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Würzburger Herzen untersucht

14.05.2020

Eine Studie zur Herzgesundheit von 5.000 Würzburger Bürgerinnen und Bürgern zeigt: Fast 60 Prozent der Teilnehmer weisen die Vorstufe einer Herzinsuffizienz auf. Die Studienergebnisse bergen weitere Überraschungen.

Dr. Caroline Morbach bei der Untersuchung eines Teilnehmers der STAAB-Studie.
Dr. Caroline Morbach bei der Untersuchung eines Teilnehmers der STAAB-Studie. (Bild: Gregor Schläger / DZHI)

Vor sieben Jahren startete die STAAB-Studie. 5.000 Würzburgerinnen und Würzburger wurden seither mindestens einmal, die meisten bereits zweimal umfassend untersucht. Ziel der Studie ist es, die Entstehung und Verbreitung von Vorstufen der Herzinsuffizienz zu analysieren (STAAB steht für STAdien A und B). Die erste große Auswertung ist nun im European Journal of Preventive Cardiology veröffentlicht.

In der Studie wird erforscht, wie häufig die Vorstufen der Herzinsuffizienz, die Stadien A und B, in der Bevölkerung im Alter von 30 bis 79 Jahren auftreten. Untersucht wird auch, wie die Vorstufen mit Risikofaktoren wie Lebensstil und Vorerkrankungen zusammenhängen und wie oft und wie schnell Betroffene in ein höheres Stadium der Herzinsuffizienz übergehen.

Die Studienteilnehmer wurden von der Stadt Würzburg nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und vom Studienteam angeschrieben. Diejenigen, die keine bekannte Herzinsuffizienz hatten, wurden innerhalb von vier Jahren zweimal untersucht.

Von den Untersuchten befanden sich 42 Prozent im Stadium A. Das heißt: Sie haben einen oder mehrere Risikofaktoren für Herzschwäche, aber ihr Herz sieht im Ultraschall normal aus. Mit 45 Prozent am meisten verbreitet ist der Risikofaktor Bluthochdruck. An zweiter Stelle steht mit 20 Prozent starkes Übergewicht. Diese Risikofaktoren findet man bereits zu einem erheblichen Teil bei Menschen im Alter von 30 bis 39 Jahren; elf Prozent davon hatten Bluthochdruck, zehn Prozent Übergewicht.

Vorstufen werden nicht zwingend zur Herzschwäche

17 Prozent der Studienteilnehmer sind schon im Stadium B. Bei ihnen wurde im Ultraschall eine strukturelle Veränderung am Herzen gefunden, die aber noch keine Symptome verursacht wie verdickte Herzwände, erweiterte Herzkammern oder Einschränkungen der Pump- oder Füllungsfunktion.

42 Prozent im Stadium A, 17 im Stadium B – bedeutet das, dass fast 60 Prozent der Bevölkerung für herzkrank erklärt werden?

„Nein“, sagt Götz Gelbrich, Professor für Biometrie. „Die Stadien A und B sind Vorstufen einer Herzinsuffizienz. So wie Sehschwäche nicht zwingend Blindheit zur Folge hat, so mündet eine Vorstufe der Herzinsuffizienz nicht zwingend in eine klinische Herzschwäche. Aber so wie die Sehschwäche ein Warnzeichen ist, das ärztlich abgeklärt werden sollte, so sind auch die Stadien A und B der Herzinsuffizienz Warnzeichen, die ernst genommen werden sollten, zumal diese Risiken auch zahlreiche andere gesundheitliche Folgen haben können. Bluthochdruck kann Schlaganfall, Nierenversagen und viele andere Organschäden verursachen. Starkes Übergewicht kann zu Diabetes, Arteriosklerose, Bluthochdruck und orthopädischen Problemen führen, um nur einige zu nennen.“

Suche nach dem unbekannten Risikofaktor

Für Überraschung sorgte, dass etwa jeder dritte Teilnehmende im Stadium B keinen der bekannten Risikofaktoren hatte, für den man ihn in Stadium A eingruppieren würde. Diese Untergruppe war mit einem Durchschnittsalter von 47 Jahren auffällig jung und vorwiegend weiblich (78 Prozent). Sie scheint die Vorstellung von der Entstehung der Herzschwäche in Frage zu stellen: vom Risikofaktor (Stadium A) über die Veränderung der Herzstruktur (Stadium B) zur klinisch manifesten Herzinsuffizienz (Stadium C).

Was schädigt vor allem die Herzen jüngerer Frauen?

Dr. Caroline Morbach, Kardiologin und Studienärztin am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz DZHI: „Wir können uns derzeit nicht erklären, was dazu beiträgt, dass so viele überwiegend jüngere Frauen eine vergrößerte linke Herzkammer haben, ohne dass wir einen der bekannten Risikofaktoren finden. Wir haben sehr viele Faktoren unter die Lupe genommen, Alkohol, Bewegung, Depression, eine Anämie, also einen Mangel an rotem Blutfarbstoff, der den Sauerstoff transportiert. Aber wir haben keine eindeutige Ursache gefunden. Die B-Gruppe ohne klassischen Risikofaktor lebt sogar tendenziell gesünder als die Studienteilnehmer, die eine normale Größe und Funktion des Herzens aufweisen.“

Professor Stefan Störk, Leiter der klinischen Forschung am DZHI, ergänzt: „Es liegt nahe, dass es Risikofaktoren gibt, die bislang nicht als solche bekannt sind und nach denen daher bisher auch in der Vorsorge nicht gesucht wird. Das zeigt uns, dass bei dieser Gruppe die derzeitigen Präventionsmaßnahmen nicht greifen.“

Was, wenn die Grenzwerte nicht stimmen?

Götz Gelbrich ist in diesem Punkt eher skeptisch: „Das kann sein. Aber was ist, wenn die Grenzwerte nicht stimmen? Die Grenzwerte, jenseits derer ein Messwert aus dem Ultraschall als abnormal gilt, sind für Männer und Frauen unterschiedlich. Wir müssen klären, ob die Messwerte der Betroffenen tatsächlich eine ungünstige Prognose darstellen oder ob nur die Grenzwerte unglücklich festgelegt wurden.“

Einig ist sich das Studienteam, dass ein statistischer Zufall aufgrund der Auswertungsmethodik eher unwahrscheinlich ist. Die Forscher hatten nämlich zunächst die erste Hälfte der Studienteilnehmer analysiert und statistisch auffällige Sachverhalte als Hypothesen formuliert. Diese wurden dann am zweiten Teil überprüft und nur bei einer Bestätigung als Tatsachen gewertet. Auf diese Weise wird weitgehend vermieden, statistische Auffälligkeiten in den Daten vorschnell als neue Entdeckungen zu präsentieren.

Professor Peter U. Heuschmann, Direktor des Instituts für Klinische Epidemiologie und Biometrie, resümiert: „Im Rahmen der geplanten Folgeuntersuchungen aller Studienteilnehmer werden wir untersuchen, ob diese spezielle Gruppe wirklich ein höheres Risiko hat, eine Herzschwäche zu entwickeln. Und wir gehen der Frage nach weiteren möglichen Risikofaktoren detailliert nach.“

Studienteam hofft auf weiterhin große Bereitschaft der Würzburger

Die Folgeuntersuchungen sollen im Abstand von drei bis vier Jahren stattfinden. Die erste Welle war bereits in vollem Gange: Mehr als 3.000 Probanden hatten schon ihren Folgetermin. Doch aufgrund der Corona-Pandemie wurden die Untersuchungen im Interesse der Sicherheit aller Beteiligten unterbrochen.

Das Studienteam wünscht allen STAAB-Teilnehmenden, dass sie diese Zeit gut überstehen. Es hofft auf die weiterhin große Bereitschaft der vielen Würzburgerinnen und Würzburger, die Gesundheitsforschung durch ihre Teilnahme zu unterstützen.

Publikation in internationalem Journal

Störk und Heuschmann freuen sich sehr darüber, dass die ersten Auswertungsergebnisse der STAAB-Studie in einem internationalen wissenschaftlichen Journal der European Society of Cardiology veröffentlicht wurden. Die beiden Wissenschaftler haben die Studie vor sieben Jahren als gemeinsames Projekt der Universität und des Universitätsklinikums Würzburg initiiert.

Prevalence and determinants of the precursor stages of heart failure: results from the population-based STAAB cohort study, European Journal of Preventive Cardiology, 6. Mai 2020, https://doi.org/10.1177/2047487320922636

Herzinsuffizienz: die Stadien A, B, C und D

Die amerikanischen kardiologischen Fachgesellschaften haben eine Einteilung in Stadien definiert, welche die Ausbildung einer Herzinsuffizienz als langfristigen Prozess abbildet. Wer klinische Anzeichen hat, vor allem Luftnot bei körperlicher Belastung, und krankhafte Veränderungen im Herzultraschall, wird in Stadium C eingestuft. Patienten mit schweren körperlichen Einschränkungen – für sie ist das Aufstehen von einem Stuhl oder das Gehen auf kurzen Strecken mühsam – werden dem Stadium D zugeordnet. Im Stadium A hat ein Patient einen oder mehrere Risikofaktoren, zum Beispiel starkes Übergewicht (BMI von mehr als 30kg/m2), Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und Arteriosklerose. Im Stadium B liegt eine Veränderung am Herzen vor, die im Ultraschall messbar ist, wovon der Betroffene jedoch zunächst nichts spürt. Dies kann eine anatomische Veränderung sein – vergrößertes Herz, verdickte Herzwände – oder eine funktionelle Störung wie etwa eine verminderte Pumpfunktion oder eine reduzierte Füllung der linken Herzkammer.
 

Von Kirstin Linkamp, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des DZHI

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