Markus Kuger, VWL, Dun & Bradstreet, Großbritannien
13.05.2020Alumnus Markus Kuger hat an der JMU Volkswirtschaft studiert und arbeitet aktuell als Chef-Volkswirt für Dun & Bradstreet Country Insight Services in Großbritannien. Dort analysiert er Gefahren und Chancen des grenzüberschreitenden Handels für Unternehmen.
Herr Kuger, wie würden Sie Ihren Job beschreiben? Ich arbeite seit 2010 in der britischen Niederlassung eines amerikanischen Wirtschaftsinformationsdienstes und bin dort der Leiter der Länderrisiko-Abteilung. Wir analysieren Gefahren, aber auch Chancen, denen Unternehmen bei grenzüberschreitendem Handel und Investitionen ausgesetzt sind. Unser Hauptaugenmerk liegt auf politischen Risiken sowie der makroökonomischen Analyse von 132 Staaten weltweit.
Was gefällt Ihnen besonders an Ihrer Tätigkeit? Mein Job ist generell sehr abwechslungsreich. Tage vor dem Computer im Büro oder Homeoffice wechseln sich mit Kundenterminen und Konferenzen im In- und Ausland ab. Seit der Brexit-Abstimmung 2016 bin ich auch vermehrt im Bereich PR tätig und spreche regelmäßig mit Journalisten und bin mittlerweile auch ein paarmal im Fernsehen aufgetreten.
Momentan stehen Sie sicherlich vor besonderen Herausforderungen. Ja, Brexit und der Coronavirus-Ausbruch haben zu einer massiv erhöhten Arbeitsbelastung geführt, da immer mehr Unternehmen das Thema Länderrisiko-Analyse als wichtig empfinden. Momentan vergeht kaum keine Woche ohne Kundentermin oder Webinar. Verschiedene Zeitzonen – mein Team ist auf die USA und Großbritannien aufgeteilt – stellen eine zusätzliche Herausforderung dar.
Sie werden als Experte zur Auswirkung der Corona-Pandemie auf die Wirtschaft befragt. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage? Die Weltwirtschaft ist sicherlich in der schlimmsten Krise seit 90 Jahren. Der erwartete globale Rückgang des Bruttoinlandprodukts in 2020 wird noch größer als der während der Finanzmarktkrise 2008/09. Wir haben deswegen bei Dun & Bradstreet zwischen Ende Januar und dem 20. April insgesamt 72 Länder herabgestuft, darunter auch Deutschland. Viele von ihnen sind nun auf dem niedrigsten Wert, seit meine Firma Mitte der 1990er-Jahren mit der Länderrisiko-Analyse begonnen hat.
Was glauben Sie, wie wird es weitergehen? Timing und Ausmaß der wirtschaftlichen Erholung wird im Wesentlichen vom Fortschritt in der Virusbekämpfung abhängen. Je länger die Ausgangsbeschränkungen andauern, desto schlimmer und langfristiger der Schaden. Es steht zu befürchten, dass die Erholung relativ langsam sein wird, und wir die Folgen des Coronavirus-Ausbruchs mehrere Jahre spüren werden.
Wie empfinden Sie die aktuelle Lage in England? Wie hat sich das Leben dort verändert? Wie in Deutschland auch, wenngleich mit einiger Verzögerung, hat die Regierung hier Ausgangsbeschränkungen eingeführt. Schulen sind geschlossen, und außer zum Einkaufen oder zum Alleine-Sport-Machen darf man nicht mehr vor die Tür. Meine Firma hat komplett auf, wie wir es nennen, remote working umgestellt, was für mich nichts Neues war, da ich seit zehn Jahren jede Woche zweimal von zu Hause aus arbeite. Mit vielen meiner Kollegen kommuniziere ich sowieso nur per E-Mail oder Telefon, da sie nicht im gleichen Büro arbeiten wie ich.
Was vermissen Sie derzeit am meisten? Das Feierabendbier mit Kollegen oder Freunden im Pub fehlt mir, wie auch Wanderungen oder Radtouren durch die Chilterns, eine Hügelkette in der Nähe meines Wohnorts. Normalerweise würde ich auch alle sechs bis acht Wochen meine Eltern und Freunde in der Heimat besuchen. Dies ist momentan nicht möglich, wodurch ich zuletzt leider den 92. Geburtstag meiner Großmutter verpasst habe. Beruflich fehlt mir das Büro, manche Aufgaben sind doch einfacher von Angesicht zu Angesicht zu erledigen als per Mail, Telefon und Screenshare.
Haben Sie Kontakt zu anderen Würzburger Alumni in London? Ich hatte die ersten paar Jahre Kontakt zu einem Kommilitonen, der BWL studiert hatte, wir besuchten im Grundstudium viele Vorlesungen zusammen. Er war nach dem Studium hier für eine Investmentbank tätig, ist aber vor ein paar Jahren nach Frankfurt gezogen. Generell ist zu sagen, dass sich mein deutscher Freundeskreis in England doch stark reduziert hat, weil viele in den letzten Jahren zurück in die Heimat gezogen sind. Das hat zur Folge, dass mein Deutsch leider immer schlechter wird. Bei einer Geschäftsreise nach Hannover wurde mir vor ein paar Jahren von einer älteren Dame zu meinem ausgezeichneten Deutsch gratuliert, es wäre grammatikalisch toll, aber ich hätte einen leichten englischen Akzent.