Prof. Wolgang Weiß - Julius Echter: Organisator, Verwaltungsmann und Diplomat
12.10.2017Prof. Weiß studierte Theologie und Geschichte in Passau und Würzburg. Seit August 1999 ist er Professor für Fränkische Kirchengeschichte und Kirchengeschichte der neuesten Zeit an der Universität Würzburg. Seit 2003 ist er Vorsitzender des Würzburger Diözesan-Geschichtsvereins und in dieser Eigenschaft auch Herausgeber und Schriftleiter der Würzburger Diözesan Geschichtsblätter.
Sie haben sich intensiv mit der Person Julius Echter von Mespelbrunn beschäftigt. Welcher Charakter hat sich für Sie herausgeschält?
Gerade diese Frage lässt sich in Bezug auf Julius Echter nur sehr schwer beantworten. Wir besitzen ja kaum unmittelbar persönliche Zeugnisse von ihm. Er tritt uns quellenmäßig in erster Linie als Organisator, Verwaltungsmann und Diplomat entgegen. Er beeindruckt zweifelsfrei durch gouvernementale Kompetenzen. Er war hochgebildet und durchaus rational gesteuert. In der Regel legte er ein ausgesprochen reflektiertes Vorgehen an den Tag. Er zeigte einen Hang zum Formalen und Strukturellen.
Diese Einschätzung mag den heutigen Betrachter durchaus verwundern, zumal das Zeitalter und auch er persönlich vom Religiösen geprägt waren. Aber selbst die Dämonologie der Zeit (mit ihren Hexen- und Zaubervorstellungen) glaubte einer vernünftigen Kriteriologie zu folgen, auch wenn uns das heute völlig grotesk anmutet. Von einem Regenten wurde eine Klugheit erwartet, zu deren Arsenal auch Kaltsinn und Rigorosität gehörten. In der Literatur kann man über ihn so konträre Urteile wie skrupellos und skrupelhaft finden. Dieser Widerspruch lässt sich aber auflösen, denn der Zweifel und die Sorge können durchaus am Anfang eines Vorgehens stehen; das schließt aber nicht aus und befördert eventuell sogar in den weiteren Schritten die Konsequenz.
Insgesamt dürfte er ein eher ernster Charakter gewesen sein. Nicht abzustreiten ist ihm ein musischer Sinn, ebenso bezeugt er eine lebenslange Verbundenheit mit seiner Familie, aber das sind alles Elemente der Lebensgestaltung, die von einem adeligen Mitglied der Reichskirche auch erwartet wurden. Für Sentimentalitäten dürfte er gleichwohl nicht viel übrig gehabt haben. Resümierend ist aber festzuhalten, dass seine emotionale Seite im Dunkeln bleibt, nicht zuletzt deshalb, weil Individualität im modernen Sinn nicht erwünscht war. Die Person verschwindet also hinter der Figur.
Warum sollte man sich näher mit Julius Echter beschäftigen?
Der Historiker wird immer Gründe finden, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Im mainfränkischen Raum und in der Stadt Würzburg erschließt sich die Antwort bezüglich Julius Echter aber ohne große Verrenkungen. Als erstes ist die bis heute vorhandene unmittelbare Präsenz seines Wirkens (Juliusspital, Julius-Maximilians-Universität, Juliuspromenade, Bauten in fast allen Orten des ehemaligen Hochstifts Würzburg) zu nennen. Mit Produkten wie dem Julius-Echter-Weißbier ist er sogar historisch wenig interessierten Zeitgenossen bekannt. Daraus resultiert auch der Wunsch zu wissen, wer diese Person war, die unseren Raum so geprägt hat. Es dürfte kaum eine weitere Person geben, die hier solche einschneidende Spuren hinterlassen hat.
Dann führt Julius Echter in das konfessionelle Zeitalter, das Franken zu einer gemischt konfessionellen Landschaft werden ließ. Der Gegensatz katholisch und evangelisch hat unsere Gegend über Jahrhunderte bestimmt und belastet. Wenn wir heute bemüht sind, diesen zu überwinden, ist es entscheidend, die Ursachen und Hintergründe zu kennen. Es ist wichtig, die Anliegen der jeweiligen anderen Seite zu akzeptieren und zu verstehen, auch wenn wir die Methoden der Zeit ablehnen. Nur so lassen sich gemeinsame Perspektiven gewinnen, die von einer verengenden Exklusivität herausführen.
In vielen Gesprächen konnte ich erleben, welche unterschiedlichen Emotionen die Erinnerungen an Julius Echter auslösen. Ich konnte feststellen, dass das Echtergedenken einen ganz eigenwilligen Reiz und eine ungeahnte Aktualität besitzt. Es ist mit ihm keine geschichtliche Distanz verbunden, vor allem da er als Exponent eines hartherzigen Katholizismus betrachtet wird.
Unter diesem litten bis weit über die Hälfte des 20. Jahrhunderts manche Gläubige. Julius Echter wird so zur Projektionsfläche für persönliche Unsicherheiten, Such- und Klärungsprozesse im eigenen religiösen und kirchlichen bzw. auch areligiösen Horizont. Damit verbunden ist oft ein wiederum fast schon überkritischer Blick auf Julius Echter, der ihn aus seinen Zeitbedingungen herauslöst und ihn mit ethischen Kriterien der Gegenwart überzieht.
Es ist m.E. durchaus berechtigt, auf historische Fehlentwicklungen hinzuweisen, aber weniger um moralische Entrüstung und Überlegenheit zum Ausdruck zu bringen, sondern um in Bescheidenheit festzustellen, dass der Mensch nicht immer die richtigen Priorisierungen findet und dass wir uns vor falscher Selbstsicherheit in der Gegenwart hüten sollen. Um diese Spannungen vertiefter zu bedenken, kann es hilfreich und notwendig sein, sich mit Julius Echter, aber auch anderen Persönlichkeiten der Reformation und katholischen Reform zu beschäftigen, zumal sie uns in so eigenwilliger Weise fern und nah sind. Dies gilt nicht nur in religiöser Hinsicht, denn auch unser modernes Staats- und Gesellschaftsleben lässt sich nicht von frühmodernen Entwicklungen der Echterzeit trennen.
Buchtipp
„Julius Echter war eine Persönlichkeit, die in ihrer Zeit kraft der individuellen Begabung und Mentalität die Erwartungen und vielleicht sogar Hoffnungen – zumindest von katholischer Seite – in herausragender Weise erfüllen konnte, was heute wiederum verhängnisvoll erscheinen mag. Er entsprach damit im Horizont seiner Zeit eindrucksvoll dem, was wir in der heutigen Sprache Anforderungsprofil nennen. Wenn sich in ihm das herrschaftliche Machtverständnis seiner Epoche überzeugend widerspiegelt, so können wir fast schon wieder persönliche Abhängigkeiten, Unfreiheit, beschränkte Spielräume, Opportunitäten, Rücksichten, erfolgsbemühte Zwanghaftigkeit und damit Ohnmacht erkennen. Die Begegnung mit Echter führt uns so an Grundfragen menschlicher Lebensbewältigung im Wechselspiel von Grenzen und Möglichkeiten heran.“ (Wolfgang Weiß, Linien der Echter-Forschung – Historiographische (Re-)Konstruktion und Dekonstruktion, in: ders. (Hg.), Fürstbischof Julius Echter († 1617) – verehrt, verflucht, verkannt. Aspekte seines Lebens und Wirkens anlässlich des 400. Todestages, Würzburg 2017, S. 23-60, hier S. 59)