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Christoph Jestädt, Deutsch & Theologie, Biolandwirt

27.05.2020

Wie man sich als Unternehmer trotz der Corona-Pandemie für den heimischen Artenschutz einsetzt und dabei neue Lebensräume für Tiere schafft, das weiß Alumnus Christoph Jestädt aus Fulda. Als Erzeuger von Fruchtsäften und Weinschorlen stellt sich der Biolandwirt den außergewöhnlichen Herausforderungen unserer Zeit und hat den heimischen Kulturraum ‚Streuobstwiese‘ im Blick. Mit einer unternehmerischen Denkweise, die auf ökologische Nachhaltigkeit und die Leitlinie ‚Erhalt durch Nutzung‘ setzt, will Jestädt gestärkt aus der Krise hervorgehen

Foto: Johannes Ruppel
Foto: Johannes Ruppel

Bereits in der zehnten Generation führt der 30-jährige Christoph Jestädt den Hannheinehof im hessischen Niederrode bei Fulda. Nach einem Studium an der Universität in Würzburg und einem Abschluss in den Fächern Deutsch und Theologie hat es den Biolandwirt wieder zurück in die Heimat verschlagen. Im Jahr 2019 gründete der junge Unternehmer ein eigenes Startup und vertreibt heute, nur ein Jahr nach Firmengründung, bereits eine Vielfalt an nachhaltigen Produkten. So vermarktet Jestädt unter anderem den Saft der Rhöner Apfelinitiative, einem Verein zum Schutz von Streuobstwiesen, bei dem sich der Biolandwirt auch als Vorsitzender engagiert. Über die Rhöner Apfelinitiative sind etwa 1.000 Streuobstwiesenbesitzer aus der ganzen Rhön biozertifiziert. Die Apfelbauern können ihre Ernte mit über 300 alten Apfelsorten zu regionalen Keltereien bringen und erhalten einen wesentlich höheren Preis als marktüblich. „Unser Ansatz zum Schutz des Lebensraums ‚Streuobstwiese‘ ist der Erhalt durch wirtschaftliche Nutzung. Der höhere Preis und der regionale Vertrieb machen es interessanter für die Apfelbauern, ihre Wiesen zu pflegen“, erklärt Jestädt. Die Streuobstwiese sei ein wichtiger Lebensraum für unzählige Pflanzen und Tierarten wie die Wildbiene, den Siebenschläfer oder den bedrohten Wiedehopf, der unter der Zerstörung natürlicher Lebensräume und dem damit einhergehenden Insektensterben leidet.

Der Wiedehopf ist darüber hinaus auch das Markenzeichen für ein weiteres Projekt vom Hannheinehof, denn das Konterfei des bunten Vogels ist auf dem Etikett von Jestädts eigener Weinschorle Lieber Schorli zu finden. Der Biolandwirt will allerdings mehr für den Vogel tun, als nur mit ihm zu werben: In seiner Studienzeit in Würzburg lernte Jestädt viele nachhaltig arbeitende Winzer kennen und entwickelte einen Ansatz, um gute Bedingungen für eine Wiederansiedlung des Wiedehopfs in den Weinbergen zu schaffen. Heute spendet Jestädt einen Teil des Erlöses von jeder verkauften Flasche seiner Weinschorle an den Landesbund für Vogelschutz (LBV). Mit dem Geld richtet der LBV natürliche Lebensräume für den Wiedehopf und andere Tiere ein, ganz im Sinne einer ökologischen Nachhaltigkeit. Doch was bedeutet ‚Nachhaltigkeit‘ überhaupt für Jestädt? Sein ökologisches und wirtschaftliches Verständnis von Nachhaltigkeit erläutert der Biolandwird an einem naheliegenden Beispiel: „Mein Biohof lässt sich durch seine Vielseitigkeit mit dem Aufbau dieser Streuobstwiese vergleichen, die von ihrer Diversität und Kooperation ihrer Bewohner lebt.“


Auch in Sachen Weitsicht steht Jestädts Hannheinehof der Streuobstwiese in nichts nach, denn seine Investitionen sind auf Langfristigkeit ausgelegt – ganz wie bei einem Baum, den er heute auf seiner Streuobstwiese pflanzt. „Mir ist es wichtig, dass der Hof langfristig von meinen Projekten profitiert, so wie ich von der Vorarbeit meines Vaters und Großvaters profitiere. Wir versuchen stets in Generationen und nicht in Quartalen zu denken“, ergänzt Jestädt. Die Schaffung eines solchen Generationenvertrags betrachtet der Biolandwirt als Bedingung für die Zukunft der nachfolgenden Generationen. Nur so könne man soziale, ökonomische und ökologische Strukturen in unserer Gesellschaft schaffen, die auch Krisenphasen wie die aktuelle Corona-Pandemie überstehen.

von Dr. Julien Bobineau

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