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Dunkle Persönlichkeitsmerkmale machen anfällig für Fake News

20.10.2022

Menschen, die die Existenz von Fakten abstreiten, glauben öfter an Fake News. Besonders oft betroffen sind Personen mit dunklen Persönlichkeitsmerkmalen - das sind solche, die stets ihren eigenen Nutzen in den Vordergrund stellen.

Was Menschen anfälliger für Fake News macht, haben Psychologen der Uni Würzburg untersucht. (Bild: Jan Philipp Rudloff / Unversität Würzburg)

Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue Studie am Institut Mensch-Computer-Medien der Universität Würzburg. „Einige Menschen schenken Fake News Glauben, selbst wenn die wissenschaftlichen Fakten eindeutig dagegen sprechen“, sagt der Psychologe Jan Philipp Rudloff. „Wir wollten wissen, warum das so ist und welche Rolle dabei Vorstellungen über das Wesen von Wissen und Fakten spielen.“

Rudloff, der am Lehrstuhl des Kommunikationspsychologen Professor Markus Appel promoviert, hat zu dieser Frage ein umfangreiches Experiment durchgeführt. Darin konfrontierten er und sein Professor mehr als 600 Versuchspersonen aus den USA mit verschiedenen Kurznachrichten – etwa „In den ersten drei Jahren unter Trump wurden 1,5 Millionen weniger Jobs geschaffen als in den letzten drei Jahren von Obamas Amtszeit.“ Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten den Wahrheitsgehalt dieser Aussagen beurteilen.

Epistemische Überzeugungen mit einem Fragebogen abgeklopft

Im Anschluss daran füllten sie einen umfangreichen Fragebogen aus. Darin sollten die Probandinnen und Probanden unter anderem angeben, wie stark sie bei der Bewertung von Behauptungen ihrem Bauchgefühl vertrauen, wie wichtig für sie handfeste Beweise sind und wie sehr sie annehmen, dass Politik, Wissenschaft und Medien Tatsachen je nach Interessenslage „fabrizieren“.

„Wir fassen diese Aspekte auch unter dem Begriff ‚epistemische Überzeugungen‘ zusammen“, erklärt Rudloff – epistéme stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Erkenntnis“ oder „Wissen“.

Zusätzlich klopfte der Fragebogen ab, wie wichtig den Versuchspersonen die Durchsetzung ihrer eigenen Interessen (auch auf Kosten ihrer Mitmenschen) war. Diese Eigenschaft wird auch als der „Dunkle Faktor der Persönlichkeit“ bezeichnet. Sie gilt als der Kern verschiedener dunkler Persönlichkeitsmerkmale wie Narzissmus, Psychopathie oder Machiavellismus. „Jeder ist bis zu einem bestimmten Grad eigennützig“, erklärt Rudloff. „Problematisch wird es, wenn diese Fixierung aufs eigene Wohl so stark ist, dass dabei das der Mitmenschen keine Rolle mehr spielt.“

Menschen mit dunkler Persönlichkeit biegen sich die Wirklichkeit zurecht

Bei der Auswertung der Daten zeigte sich: Je weniger die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an die Existenz von Fakten glaubten, desto schwerer fiel es ihnen, wahre Aussagen von falschen zu unterscheiden. Hinzu kam noch eine zweite Auffälligkeit: Je „dunkler“ die Persönlichkeit der Versuchspersonen, je ausgeprägter also ihr Eigennutz auf Kosten anderer, desto stärker zogen sie in Zweifel, dass es einen Unterschied zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und bloßen Meinungen gibt.

„Man könnte ihre Überzeugungen als postfaktisch bezeichnen; sie glauben vor allem das, was sich für sie wahr anfühlt“, betont Jan Philipp Rudloff. Entsprechend schwer fällt es ihnen, wahre Aussagen von falschen zu unterscheiden – sie halten also besonders oft Fake News für wahr. „Menschen mit dunklen Persönlichkeitsmerkmalen biegen sich die Wirklichkeit so zurecht, wie sie ihnen passt. Also etwa: Ich trage keine Maske, weil das Coronavirus ja eh nur eine Erfindung der Medien ist“, erklärt Rudloff. „Diese Verdrehung der Tatsachen aus eigennützigen Motiven klappt natürlich besonders gut, wenn sie ohnehin der Überzeugung sind, dass es keine unabhängigen wissenschaftlichen Fakten gibt.“

In einer anderen, im Frühjahr 2022 erschienenen Studie konnten Rudloff und Appel zusammen mit Dr. Fabian Hutmacher vom Lehrstuhl für Kommunikationspsychologie und Neue Medien bereits zeigen, dass Menschen mit dunkler Persönlichkeit während der Pandemie eher Verschwörungstheorien anhingen.

Rudloff betont aber, dass keineswegs nur diese Gruppe dafür empfänglich ist. „Ausschlaggebend sind stets die epistemischen Überzeugungen“, sagt er. „Wer nicht an die Kraft stichhaltiger Beweise und Argumente glaubt, der lässt sich auch durch den beeindruckendsten Faktencheck nicht umstimmen – unabhängig davon, wie es um seine sonstigen Persönlichkeitseigenschaften bestellt ist. Das gilt für Falschnachrichten ebenso wie für Verschwörungstheorien.“

Epistemische Vorstellungen entwickeln sich in jungen Jahren

In der Psychologie geht man heute davon aus, dass sich epistemische Vorstellungen während Kindheit und Jugend entwickeln und verfestigen. Für kleine Kinder gibt es in vielen Punkten nur schwarz oder weiß: Eine Idee ist gut oder schlecht, eine Behauptung wahr oder falsch. Später lernen sie, zu differenzieren: Ob jemand Beethoven mag oder auf Schlager steht, ist Geschmackssache. In dieser Zeit neigen sie dazu, unterschiedliche Meinungen als gleichwertig zu sehen – auch solche zu objektivierbaren Fragen wie der nach der Existenz des menschengemachten Klimawandels.

„Irgendwann lernen wir dann im besten Fall, unterschiedliche Positionen zu bewerten“, sagt Rudloff. „So nach dem Motto: Es gibt ja unterschiedliche Meinungen, aber manche lassen sich besser belegen als andere.“ Diesen Schritt scheine aber nicht jeder zu gehen. In Situationen wie dem Klimawandel oder auch bei COVID-19, in denen es auf eine rationale Einschätzung der Argumente ankommt, kann dieses Defizit böse Konsequenzen haben.

Publikationen

Rudloff, J. P., & Appel, M. (2022). When Truthiness Trumps Truth. Epistemic Beliefs Predict the Accurate Discernment of Fake News. Journal of Applied Research in Memory and Cognition. Advance online publication.https://doi.org/10.1037/mac0000070

Rudloff, J. P., Hutmacher, F., & Appel, M. (2022). Beliefs about the nature of knowledge shape responses to the pandemic: Epistemic beliefs, the dark factor of personality, and COVID-19-related conspiracy ideation and behavior. Journal of Personality. Advance online publication. https://doi.org/10.1111/jopy.12706

Kontakt

Jan Philipp Rudloff, Kommunikationspsychologie und Neue Medien, Institut Mensch-Computer-Medien, Universität Würzburg, T + 49 931-31-89446, jan.rudloff@uni-wuerzburg.de

Website: www.mcm.uni-wuerzburg.de

 

Von Frank Luerweg

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