Silke Rusch, Jura, Vereinte Nationen
03.09.2012Aktuell: Vereinte Nationen Studium: Rechtswissenschaften
Frau Rusch, Sie arbeiten bei den Vereinten Nationen. Können Sie uns Ihre Tätigkeit kurz beschreiben?
Ich arbeite seit fast vier Jahren bei den Vereinten Nationen und habe mich auf die Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration von Ex-Soldaten spezialisiert.
Dabei geht es darum, nach einem Krieg, die Kämpfer zu entwaffnen und ihnen alternative Lebensmöglichkeiten, medizinische Versorgung und Unterkunft zu bieten, und Projekte zu starten, um sie wieder in die Gesellschaft zu integrieren.
Da dies eine der Kernfragen jedes Friedensabkommens ist, ist die UN in diesem Bereich sehr engagiert. Die UN-Missionen vor Ort haben dabei die Aufgabe darauf zu achten, dass die ehemaligen Konfliktparteien sich an die gemeinsamen Vereinbarungen halten, wie der Entwaffnungsprozess abläuft und umgesetzt wird.
Konkret heißt das, dass ich an Verhandlungen teilnehme, internationale Projekte koordiniere, und die nationalen Akteure dabei mit technischem Wissen unterstütze und weiterbilde.
Sie kommen gerade aus Zentralafrika zurück und fahren als nächstes nach Libyen. Was haben Sie in Zentralafrika getan und was ist Ihre Mission in Libyen?
In der Zentralafrikanischen Republik habe ich als Beraterin der Sondergesandten des Generalsekretärs sehr viel konzeptionelle Arbeit gemacht. Wir haben zusammen mit der Regierung und den Rebellen geplant, wer, wann, wo und wie entwaffnet wird.
Dazu gehören auch Besuche in Krisengebieten bei den Rebellen oder regelmäßige Treffen mit Ministern.
Außerdem habe ich dort die nationale Arbeitsgruppe geleitet, die technische Aspekte wie das Einsammeln und Vernichten von Schusswaffen und Munition oder die Verteilung von Nahrungsmitteln geplant hat.
Auch in Libyen hat die neue UN Support Mission (UNSMIL) vom Sicherheitsrat das Mandat erhalten die internationalen Projekte in diesem Bereich zu koordinieren.
Ist es in Ihrem Tätigkeitsbereich und in der Zusammenarbeit mit anderen Kulturen ein Nachteil, eine Frau zu sein?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viel mehr als das Geschlecht, oft das Alter eine Rolle spielt. In vielen afrikanischen Kulturen ist der Respekt einer Person gegenüber größer, je mehr Lebenserfahrung diese hat. Als junger Europäer oder junge Europäerin muss man vor allem viel Fingerspitzengefühl mitbringen und gut zuhören. Wenn man signalisiert, dass man die Kultur des Gastlandes kennenlernen möchte, werden die Leute offener. Man muss auch immer klar kommunizieren, wen man vertritt und was die Aufgabe der UN ist.
Die meisten Leute wissen, dass in Europa oder anderen Ländern, auch in Afrika, Frauen in Führungspositionen sind, und haben kein Problem damit.
Innerhalb des Teams ist es auch manchmal gar nicht schlecht die einzige Frau zu sein, eine gewisse positive Aufmerksamkeit ist so gesichert! Man muss aber schon wissen, wie man sich durchsetzt, und klar signalisieren, dass man sich nicht alles gefallen lässt. Aber das gilt für jüngere männliche Kollegen eigentlich genauso.
Welche Rolle spielt die interkulturelle Kommunikation in Ihrem Job?
Eine ganz entscheidende Rolle. In zweierlei Hinsicht: Erstens ist es ganz wichtig, sich für die Kultur des Gastlandes zu interessieren, um Zugang zu den Menschen zu bekommen und mit ihnen zusammenarbeiten zu können.
Zweitens ist die Arbeit bei der UN geprägt von interkultureller Kommunikation. Jedes Team setzt sich zusammen aus Mitarbeitern aus der ganzen Welt mit verschiedenem Hintergrund. Deutsche haben den Ruf sehr ergebnisorientiert zu arbeiten.
In manchen Situationen, insbesondere in Krisengebieten, ist es aber oft entscheidender, dass ein Projekt überhaupt läuft, als dass es in schnellster Zeit erfolgreich abgeschlossen wird. Es kommt dann darauf an, dass jeder im Team seine eigene Arbeitsauffassung nicht für die einzig richtige hält, sondern dass man voneinander lernt.
Das ist aber auch einer der faszinierendsten Aspekte der Arbeit. Selbst wenn man in Genf oder New York arbeitet, lernt man durch die Arbeit mit den Kollegen viel Spannendes über andere Kulturen, ohne auch nur ins Flugzeug zu steigen.
Was war bisher der spannendste Moment in Ihrer Tätigkeit?
Das Spannende an der Arbeit sind die Leute, die man trifft. Bewaffnete Rebellen, die noch nie eine Weiße gesehen haben, ehemalige Staatspräsidenten, die Kollegen, oder manchmal einfach nur eine Frau auf der Straße, die einen anspricht und über ihren Alltag erzählt.
Es kann auch schon mal gefährlich werden, man sollte sich aber keinesfalls bewusst in abenteuerliche Situationen begeben. Manchmal lässt es sich trotzdem nicht vermeiden. Einmal bin ich in Afrika in eine gefährliche Verfolgungsjagd mit dem Auto verwickelt worden. Ich habe es geschafft, zu entkommen, aber das war Adrenalin pur.
Welche Fähigkeit ist besonders wertvoll für Ihre Arbeit?
Zunächst mal ein gutes Gefühl für Menschen und Situationen. Sowohl in internationalen Verhandlungen, als auch bei der technischen Unterstützung von nationalen Experten hat man sicher einen Vorteil, wenn man seine Gegenüber sehr schnell richtig einschätzen kann.
Außerdem ist es wichtig, dass man sich in keiner Situation, egal wie aufregend oder außergewöhnlich sie sein mag, zu sehr beeindrucken lässt. Man sollte sich immer seinen gesunden Menschenverstand bewahren, dann kann man kaum was falsch machen.
Vielen Dank für das Gespräch!