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Igor Pottosin, Pflanzenwissenschaftler, Universidad de Colima in Mexiko

03.09.2020

Igor Pottosins akademische Laufbahn hat in der Sowjetunion begonnen und führte ihn über Würzburg nach Mexiko. Heute forscht der Pflanzenwissenschaftler an Signalvorgängen in Pflanzenzellen und – nebenbei – an Schmetterlingen.

Igor Pottosin auf Feldforschung. (Bild: Dr. Miguel Olivas)
Igor Pottosin auf Feldforschung. (Bild: Dr. Miguel Olivas)

Der Pflanzenwissenschaftler ist Professor am Centro Universitario de Investigaciones Biomedicas an der Universidad de Colima in Mexiko. Von Juni 1994 bis September 1996 war er als Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung zu Gast an der Universität Würzburg.

Herr Professor Pottosin, Sie nutzen die Corona-Zeit, um einen Schmetterlings-Atlas zu erstellen. Können Sie uns kurz beschreiben, wie Sie das machen und wie man sich den Atlas vorstellen kann? Colima ist der drittkleinste mexikanische Staat mit einer Fläche von etwa 5.000 Quadratkilometern. Dieses kleine Territorium beherbergt jedoch mehr als 520 Arten tagaktiver Schmetterlinge. Zum Vergleich: In den gesamten USA gibt es 720 Arten. Diese auffallende Artenvielfalt ist auf eine große Variabilität der natürlichen Zonen zurückzuführen: Sie reicht von riesigen Vulkanen und Hochgebirgen im nördlichen Trogtal mit seinen Flüssen und Trockenwäldern bis hin zu Lagunen und Meeresküsten im Süden und Westen. Ich bin seit 2003 systematisch als Naturfotograf unterwegs, normalerweise an Wochenenden, mit 30 bis 40 Foto-Tagen pro Jahr. In dieser Zeit habe ich Zehntausende von Bildern lebender Schmetterlinge gesammelt. Von diesen habe ich für den Atlas etwa 1.500 Bilder ausgewählt, die mehr als 350 Arten zeigen. Bei der Auswahl der Fotos ging es mir nicht nur um deren technische Qualität oder das Vorliegen Arten bestimmender Details. Ich habe außerdem darauf geachtet, Fotos zu zeigen, die Schmetterlinge in Aktion darstellen.

Wie sind Sie zur Forschung gekommen? Das war sie fast schon von der Familientradition vorbestimmt: Mein Großvater war Physiker, der übrigens bei Igor Tamm promoviert hat, einem Nobelpreisträger von 1958. Mein Vater war einer der Begründer der Informatik und meine Großmutter war Biologin. Als Kompromiss zwischen diesen Fachbereichen habe ich die Biophysik als ein Gebiet im Schnittpunkt von Biologie, Physik und Mathematik gewählt.

Können Sie uns Ihre Forschung kurz beschreiben und erklären, warum sie wichtig für die Gesellschaft ist? Mein Hauptinteresse konzentriert sich auf die Leistung von Nutzpflanzen unter abiotischem Stress. Dies ist ein Problem, das angesichts einer wachsende Weltbevölkerung an Bedeutung gewinnt, weil gleichzeitig Anbauflächen kaum noch erweitert werden können und sich parallel dazu die Bodenqualität verschlechtert durch Phänomene wie einer sekundären Versalzung, der Anreicherung von Schwermetallen oder unzureichenden Wasserressourcen. Ich untersuche den Ionentransport durch Pflanzenzellen und intrazelluläre Membranen und die Kalziumsignalisierung sowie die Einflüsse stressrelevanter Faktoren wie reaktive Sauerstoffmoleküle und Polyamine. Das ist im Prinzip Grundlagenforschung. Ich freue mich aber immer, wenn meine Ideen Einfluss auf die angewandte Forschung haben, insbesondere in Ländern wie China und Indien, wo die Ernährungssicherheit sehr wichtig ist.

Sie haben in Moskau studiert, sind nach Mexiko gegangen und haben unter anderem in Deutschland als Gastwissenschaftler geforscht. Das stimmt. Man könnte sagen, ich hatte das Glück, mehrere Leben zu führen, angefangen mit meinen jungen Jahren in Sibirien, dann fast zehn Jahre Studium und Promotion an der Staatlichen Universität Moskau, meine erste Anstellung im Labor für Membranbiophysik am Institut für Biophysik der UdSSR – in ganz unterschiedlichen Zeiten vor und nach dem Zerfall der Sowjetunion – und nun bin ich auch ehrenamtlicher Mitarbeiter an zwei internationalen Universitäten, in Tasmanien (Australien) und Foshan (China). Es ist also offensichtlich, dass ich die internationale Zusammenarbeit voll und ganz befürworte.

Dabei werden Sie vermutlich viele unterschiedliche Arbeits- und Lebensstile kennen gelernt haben.  Natürlich unterscheiden sich Leben und Arbeiten in den verschiedenen Ländern deutlich. Was ich in der UdSSR geschätzt habe, war die brüderliche Atmosphäre, die in den Naturwissenschaften vorherrschte. In Deutschland haben mir die hervorragende Arbeitsatmosphäre und die akademische Solidarität sehr gut gefallen. Mexiko und meine Heimat boten lange Zeit einen hohen Lebensstandard. Aber ich denke, was die Forschung betrifft, ist ein relativ hohes Maß an Flexibilität immer gut. In Mexiko unterscheiden sich das akademische Umfeld in Stadt und in der Provinz spürbar. Aber nach meinen Erfahrungen in der UdSSR und in Deutschland bin ich in meinem Forschungsbereich relativ unabhängig geworden, so dass ich gut auf die mexikanische Herausforderung vorbereitet war. Ich habe auch das Glück, enge Kontakte zu sehr guten und effizienten Mitarbeitern in Australien und China zu unterhalten.

Sie waren als Humboldt-Stipendiat an der Universität Würzburg. An welche Begebenheit aus dieser Zeit erinnern Sie sich besonders gerne? Vor allem natürlich an die Seminare, die sich mit Themen befassten, die mir am Herzen lagen, wie beispielsweise die Seminare der Arbeitsgruppe Simonis-Schönknecht und das Institutsseminar, das Stress-Seminar hieß. Und in der Tat, es war stressig – vor allem für den Sprecher, denn jeder konnte ihn jederzeit unterbrechen. Nicht zu vergessen die informellen Nachsitzungen. Während meiner Arbeit im Julius-von-Sachs-Institut bin ich auch von dessen Direktor, Professor Ulrich Heber, nicht nur akademisch stark beeinflusst worden. Sein eigenes Leben hatte einige Gemeinsamkeiten mit meinem: Er emigrierte relativ jung in die USA und arbeitete lange Zeit in Japan. Ich erinnere mich noch heute an einige seiner Sprüche und Ratschläge. Und natürlich an die Weinproben in seinem Haus und in seiner „Datscha“ – er war ein echter Sommelier – sowie seine berühmten Pilzexkursionen - hier haben Sibirier und Sachsen viel gemeinsam.

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