundheit und Krankheit. Dabei gilt auch für das Immunsystem: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr.“ Denn gerät es auf die falsche Bahn, sind große Kraftanstrengungen und Therapien nötig, um es im Erwachsenenalter wieder einzufangen. Es können sich beispielsweise chronische Erkrankungen entwickeln. Die Prävention von Krankheit ist die zentrale Aufgabe des Kinderarztes. Um Eltern sichere Empfehlungen geben zu können, wie sie das Immunsystem ihres Kindes stärken sollen, versuchen sie besser und individuell zu verstehen, welches Kind welche Faktoren zur Immunreifung benötigt. Als Beispiel dafür nannte sie Muttermilch als die beste Nahrung für Säuglinge. Sie enthält unter anderem S100 Alarmine, die eine wichtige Rolle bei der neonatalen Prägung spielen. Weiter führt sie aus, dass ihre Arbeit die Grundlage für eine neue Ära der Präventionsmedizin schaffen soll.

Zellen als lebende Krebs-Medikamente

Professor Michael Hudecek, Lehrstuhl für Zelluläre Immuntherapie, Medizinische Klinik und Poliklinik II am Uniklinikum Würzburg, forscht an CAR T-Zellen, auch Smart Cells genannt. Und daran, wie diese programmierten Zellen als lebende Medikamente eingesetzt werden können, um Krebszellen zu finden und zu bekämpfen. Er hat die neue Form der Therapie von Anfang an mitentwickelt und mitbegleitet: „Die Immuntherapie mit CAR-T Zellen ist eine transformative Behandlung in der Krebsmedizin. CAR T-Zellen, die Würzburger Forscher mitentwickelt haben, wurden weltweit bei über 1.000 Patientinnen und Patienten mit Leukämie und Lymphknotenkrebs erfolgreich eingesetzt.“ Viele davon sind inzwischen krankheitsfrei. Die sogenannte zelluläre Immuntherapie ist eine neue Medikamentenkategorie, mit denen Betroffene, die auf Chemotherapie nicht mehr ansprechen, eine Heilungschance erhalten. Auch in weiteren Bereichen ist die Anwendung denkbar: „Wir freuen uns über ein neues Leuchtturm Projekt, in dem wir diese Zelltherapie bei Organ- und Hirntumoren einsetzen werden“, sagt Hudecek. Und auch weitere Felder sind geplant: Die Forschenden arbeiten intensiv an innovativen Konzepten, um mit CAR T-Zellen in Zukunft auch Autoimmunerkrankungen, Kardiologische- und Neurologische Erkrankungen behandeln zu können.

Schützt ein gutes Immunsystem vor Herzinfarkten?

Über die regenerative Macht des Immunsystems sprach Professor Stefan Frantz, Direktor der Medizinischen Klinik I am Uniklinikum Würzburg und ging näher auf die Heilungschancen nach einem Herzinfarkt ein: „Am Herzen ist ein intaktes Immunsystem für dessen Funktion und Reparatur von Schädigungen elementar.“ Auch wenn keine Krankheit vorliegt, braucht der Körper das Immunsystem für überlebenswichtige Funktionen: Das Immunsystem beeinflusst zum Beispiel, wie schnell das Herz altert. Und bei jedem Herzschlag müssen Makrophagen – Zellen des Immunsystems – anwesend sein, damit die Reizweiterleitung beim Herzschlag funktioniert.

Nach einem Herzinfarkt liegt eine Art „Wunde“ vor. Hier wandern Immunzellen in das Herz ein und sorgen für die Wundheilung. Diese Zellen kommen beispielsweise aus Knochenmark und Milz. Für eine adäquate Heilung nach einem Herzinfarkt, muss dann das Immunsystem in guter Balance sein. Fällt die Immunreaktion zu stark aus, reagiert das Herz mit einer Verschlechterung der Pumpfunktion. „Diese Verbindung zwischen Herz und Immunsystem ist noch nicht lange bekannt und erst durch revolutionierende technische Entwicklungen möglich geworden, beispielsweise durch Single Cell Sequencing,“ erklärt Frantz.

Würzburg als wichtiger Hub für die Immunologie

Die Würzburger Universitätsklinik hat sich auch vor der Pandemie bereits als wichtiger Forschungsstandort im Bereich Immunologie hervorgetan und diese Kompetenzen in den letzten Jahren stark ausgebaut. Die Vogel Stiftung Dr. Eckernkamp unterstützt viele medizinische Forschungsprojekte und bemüht sich dabei um seriöse Gesundheitsinformationen für die Öffentlichkeit. „Durch die Pandemie ist die Immunologie plötzlich ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Dass dieser Forschungsbereich noch viel mehr zu bieten hat, haben wir heute gehört“, zeigt sich Dr. Gunther Schunk, Vorstandsvorsitzender, zufrieden mit dem Austausch. „In den letzten drei Jahren haben wir gelernt, Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung unmittelbar an den Patienten zu bringen. Durch die Pandemie ging ein Ruck durch die Gesellschaft, man hat die Notwendigkeit dieser engen Zusammenarbeit erkannt. Davon sollten wir lernen und jetzt Wege finden, für die Zukunft eine enge Kollaboration auszubauen“, ergänzt Georg Gasteiger.

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Von Christina Bornschein / Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie

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