Experten berichten
25.11.2020Alumni aus den verschiedensten Branchen berichten welche Herausforderungen sich für Ihre Arbeitsfelder durch die Corona-Pandemie ergeben haben. Dieses Mal ist Alumnus Dr. Wilhelm Kuhn an der Reihe.
Dr. Wilhelm Kuhn hat an der JMU Wirtschaftswissenschaften studiert und ist nach seinem Studium ins familieneigene Unternehmen eingestiegen. Das Unternehmen Kuhn Maßkonfektion ist spezialisiert auf hochwertige Maßanzüge, Maßkostüme, Maßhemden, Maßblusen und betreibt derzeit 15 Filialen in Deutschland und Österreich. Die eigene Produktion liegt im Stammhaus im bayerischen Schneeberg.
1. Welche Auswirkungen hat die Coronakrise auf Ihr Geschäft?
Die Coronakrise hat, um es ganz direkt zu sagen, erhebliche Auswirkungen auf unser Geschäft. Hierzu muss man vorausschicken, dass unser Kerngeschäft die Anfertigung von Maßanzügen für Business und Festivitäten (Hochzeiten, Abi-Bälle) ist. Bedingt durch homeoffice und ausfallende Festivitäten ist seit der Wiedereröffnung der Geschäfte nach dem ersten lockdown der Umsatz dauerhaft um 50 % eingebrochen. Während des lockdowns konnten wir durch schnelle Umstellung auf Maskenproduktion über unseren Online-shop Masken verkaufen, so dass wir im ersten halben Jahr die Umsatzverluste im Tagesgeschäft etwas kompensieren konnten.
2. Was bewerten Sie als Chance, was als größte Herausforderung der Krise auf Ihren Bereich?
Die Krise hat auch bei uns gezeigt, wie wichtig der Online-Handel für uns in der Maßkonfektion werden wird. Der Maskenverkauf, den wir initiierten, funktionierte nahezu ausschließlich über unseren bereits bestehenden, bislang einfach strukturierten, Online-shop. Aus allen Teilen Deutschlands und Österreichs kamen die Bestellungen von Zahnarztpraxen, Arztpraxen, Kurkliniken, Altenheimen, Banken, Museen, Verbänden und natürlich auch von vielen Endverbrauchern.
Die Chance sehen wir aufgrund dieser Erfahrung darin, den Onlineshop für Maßanfertigungen von Anzügen und Hemden weiterzuentwickeln. Wir haben damit unmittelbar nach Eintritt der Krise begonnen und sind schon weit fortgeschritten. Der Knackpunkt für „Maßanzüge im Onlineshop“ ist nach wie vor das Vermessen des Kunden. Die bisherigen Lösungen können den geschulten Schneider nicht ersetzen. Wir arbeiten gerade an einer Lösung, mit der ein Kunde sich ganz einfach zuhause durch einen Körperscan mit seinem eigenen Smartphone vermessen kann. Die daraus errechneten Körpermaße können dann einem online konfigurierten Auftrag zugeordnet werden. Dies könnte ein Meilenstein in der Online-Maßkonfektion werden.
Die größten Herausforderungen sehen wir in dem Andauern der Krise und in nachhaltigen Verhaltensänderungen der Konsumenten. Eine lange Dauer der Krise wird vielen Unternehmen nachhaltig Schwierigkeiten bereiten. Bezüglich des Konsumentenverhaltens ist abzuwarten, ob der stationäre Einzelhandel weiterhin die Bedeutung hat, die er vor der Krise hatte. Bisher galt immer der Grundsatz „all business is local“, d. h. man muss mit seinem Geschäft und Angebot nahe am Endverbraucher sein. Es ist zu vermuten, dass – beschleunigt durch die Krise - dieser Grundsatz an Relevanz verloren hat.
3. Welche neue Aktivitäten/Aktionen, Maßnahmen haben Sie in der Corona-Zeit entwickelt?
Neben der forcierten Entwicklung des Onlineshops haben wir den Trend zur Casualisierung verstärkt aufgenommen und weiterentwickelt. D. h., die formelle Kleidung wird durch freizeitgemäße Ausstattungsmerkmale wie bequeme, elastische Stoffe, Hosen mit Bindegürtel (sogenannte Joggpants) und dergleichen ergänzt, so dass sie insgesamt sportiver wird. Diese Entwicklung hat durch das Homeoffice einen neuen Schub erhalten.
Ferner wird weiter die ganze Sortimentspolitik auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Wir beziehen bisher schon nahezu alle Stoffe aus Deutschland und dem übrigen Europa und werden die Lieferketten noch nachhaltiger ausrichten. Hierzu kann abschließend ergänzt werden, dass Maßkleidung schon vom Wesen her grundlegend nachhaltig ist, da nur das produziert wird, was bestellt wird und mithin keine unverkauften Teile am Ende der Saison übrigbleiben, die dann entsorgt werden müssten.