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Wie Pilze Ameisen austricksen

02.02.2023

Ein österreichisch-deutsches Forschungsteam hat entdeckt, wie krankheitserregende Pilze sich an die kollektiven Hygienemaßnahmen von Ameisen anpassen.

Argentinische Ameisenarbeiterinnen mit Brut. Ameisen reagieren sofort auf eine Kontamination mit Krankheitserregern und nicht erst auf die sich später entwickelnden Symptome einer Krankheit. Die Nestgenossinnen säubern Koloniemitglieder effizient von infektiösen Partikeln.
Argentinische Ameisenarbeiterinnen mit Brut. Ameisen reagieren sofort auf eine Kontamination mit Krankheitserregern und nicht erst auf die sich später entwickelnden Symptome einer Krankheit. Die Nestgenossinnen säubern Koloniemitglieder effizient von infektiösen Partikeln. (Bild: Sina Metzler & Roland Ferrigato / ISTA)

Ameisenvölker zeigen viele soziale Verhaltensweisen. Sie pflegen zum Beispiel erkrankte Individuen und erschweren mit gemeinschaftlichen Hygienemaßnahmen die Verbreitung von Krankheitserregern im Volk. Keime müssen also nicht nur das Immunsystem einzelner Ameisen austricksen, sondern auch die Gesundheitsfürsorge der ganzen Gruppe.

Wie die Erreger das schaffen, zeigt eine neue Studie, die im Journal Nature Ecology & Evolution veröffentlicht ist. Vorgelegt wurde sie vom Team der Professorin Sylvia Cremer vom Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Kooperation mit dem Tierökologen Professor Thomas Schmitt vom Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU).

Putzverhalten der Ameisen hat Folgen

Die Forschenden haben die Wechselwirkungen zwischen argentinischen Ameisen (Linepithema humile) und krankheitserregenden Metarhizium-Pilzen unter die Lupe genommen.

„Die Pilze infizieren die Ameisen von der Körperoberfläche aus und wachsen anschließend im Wirtskörper weiter. Die Pilzsporen werden aber meist von Nestgenossinnen abgeputzt, bevor sie überhaupt eine innere Infektion verursachen können“, erklärt Barbara Milutinović, ehemalige Postdoc in Sylvia Cremers Gruppe und nun Marie-Curie-Sklodowska-Stipendiatin am Ruđer-Bošković-Institut in Kroatien.

Als Reaktion auf die Putzmaßnahmen der Ameisenarbeiterinnen veränderten sich die Pilze grundlegend: Über zehn Infektionszyklen hinweg steigerten die Pilze ihre Sporenproduktion. „Das hilft dem Pilz, der sozialen Sporenentfernung entgegenzuwirken“, erklärt Sylvia Cremer. „Überraschend war jedoch, dass die Ameisen plötzlich immer weniger Sporen abputzten. Das deutet darauf hin, dass sie die Sporen nicht mehr so leicht erkannt haben.“

Pilze legen ihr typisches chemisches Profil ab

Warum hatten die Ameisen Probleme damit, die Pilze zu identifizieren? Um das herauszufinden, taten sich die Forschenden vom ISTA mit dem Würzburger Professor Thomas Schmitt zusammen. „Die an die sozialen Wirte angepassten Pilze zeigten eine starke Reduktion ihres Membranbestandteils Ergosterol“, so der Experte für chemische Ökologie. „Ergosterol ist ein essenzieller Baustoff aller Pilze, das macht ihn zu einem Pilzerkennungsmerkmal.“

Wenn man nun die Ameisen reinem Ergosterol oder dem ähnlichen Wirbeltier-Analog aussetzte, zeigte sich: Nur der pilzspezifische Stoff löste ein intensives Putzverhalten bei den Ameisen aus. Milutinović resümiert: „Krankheitserreger, in diesem Fall Pilze, reagieren auf die Anwesenheit von pflegenden Ameisen, indem sie charakteristische Signale reduzieren – sie werden dann nicht mehr als Gefahr wahrgenommen und können dadurch der sozialen Immunität der Kolonie entgehen.“

Die Ergebnisse verdeutlichen, welch großen Einfluss das Gruppenverhalten sozialer Wirte auf Krankheitserreger haben kann. „Es ist faszinierend, wie kollektive Hygienemaßnahmen ganz spezifische Ausweichstrategien beim Krankheitserreger auslösen. Es wäre spannend zu sehen, wie die Ameisen nun ihrerseits reagieren – vielleicht indem sie immer niedrigere Pilzhinweise erkennen können“, so Sylvia Cremer.

Publikation

M. Stock, B. Milutinović, M. Hoenigsberger, A. V. Grasse, F. Wiesenhofer, N. Kampleitner, M. Narasimhan, T. Schmitt, S. Cremer. 2023. Pathogen evasion of social immunity. Nature Ecology & Evolution, 2. Februar 2023, DOI: 10.1038/s41559-023-01981-6

Förderung

Für diese Studie erhielt Sylvia Cremer Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (CR118/3-1) im Rahmen des Schwerpunktprogramms SPP 1399 sowie durch den European Research Council (ERC) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union (Nr. 771402; EPIDEMICSonCHIP).

Kontakt

Prof. Dr. Thomas Schmitt, Biozentrum, T +49 931 31-84188,

Weitere Bilder

Von Pressemitteilung ISTA Austria / Robert Emmerich

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