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Prof. Alexander Borst, Biologie, Max-Planck Institut für Neurobiologie

05.01.2015

Aktuell: Max-Planck-Institut für Neurobiologie Studium: Biologie

Prof. Alexander Borst - Max-Planck-Institut für Neurobiologie (Foto: Privat)

Alexander Borst hat an der Universität Würzburg Biologie studiert. Heute untersucht er das Gehirn von Fliegen – und leitet eine Abteilung am Max-Planck-Institut für Neurobiologie. Sein Rat an alle Nachwuchswissenschaftler: „Findet ein wissenschaftliches Problem, das ihr knacken wollt“.


Alexander Borsts akademische Laufbahn

Borst hat an der Universität Würzburg Biologie studiert und bei Professor Martin Heisenberg 1984 promoviert. Schon damals galt sein Interesse der Fruchtfliege; das Thema seiner Doktorarbeit lautet „Untersuchungen zur zentralnervösen Verarbeitung olfaktorischer Reize bei Drosophila melanogaster“. Im Anschluss an seine Promotion wechselte Borst als Postdoc an das Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen; 1989 habilitierte er sich.

Weitere Stationen seiner Karriere waren: Nachwuchsgruppenleiter am Friedrich-Miescher-Labor der Max-Planck-Gesellschaft in Tübingen (1993-1999) und Professor an der University of California, Berkeley, USA (1999-2001). Seit 2001 ist Alexander Borst Direktor der Abteilung Schaltkreise – Information – Modelle am Max-Planck-Institut für Neurobiologie und außerplanmäßiger Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

Alexander Borst ist Mitglied in der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der European Molecular Biology Organization (EMBO). Für seine bedeutenden Entdeckungen im Bereich Informationsverarbeitung und Verschaltung von Nervenzellen bei Fliegen wurde er unter anderem mit dem Forschungspreis der Federation of European Neuroscience Societies (FENS) 2014 und dem Valentino Braitenberg Award for Computational Neuroscience 2014 ausgezeichnet.

 


Herr Professor  Borst, was ist Ihre schönste Erinnerung an Ihre Studienzeit in Würzburg?


Das sind sicherlich die Sommer in Würzburg: Über die Mittagspause mit dem Fahrrad ins Dallenbergbad, danach mit nasser Badehose zurück ins Labor von Martin Heisenberg am Röntgenring, abends auf den Schützenhof oder zum Marktplatz – das war wirklich herrlich.

 

 

Was reizt Sie am meisten am Fach Neurobiologie?

Es ist die Tatsache, dass wir da ein Organ haben, welches tatsächlich rechnet, also wie ein Computer funktioniert. Das ist für sich genommen schon ein Wunder. Darüber hinaus ist es aber auch noch genau das Organ, welches uns denken und fühlen lässt und unsere Persönlichkeit bestimmt. Viel mehr geht einfach nicht.

 

 

Wieso haben Sie die Fliege als Forschungsgegenstand ausgewählt?

Im Gegensatz zum menschlichen Gehirn besteht das Fliegengehirn aus nur wenigen Nervenzellen. Der Schaltkreis ist also relativ einfach, allerdings mit der Betonung auf ‚relativ‘: Wir haben es bei der Fliege immer noch mit circa 100.000 Zellen zu tun. Dank moderner Methoden der Genetik können wir bei der Fruchtfliege Drosophila jede einzelne dieser Zellen beinahe nach Belieben manipulieren, um so die Funktion der Zelle im Schaltkreis zu verstehen.

 

 

Welche Ihrer Entdeckungen war für Sie besonders wichtig?

Unsere wichtigste Entdeckung ist die, dass die Information über die Bewegungsrichtung für jeden Bildpunkt in zwei parallelen Verarbeitungsbahnen stattfindet. Eine Bahn analysiert die Bewegung von Hell-Kanten, die andere die Bewegung von Dunkel-Kanten. Am Ende wird die Bewegungsinformation über jede Pixel im Sehfeld der Fliege durch acht Nervenzellen repräsentiert: Je vier für die Hauptrichtungen nach rechts, links, oben und nach unten, das Ganze einmal für Hell- und einmal für Dunkelkanten. Das ist der Repräsentation von Bewegungsinformation in der Netzhaut der Wirbeltiere sehr ähnlich und umso erstaunlicher, da Fliegen und Wirbeltiere durch über 500 Millionen Jahre Evolution getrennt sind, und Fliegen zudem noch ein hexagonales und nicht orthogonales Raster ihrer Facetten im Auge zeigen. Es muss also ein großer Selektionsdruck herrschen, Bewegungsinformation in genau dieser Art zu berechnen.

 

 

Für Laien: Was ist aktuell Ihre wichtigste „Forschungsfrage“, mit der Sie sich beschäftigen?

In dem Schaltkreis, der aus den Netzhaut-Bildern die Richtung errechnet, in die sich ein Gegenstand bewegt, werden einige Grund-Rechenarten verwendet, die das Gehirn auch bei vielen anderen Problemen benötigt. Da werden zum Beispiel Signale zeitlich um mehrere Zehntel-Sekunden verzögert, da werden Signale multipliziert, addiert und subtrahiert. Wie werden diese Rechenoperationen von Nervenzellen ausgeführt, die ja nicht über Transistoren und Halbleiter verfügen? Das sind die Fragen, die mich beschäftigen.

 

 

Was können Sie Studierenden und Absolventen empfehlen, die auch an einer Karriere in der Forschung interessiert sind? Was hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?

Als ich ein junger Postdoc war, erhielt ich von einem älteren, etablierten Kollegen den Rat, mich wissenschaftlich umzuorientieren: Erstens würde das Interesse an Fliegen allgemein schwinden, zweitens würde ich mit mathematischen Gleichungen und Computersimulationen in Sekundenschnelle jeden Hörsaal leeren. Offensichtlich folgte ich nicht seinem Rat, sondern blieb bei der Forschung, die mir gefällt und von der ich überzeugt bin. Das Wichtigste ist wohl, dass man ‚seine Frage‘ findet, das wissenschaftliche Problem, welches man knacken will. Wenn man selbst voll und ganz von der wissenschaftlichen Fragestellung überzeugt ist, kann man auch andere davon überzeugen und hält auch eine wissenschaftliche Dürreperiode durch, wenn es mal nicht so gut läuft.

 

 

Vielen Dank für das Gespräch!

Von Michaela Thiel

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