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Hans-Josef Fell, Physik & Sport, Gründer

21.10.2020

Alumnus Hans-Josef Fell hat Physik und Sport an der JMU studiert. Er war als Lehrer und als Bundestagsabgeordneter für die Grünen tätig. Er engagiert sich im Bereich Klimaschutz und hat die Energy Watch Group gegründet.

Foto: Privat
Foto: Privat

Herr Fell, wie würden Sie Ihren Weg zum Thema Umweltschutz beschreiben?

Als Student an der JMU in Würzburg wurde ich sensibilisiert, dass sich die Menschen selbst die eigenen Lebensgrundlagen auf diesem Planeten zerstören. Die Veröffentlichung des Club of Rome zur Endlichkeit der Ressourcen, die fast gleichzeitige Ölkrise Anfang der 70er Jahren, zusammen mit der Vergiftung von Luft, Böden und Wasser und die Diskussion um die Gefahren der Atomenergie öffneten mir die Augen. Gleichzeitig lernte ich in der Astrophysik meines Physikstudiums, dass die Sonne 10 000 mal mehr Energie auf die Landflächen der Erde strahlt, als die Menschheit Energiebedarf hat. Da wurde mir klar, dass der Schlüssel in der Nutzung der Solarenergie liegt, zusammen mit den indirekten Sonnenenergien, Wind, Wasserkraft und Bioenergie. Ich erkannte: Diese sauberen Energien lösen das Klimaproblem und die lokalen Umweltverschmutzungen, schaffen keinen Atommüll, keine Kriege um Erdöl und geben Millionen Menschen Einkommen mit der dezentralen Energieerzeugung, statt Abhängigkeit von nur wenigen Energiemonopolisten.

Wie erklären Sie sich, dass die Politik/die Industrie/die Zivilgesellschaft oftmals einen sehr langen Zeitraum benötigt, um positive Veränderungsprozesse z. B. Zum Umweltschutz in Gang zu setzen?

Die umwelt- und klimazerstörenden Geschäfte mit Erdöl, Erdgas, Kohle und Uran sind zusammen mit den Technologien, die diese Energien nutzen, wie Autos, Kraftwerke, Chemie, Landwirtschaft mit Abstand das größte Geschäft der Erde. Die jahrzehntelange Beharrung dieser Konzerne ihre Geschäftsmodelle nicht zu verändern und statt dessen Erneuerbare Energien zu nutzen hat dazu geführt, dass die Erderwärmung heute schon bei 1,3°C über dem vorindustriellen Niveau ist, mit all den verheerenden Folgen, die wir jetzt sehen: Großflächige sich selbst entzündende Waldbrände in Australien, US Westküste, Sibirien, Spanien u.a.; riesige Überschwemmungen in Indien, China, Pakistan, Vietnam, Ostafrika wie sie dort nie gesehen wurden; Dürren, die zu Hungernöten führen, wie aktuell für über 40 Millionen Menschen, vor allem im südlichen und östlichen Afrika; steigende Meeresspiegel, die schon die ersten Südseeinseln verschlucken; Supergaus in Ukraine und Japan – die Liste ist lang und auch bei uns werden die Auswirkungen jetzt allmählich existenzbedrohend: sterbende Wälder, vertrocknenden Wasserversorgung, massive Ernteeinbußen. Obwohl die Lösung der Solarenergie seit Jahrzehnten bekannt und so naheliegend ist, haben Korruption und massiver Lobbyismus mit willfährigen Regierungen auch in Deutschland eine breite Umsetzung dieser Lösungen bis heute verhindert.

Welche Lösungsansätze würden Sie propagieren, bzw. welche Ansätze sind aus Ihrer Erfahrung (im Bundestag) erfolgreicher als andere?

Die Politik muss Regulationen schaffen, damit man nur mit solchen Geschäftsmodellen Geld verdient, die keine schädlichen Emissionen mehr machen, weder Treibhausgase, noch krankmachende Luftschadstoffe, Pestizide oder Radioaktivität. Das von mir entworfene und 2000 Im Bundestag verabschiedete Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) ist genau eine solche erfolgreiche Gesetzesinnovation. Es wurde in über 60 Ländern bis hin nach China kopiert und hat die saubere Solar- und Windenergie zur heute mit Abstand billigsten Art der Energieerzeugung gemacht. Allerdings haben die verschiedenen Regierungen unter Kanzlerin Merkel unter dem Einfluss der fossilen und atomaren Energielobby Stück für Stück das EEG so verändert, dass es heute eher ein Ausbaubehinderungs- statt beförderungsgesetz geworden ist. Auch wäre ein Abbau der massiven Subventionen und Forschungsförderung für die klimazerstörenden Technologien wesentlich effizienter für Klima- und Umweltschutz, als eine CO2 Steuer. Eine CO2 Steuer beeinflusst ja gar nicht die anderen aber sehr wohl hochwirksamen Treibhausgasemissionen wie Methan, das insbesondere durch die Förderung und Nutzung von Erdgas freigesetzt wird.

Wie könnte man aus Ihrer Sicht die Eigenverantwortung der einzelnen Bürger, aber auch der Unternehmen stärken?

Aufklärung und Bildung ist das alles Entscheidende. Die fossile und atomare Wirtschaft hat mit ihren jahrzehntelangen Kampagnen und dem organisierten Leugnen des Klimawandels bis hinein in die Wissenschaft, Medien und Politik die Köpfe vernebelt, so dass viele Menschen vor lauter Bäumen keinen Wald mehr sehen. Wer als Privatperson oder Chef eines Unternehmens klar erkannt hat, dass der Kern des Klimaschutzes die Erneuerbaren Energien sind und zudem, dass sie dank EEG heute die billigste Art der Energieerzeugung geworden sind, der wird sie nutzen und dafür auch die Wege finden. Handwerker bis hin zu großen Unternehmen stehen heute mit großem Know How bereit, für jeden Einzelfall eine kostengünstige Lösung für eine 100% ige Vollversorgung mit Erneuerbare Energien für Strom, Wärme, E-Mobile und Produktionsenergie zu liefern, die zudem den Geldbeutel entlastet, indem teures Erdgas, Erdöl oder Kohlestrom vermieden werden. Aber auch Biolebensmittel und Fleisch aus artgerechter Tierhaltung für die Kantine oder den privaten Tisch zu Hause sind oft nicht mehr teurer als mit Pestiziden oder Antibiotika belastenden Lebensmitteln, die immer mehr Menschen krank und so zu Coronarisikogruppen machen, wie es übrigens auch die weiterhin hohe Luftverschmutzung durch Kohlekraft oder Dieselautos tut.

Was würden Sie persönlich als das Unsinnigste zum Thema Umweltschutz/Politik bezeichnen, was Sie in Ihrer Karriere erlebt haben?

Das Unsinnigste ist der Emissionshandel. Er gibt Erlaubnis für riesige Emissionsmengen an Treibhausgasen und organisiert sogar einen unsinnigen Handel mit Erlaubniszertifikaten. Jede Emission schädigt das Klima in hohem Maße und darf daher keine Erlaubnisse erfahren. Niemand in der Welt hat vorgeschlagen oder gar ein Gesetz geschaffen, das Drogenproblem der Welt so zu lösen, dass man Drogenzertifikaten für die Drogenhändler verteilt, um dann über Jahrzehnte die erlaubten handelbaren Drogenmengen etwas zu reduzieren. Das Starren der Weltgemeinschaft auf den Emissionshandel ist das Grundübel für das Versagen der UN Konferenzen. Der Emissionshandel wurde von der fossilen Wirtschaft in den USA in den 80er Jahren erfunden, um gegen den Ausbau der Erneuerbaren Energien ein politisches Instrument zu haben, das eine Scheinlösung für den Klimaschutz bringt, aber letztendlich die weitere Nutzung der emittierenden fossilen Energien schützt.

Wie würden Sie Ihren allergrößten Wunsch für die Zukunft beschreiben - wenn Sie sich etwas wünschen könnten?

Ich wünsche mir sehnsüchtig, dass die Menschheit, geführt von einer verantwortungsvollen Politik und einer breiten Masse bewusster Menschen, wie sie jetzt von der Jugend mit Fridays for Future angefacht wurde, in diesem letzten dafür noch verbleibenden Jahrzehnt bis 2030 zu einer Wirtschaft mit Nullemissionen und großflächigen Kohlenstoffsenken findet; mit 100% Erneuerbare Energien, 100% Biolandwirtschaft, 100% artgerechte Tierhaltung und einer abfallfreien Materialwirtschaft. Ich wünsche mir dies insbesondere deshalb, weil ich sicher bin, dass nur so meine bald acht süßen Enkel im Jahre 2050 - wenn sie ins heiratsfähige Alter gekommen sind - noch eine lebenswerte Welt haben werden, statt bei einem „Weiter wie bisher“ im Chaos einer sich auflösenden menschlichen Zivilisation nur noch um das nackte Überleben kämpfen müssen - so wie es heute wegen der Erdüberhitzung schon hunderte Millionen Menschen tun müssen. Noch haben wir die Chance, das Ruder rumzureißen.

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