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Alumnitreffen in Rom - Interview mit Gastgeber Dr. Manfred Bauer

22.06.2023

Alumnus Dr. Manfred Bauer war Gastgeber des ersten ‚römischen Uni Würzburg – Treffens‘. Neben einem spannenden Einblick in seinen Arbeitsplatz nahm er sich auch Zeit für ein Interview zu dem sehr sensiblen Thema mit dem er als Theologe und Kirchenrechtler zu tun hat.

Die Gruppe der Alumni mit ihrem Gastgeber, Alumnus Dr. Manfred Bauer (Bild: Michaela Thiel)

Alumnus Dr. Manfred Bauer ist Theologe und Kirchenrechtler. Er war Gastgeber des ersten ‚römischen Uni Würzburg – Treffens‘. Hier haben sich initiativ etwa sechs Alumni verschiedener Disziplinen getroffen und vereinbart, das es künftig jährliche Treffen geben soll. Dr. Bauer hat der Gruppe unter anderem seinen Arbeitsplatz, das Dikasterium für die Glaubenslehre, in Nachbarschaft des Platzes vor dem Petersdom gezeigt, und dabei die Gruppe auch in die Kapelle und auf die Dachterrasse mit hervorragender Aussicht auf den Petersplatz geführt.

Das sind die Seiten, die man mit Bella Italia verbindet. Aber die Arbeit unseres Alumnus beinhaltet auch einige große Herausforderungen. Er ist seit über acht Jahren in Rom (alle fünf Jahre wird über eine Verlängerung um weitere fünf Jahre entschieden) und seine Erfahrung ist, dass es etwas ganz anderes ist, in Italien im Urlaub zu sein, als dort zu leben. Eine Sache, die ihm sehr gut gefällt, ist, dass man im Alltag in Italien oft auch mal 5 gerade sein lassen kann.

Ein Bereich, wo dies nicht so ist, ist seine berufliche Aufgabe. Dr. Bauer befasst sich jeden Tag mit dem sehr schweren Thema ‚Missbrauchsfälle‘ in der Katholischen Kirche. Das Alumni-Büro hat ihn interviewt.

 

Dr. Bauer, wie würden Sie Ihre Arbeit beschreiben?

Ich arbeite in der sogenannten Disziplinarsektion, die meisten Fälle betreffen Missbrauchsangelegenheiten. Ich bereite diese juristisch vor und berate sie zusammen mit dem Abteilungsleiter und dem Kirchenanwalt. Dabei geht es um die Entscheidung, ob es zu einem kirchlichen Strafverfahren kommt oder nicht. Möglich sind gerichtliche Prozesse, die mit einem Urteil enden, oder Verwaltungsstrafverfahren, die mit einem Strafdekret abgeschlossen werden. Diese Verfahren selbst werden in der Regel nicht in Rom geführt, sondern vor Ort in den jeweiligen Diözesen. Wo kein Strafverfahren geführt wird, weil zum Beispiel die Vorkommnisse sehr lange zurückliegen, können auf dem Verwaltungsweg Einschränkungen des künftigen Dienstes des Täters erfolgen, wie ein Verbot der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die es zu schützen gilt.

 

Das Dikasterium für die Glaubenslehre kann, wie bereits angedeutet, gerichtlich oder verwaltungsmäßig vorgehen, es ist also zugleich oberste Verwaltungsbehörde bzw. Ministerium der katholischen Kirche und oberstes Gericht für die Delikte, die in seiner Zuständigkeit liegen. Einige unserer Mitarbeiter nehmen zugleich Tätigkeiten als Professoren für Kirchenrecht an den päpstlichen Universitäten wahr. Es gibt darüber hinaus aber auch die Möglichkeit, qualifizierte Kirchenrechtler, insbesondere Professor(inn)en, in die Arbeit - insbesondere beratend - einzubeziehen.

 

Was hat sich aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren getan?

Früher stand (und das ist leider bis heute bei vielen Institutionen so) der Schutz der Institution im Vordergrund. Das wird zur Zeit auch in vielen diözesanen Gutachten zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der Vergangenheit in Deutschland deutlich. Es hat aber einen Lernprozess gegeben bzw. gibt ihn, der nicht überall gleich schnell verläuft, aber nicht zu übersehen ist. Man bemüht sich heute, die Opfer und das, was sie erleiden mussten, in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei wurde schon vieles erreicht, was nicht heißt, dass alles fehlerfrei läuft. Seit über 20 Jahren (seit 2001) müssen alle Missbrauchsfälle an das Dikasterium für die Glaubenslehre gemeldet werden, das dann - wie oben schon kurz beschrieben - über die weitere Vorgehensweise entscheidet. Wird nicht gemeldet, kann das Dikasterium auch nicht tätig werden. Die nichtmeldenenden Verantwortlichen in der Kirche machen sich aber nach neuem kirchlichen Strafrecht selbst eines Deliktes schuldig und können heute also strafrechtlich belangt werden. Das hilft, die Meldepflicht durchzusetzen.

 

Die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche hat dazu geführt, dass die Menschen in den Gemeinden heute sehr wach und hellhörig sind. So werden ungesunde Entwicklungen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen oft früh wahrgenommen, so dass eingeschritten werden kann, bevor eine Straftat begangen wird. Und in diesen Fällen kann vielfach mit Psychotherapien verhindert werden, dass jemand zum Täter wird. Was dann das künftige berufliche Einsatzfeld betrifft, wird man freilich immer genau hinsehen müssen. Doch ist es auch heute in meiner Tätigkeit so, dass hauptsächlich Fälle aus der Vergangenheit gemeldet werden, die oftmals zwanzig Jahre und länger zurückliegen.

 

Dr. Bauer, in Deutschland wird oft über das Zölibat gesprochen und ob seine Aufhebung solche Missbrauchsfälle vielleicht verhindern könnte. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Die meisten Fälle passieren in der Familie bzw. ihrem direkten Umfeld, dann erst folgt der Freizeitbereich. Deshalb glaube ich persönlich nicht, dass sich dadurch viel ändern würde.

 

Welche Auswirkung hat die Bearbeitung der Missbrauchsfälle in psychologischer Hinsicht auf Sie?

Natürlich ist das ein sehr schwieriges Thema aber ich hoffe, dass wir durch unsere Arbeit etwas für die Opfer tun können und was genauso wichtig ist – durch die Transparenz und Sensibilisierung solche Fälle im Bereich der Kirche in der Zukunft vermeiden können. So sehe ich, dass ich durch meine Tätigkeit etwas Gutes bewirke. Hinzu kommt freilich auch, die Tätigkeit im spirituellen Bereich zu reflektieren.

 

Sagen Sie uns doch ein paar Worte zum aktuellen Papst

Was wir bei Franziskus haben, ist ein Nebeneinander von progressiven Positionen und Bereichen, wo er sich eher auf Traditionen besinnt.

 

Wie sollte sich die Kirche Ihrer Meinung entwickeln?

Meiner Meinung nach liegt die Zukunft der Kirche darin, dem Menschen zu dienen. Überall da, wo sie nicht dem Menschen dient, geht sie an ihrer Aufgabe vorbei. Alle Reformanstrengungen müssen folglich danach beurteilt werden, ob sie zur Vertiefung des Glaubens beitragen und aus dem vertieften Glauben heraus den Dienst am Menschen verbessern. Gedanklich kommt man dabei zur philosophischen Frage ,Was dient dem Menschen?' Da könnte man sagen: Dem Menschen dient, was zu einem gelingenden Leben beiträgt. Dazu gehört freilich auch ein Leben in gesicherten Umständen, aber das allein reicht bei Weitem nicht aus. Und da kommt dann eben die Religion ins Spiel, die versucht, dem Menschen bei der Beantwortung der Frage nach dem Sinn des Lebens zu helfen. Nur ein sinnvolles Leben ist ein gelingendes Leben. Und nach meiner Überzeugung findet man den Sinn des Lebens nur in Gott.

 

Wir bedanken uns herzlich bei Dr. Manfred Bauer!

 

Alumnus und Gastgeber Dr. Manfred Bauer, im Hintergrund der Petersdomplatz (Bild: Michaela Thiel)

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