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Zwillingsjets markieren das Herz einer aktiven Galaxie

15.09.2016

Deutsche Astronomen haben den exakten Ort eines Schwarzen Lochs und das Magnetfeld nahe des Ereignishorizonts vermessen. Sie zeigen, dass Magnetfelder die erforderliche magnetische Energie zur Versorgung hochenergetischer relativistischer Jets in aktiven Galaxien zur Verfügung stellen können.

Zwillingsjets aus dem Herzen einer aktiven Galaxie: NGC 1052 bei einer Wellenlänge von drei Millimetern, beobachtet mit dem Globalen Millimeter-VLBI-Netzwerk. Die Abbildung zeigt eine sehr kompakte Region im Zentrum und zwei entgegengesetzt gerichtete Je
Zwillingsjets aus dem Herzen einer aktiven Galaxie: NGC 1052 bei einer Wellenlänge von drei Millimetern, beobachtet mit dem Globalen Millimeter-VLBI-Netzwerk. Die Abbildung zeigt eine sehr kompakte Region im Zentrum und zwei entgegengesetzt gerichtete Jets (unten) sowie eine schematische Darstellung des Systems mit einer Akkretionsscheibe und zwei Regionen mit verwirbelten Magnetfeldern, die zwei hochenergetische Jets formen (oben). Die kompakte Zentralquelle legt dabei den Ort des supermassereichen schwarzen Lochs im Zentrum von NGC 1052 fest, und die gewaltigen Magnetfelder im Umfeld des Ereignishorizonts erzeugen die beiden leuchtkräftigen beobachteten Zwillingsjets. (Abbildung: Anne-Kathrin Baczko et al., Astronomy & Astrophysics)

Wenn supermassereiche Schwarze Löcher eng gebündelte Materiestrahlen ausstoßen, die mit nahezu Lichtgeschwindigkeit ins Universum schießen, sprechen Astronomen von „Jets“. Dass Magnetfelder bei der Entstehung dieser Jets eine wichtige Rolle spielen, war bekannt.  Jetzt haben deutsche Astronomen die Umgebung eines Schwarzen Lochs mit bislang nicht erreichter Präzision untersucht und dabei das Magnetfeld nahe dem Ereignishorizont vermessen. Die Federführung dabei hatte die Doktorandin Anne-Kathrin Baczko. Sie wird betreut von den Professoren Matthias Kadler vom Institut für Theoretische Physik und Astrophysik der Universität Würzburg und von Eduardo Ros vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie.

Konsequente Nachwuchsarbeit

Ein besonders erfreulicher Aspekt an diesem Erfolg ist aus Sicht der Wissenschaftler die konsequente Nachwuchsarbeit an den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Würzburg: Anne-Kathrin Baczko nahm die Kalibration der Beobachtungsdaten während ihrer Bachelorarbeit vor, stellte tiefere wissenschaftliche Analysen dazu im Rahmen ihrer Masterarbeit an und publizierte nun den ersten Teil ihrer Untersuchungen in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics als junge Doktorandin in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie.

Eine leuchtkräftige und sehr kompakte Struktur mit einer Ausdehnung von nur zwei Lichttagen im Herzen der aktiven Galaxie NGC 1052 stand im Zentrum der Beobachtungen von Anne-Kathrin Baczko. „NGC 1052“: Dabei handelt es sich um eine elliptische Galaxie in einer Entfernung von rund 60 Millionen Lichtjahren in Richtung des Sternbilds Cetus (dem “Walfisch”). Ein weltweites Netzwerk von Radioteleskopen lieferte die gewünschten „Bilder“. Die Beobachtungstechnik, die hier zum Einsatz kam, wird als „Very Long Baseline Interferometrie“ oder VLBI bezeichnet. Sie ermöglicht die Lokalisierung des Fußpunkts eines Jets auf Größenskalen, die nahe an den Ereignishorizont der zentralen Energiequelle, eines supermassereichen Schwarzen Lochs, heranreichen.

Genaueste Lokalisierung eines Schwarzen Lochs

Obwohl es sich bei den Jets immer um doppelseitige Ausstöße handelt, sieht man sie doch in den meisten Fällen nur auf einer Seite des Schwarzen Lochs. Der Grund ist, dass die Strahlung des einen Jets, der näher an der Sichtlinie zur Erde steht, aufgrund seiner hohen Geschwindigkeit relativistisch verstärkt erscheint. Gleichzeitig wird die Strahlung des zweiten Jets so stark abgeschwächt, dass er im Allgemeinen nicht mehr beobachtet werden kann. Da das Schwarze Loch selbst unsichtbar ist, bleibt auch sein Abstand vom beobachteten Fußpunkt des „einseitigen Jets“ unbekannt.

In den Bildern von NGC1052 zeigt sich im Gegensatz dazu eine verblüffende Symmetrie mit zwei nahezu gleich hellen Jets, die zufällig fast exakt in der Ebene des Himmels angeordnet sind, und einer zentralen hellen und sehr kompakten Region, in der offenbar beide Jets entstehen. Der „Zwillingsjet“ von NGC 1052 ermöglicht es den Forschern deshalb, die tatsächliche Position des Schwarzen Lochs in dieser Galaxie zu bestimmen. Mit Ausnahme des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße handelt es sich dabei um die genaueste Lokalisierung der Position eines supermassereichen Schwarzen Lochs im Universum.  „NGC 1052 stellt in der Tat eine Schlüsselquelle dar, da sie direkt und eindeutig die Position eines Schwarzen Lochs im noch nahen Universum verrät“, so Anne-Kathrin Baczko.

Eine bislang unerreichte Bildschärfe

Das Magnetfeld des supermassereichen Schwarzen Lochs ist über die Kompaktheit und über die Leuchtkraft der Zentralregion in der Galaxie NGC 1052 bestimmt worden. Diese Radioquelle hat einen Durchmesser von nur 57 Mikro-Bogensekunden; das entspricht der Größe einer DVD auf der Mondoberfläche. Die erstaunliche Winkelauflösung wurde mit dem Globalen Millimeter-VLBI Array erreicht, einem Netzwerk von Radioteleskopen in Europa, den USA und Ostasien, das vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie organisiert wird. „Das ergibt eine bisher unerreichte Bildschärfe, und bald wird man sogar die Größenordnung des Ereignishorizonts für nahegelegene Objekte erreichen“, sagt Eduardo Ros.   

Die einzigartigen energiereichen Zwillings-Jets in einer relative nahen Galaxie setzen NGC 1052 in die vorderste Reihe für zukünftige Beobachtungen der nahegelegenen aktiven Galaxien in der kommenden Ära von Radiointerferometrie bei Millimeter-Wellenlängen unter Einschluss von ALMA, dem „Atacama Large Millimetre Array“.

Starke Magnetfelder am Rande des Schwarzen Lochs

Die weitere Analyse ergab der Bilder ergab Erstaunliches: Unmittelbar am Ereignishorizont des zentralen Schwarzen Lochs maßen die Astronomen Magnetfeldstärke zwischen 0,02 und 8,3 Tesla. Zum Vergleich: Die mittlere Stärke des Magnetfeldes der Erde beträgt etwa 50 Mikrotesla – also 50 Tausendstel eines Tausendstels Tesla. Diese Beobachtung könnte dabei helfen, das schon lange existierende Rätsel zu lösen, wie die energiereichen relativistischen Jets gebildet werden, die in den Zentren von vielen aktiven Galaxien gefunden werden. „Das Ergebnis ist von großer Bedeutung für die Astrophysik, da es zeigt, dass die freigesetzte magnetische Energie eines sehr schnell rotierenden supermassereichen Schwarzen Lochs den Antrieb für die Jets bilden kann“, so Professor Matthias Kadler.

A highly magnetized twin-jet base pinpoints a supermassive black hole? A.-K. Baczko, R. Schulz, M. Kadler, E. Ros, M. Perucho, T. P. Krichbaum, M. Böck, M. Bremer, C. Grossberger, M. Lindqvist, A. P. Lobanov, K. Mannheim, I. Martí-Vidal, C. Müller, J. Wilms, und J. A. Zensus, 2016, Astronomy & Astrophysics, 593, A47. www.aanda.org/10.1051/0004-6361/201527951

Kontakt

Prof. Dr. Matthias Kadler, T: (0931) 31-85138, matthias.kadler@astro.uni-wuerzburg.de

Von Norbert Junkes / Gunnar Bartsch

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