Michael Stöcker, Sonderpädagogik und Soziologie
23.04.2021Alumnus Michael Stöcker hat an der JMU Sonderpädagogik, Pädagogik und Soziologie studiert. Heute leitet er in Berlin eine Wohnstätte für erwachsene Menschen mit Behinderung und trägt Verantwortung für rund 40 Beschäftigte.
Michael Stöcker hat von 1995 bis 2000 Sonderpädagogik, Pädagogik und Soziologie an der JMU studiert. Heute arbeitet er in Berlin bei der Unionhilfswerk Sozialeinrichtungen gGmbH als Einrichtungsleiter. Das Unionhilfswerk ist einer der größten sozialen Träger Berlins: Rund 2800 Mitarbeiter und über 1000 Freiwillige betreuen und fördern täglich beinahe 5500 Menschen aus Berlin in über 130 Einrichtungen.
Herr Stöcker, wie würden Sie einem Laien Ihren Job beschreiben?
Ich leite eine Wohnstätte für erwachsene Menschen mit Behinderung, die neuerdings auch ‚besondere Wohnform‘ genannt wird. Früher hieß dieser Beruf Heimleiter. Gemeinsam mit einer Kollegin trage ich Verantwortung für 30 bei uns lebende Bewohnerinnen und Bewohner sowie für 42 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Wie sieht das konkret aus?
Meine Tätigkeit ist sehr vielschichtig und beinhaltet Personalführung und -planung, Anleitung und Beratung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, betriebswirtschaftliche Tätigkeiten sowie die konzeptionelle Weiterentwicklung. Daneben gehören der Austausch und die Zusammenarbeit mit Angehörigen, gesetzlichen Betreuerinnen und Betreuern und sonstigen Kooperationspartnern wie beispielsweise Kostenträgern und Teilhabefachdiensten dazu. Und in Coronazeiten auch noch die meisten Aufgaben des eigentlich zuständigen Gesundheitsamts.
Wie ist Ihr Weg zu Ihrer jetzigen Position verlaufen?
Ich bin seit 1993 durchgehend bis heute in der Behindertenhilfe tätig. Begonnen habe ich nach dem Abitur als Zivi in einer Wohnstätte der Lebenshilfe Würzburg. So kam ich auch zum Studium der Sonderpädagogik – damals noch im Magisterstudiengang. Als ich nach Abschluss meines Studiums im Jahr 2000 keinen angemessenen Job in Würzburg und Umgebung – meiner Heimat – finden und auch mein damaliger Arbeitgeber mir keine Perspektive bieten konnte, nahm ich eher widerwillig ein zufällig hereinkommendes Angebot aus Berlin wahr. Nachdem ich einige Jahre lang verschiedene Rollen innerhalb der Wohnstätte, in der ich heute noch tätig bin, ausgefüllt hatte, bin ich Anfang 2007 in die Tätigkeit der Einrichtungsleitung gewechselt.
Einrichtungsleiter beim Unionhilfswerk war also nicht immer Ihr Traumjob?
Ich hätte mir tatsächlich einige Jahre nach meinem Umzug vielerlei andere Tätigkeiten vorstellen können, unter anderem auch beim Land Berlin oder beispielsweise bei einem Sozialpsychiatrischen Dienst eines der Berliner Bezirke. Damals gab es aber über viele Jahre einen Einstellungsstopp im Öffentlichen Dienst. Den gibt es heute nicht mehr, eher im Gegenteil. Nur stellt dies jetzt für mich keine Option mehr dar. Ebenso nicht der Wechsel zu einem Mitbewerber. Ich bin sehr gerne beim Unionhilfswerk – im November begehe ich mein 20-jähriges Betriebsjubiläum.
Was würden Sie als größte Herausforderung in Ihrem Job bezeichnen?
Die größten Herausforderungen sind sicherlich die teils nur bedingte Planbarkeit und die Zusammenarbeit mit Teilen der Berliner Sozialverwaltung.
Und was gefällt Ihnen am Besten daran?
Das ist die weitgehende Handlungs- und Gestaltungsfreiheit, welche mir von meinem Vorgesetzten und der Geschäftsführung gewährt wird.
Was würden Sie Studierenden raten, die einen ähnlichen Berufswunsch haben?
Wer gerne mal eine leitende Position in der Behindertenhilfe einnehmen möchte, der sollte über ausreichend Berufserfahrung, in diesem Fall in der Betreuung beziehungsweise Assistenz, verfügen. Daneben sollte man breit aufgestellt sein. Kenntnisse in Personalführung, Krisen- und Konfliktmanagement sind zwar meistens keine Studieninhalte, werden aber natürlich benötigt. Auch die komplexe und sich stetig verändernde Sozialgesetzgebung sollte einen interessieren. Und betriebswirtschaftliches Know-how schadet ebenfalls nicht, da es von vielen Arbeitgebern gefordert wird. Dazu kommen natürlich dann noch die fachlichen, hier pädagogischen und psychopathologischen, Kenntnisse. Letztlich wird in der Rolle immer erwartet, dass man eine Antwort auf jede Frage kennt oder mindestens eine Idee dazu hat.
An welche Begebenheit aus Ihrem Studium erinnern Sie sich besonders gerne?
Die Seminare bei Peter Heinrich in Sonderpädagogik Ende der 90iger-Jahre. Zuvor haben wir uns immer schon im Treppenhaus am Wittelsbacherplatz getroffen. Damals, heute unvorstellbar, war dort das Rauchen noch erlaubt. Dann wurde 90 Minuten über Behinderung als soziales Konstrukt oder Ähnliches diskutiert. Schön war‘s.
Vielen Dank für das Gespräch.