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Dr. Josef Schuster, Medizin, Internist, Präsident des Zentralrats der Juden Deutschland

04.07.2011

Aktuell: Internist & Zentralpräsident der Juden in Deutschland Studium: Medizin

Foto: Andreas Kneitz (Zentralrat der Juden)

Der Würzburger Arzt Josef Schuster ist seit Ende November 2014 Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Der Alumnus der Universität Würzburg möchte bei seiner Arbeit den Fokus darauf legen, die verschiedenen Ausrichtungen des Judentums unter dem gemeinsamen Dach zusammenzuführen.

Dr. Josef Schuster, 1954 in Haifa geboren, siedelte 1956 mit seinen Eltern nach Würzburg über. Seine Familie blickte schon damals auf 450 Jahre Familiengeschichte in Unterfranken zurück, die vom zweiten Weltkrieg unterbrochen worden war.

Josef Schuster hat Medizin an der Universität Würzburg studiert und ist als niedergelassener Arzt in Würzburg tätig. Er engagiert sich ehrenamtlich als Arzt der Wasserwacht und im Rettungsdienst. Seit März 2002 ist Josef Schuster Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. Im Jahr2008 wurde er mit der Bayerischen Verfassungsmedaille ausgezeichnet.



Herr Schuster, Sie beschreiben in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk, dass Sie und  Ihre Familie sich nach 450 Jahren Familiengeschichte in Unterfranken verwurzelt fühlen. Für Sie ein Grund, auch Ihr Studium in Würzburg abzuschließen?

Wenn man im Alter von zwei Jahren nach Würzburg kommt, so sind sämtliche Kindheitserinnerungen auf diese Stadt bezogen. Hier habe ich den Kindergarten, die Volksschule sowie dasselbe Gymnasium wie mein Vater besucht.

Nachdem ich Würzburg schon als jüngerer Mensch als sehr lebenswert empfand, habe ich mich bewusst für ein Studium in Würzburg entschieden. Sicherlich hatte die Tatsache, dass sieben ehemalige Mitschüler sich auch für ein Medizinstudium in Würzburg entschieden haben, letztendlich aber einen größeren Einfluss auf meine Auswahl als die Familiengeschichte.



Stefan Zweig beschreibt in in "Die Welt von gestern" das Dilemma vieler jüdischer Mitbürger, für die die furchtbare Abspaltung von ihren Mitbürgern und ihre Denunzierung durch die Nationalsozialisten eine bittere Überraschung war. Wird sich ein Gefühl von Gemeinsamkeit nach den vergangenen Greueltaten im Dritten Reich jemals wieder einstellen?

Auch wenn ich auch kein Fähnchen an meinem Wagen hatte, so fieberte ich bei der kürzlich stattgefundenen Fußball-WM natürlich mit der Deutschen Nationalmannschaft. In soweit existiert von jüdischer Seite das Ihrerseits angesprochene gemeinsame Gefühl.

In Kenntnis der Geschichte ist man dabei allerdings sehr viel wachsamer. Oder lassen Sie es mich "medizinisch" ausdrücken: Wer einmal eine Lungenentzündung hatte, der wird jedem Husten größere Bedeutung beimessen. Andererseits wird man oft seitens der nichtjüdischen Umgebung bewusst oder unbewusst nicht als Deutscher angesehen, sondern vielmehr mit dem Staat Israel assoziiert.



Mit unserem ältesten Alumnus, dem am 2. September verstorbenen Rabbiner Leo Trepp, hatten wir im Mai 2010 die Synagoge und das Museum "Shalom Europa" in Würzburg besucht. Wir haben mit ihm u. a. über die unterschiedlichen Strömungen im jüdischen Glauben gesprochen - auch in Bezug auf die Stellung der Frau. In Jerusalem beispielsweise möchten die ultra-orthodoxen Juden durchsetzen, dass die Frauen im Bus hinten sitzen, etc. Was halten Sie davon?

Kurz und knapp: Die Überlegung, im Bus Frauen hinten sitzen zu lassen, lehne ich strikt ab. Unabhängig von solch extremen Positionen gibt es in den jüdischen Gemeinden in Deutschland ein recht breites Spektrum unterschiedlicher Strömungen.

Die jüdische Gemeinde in Würzburg wird in Tradition des Rabbiners Seligman Bär Bamberger, in der Welt bekannt als der "Würzburger Raw" im orthodoxen, aber weltoffenen Stil geführt. Dies bedeutet, dass in den Räumen der Jüdischen Gemeinde alle Religionsgebote des Judentums Beachtung finden. Ich denke, dass auf diesem gemeinsamen Nenner jeder Jude die Möglichkeit hat, zu uns zu kommen,  unabhängig von seiner persönlichen Obervanz.

Als Kultusdezernent im Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland vertrete ich alle Strömungen des Judentums in Deutschland. Dabei halte ich es für begrüßenswert, dass in Städten wir Berlin oder Frankfurt am Main unter dem Dach der Einheitsgemeinde Synagogen verschiedener religiöser Ausprägung existieren. In den  beiden genannten Städten fungieren übrigens auch Rabbinerinnen. Dies ein Fakt, der für das orthodoxe Judentum ungefähr so unvorstellbar ist, wie das Priesteramt für eine Frau im katholischen Glauben.



Was würde Ihrer Meinung nach den Dialog zwischen den Kulturen und Religionen produktiv voranbringen und wie könnten Privatpersonen diesen Prozess unterstützen?

Der Dialog zwischen Kulturen und Religionen lässt sich nach meiner Überzeugung nur durch Gespräche auf Augenhöhe produktiv voranbringen. Dies bedeutet für mich, dass alle Religionen ihren Alleinvertretungsanspruch verlassen müssen. Im Regelfall gehört jeder von uns eher zufällig einer Religion oder Glaubensrichtung an, und zwar deshalb, weil seine Eltern diesen Glauben hatten und das Kind in ihrem Glauben erzogen haben.

Insbesondere die monotheistischen Religionen haben trotz unterschiedlicher Auffassungen, die nicht geleugnet werden sollten, sehr viele Gemeinsamkeiten. Wenn es gelingt im Erkennen der gemeinsamen ethischen Werte respektvoll miteinander umzugehen, dabei die Vorstellung und Glaubengrundlagen des anderen zu respektieren, ohne zu versuchen ihm seine eigenen Glaubengrundsätze aufzuzwingen, wäre viel gewonnen. Hier ist jeder Einzelne gefordert dies in seinem privaten Umfeld zu leben.



Was hat Sie in der jüngeren Vergangenheit in Hinsicht auf den gemeinsamen Dialog besonders hoffnungsfroh gestimmt?

Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland ist durch den Zuzug von Immigranten aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion seit 1990 deutlich gewachsen. Dies führte nicht nur, aber auch in Würzburg zum Bau neuer Gemeindezentren bzw. Synagogen. Die selbstverständliche Akzeptanz des neuen Jüdischen Gemeindezentrums und Jüdischen Museums "Shalom Europa" sowie des David Schuster Saales, insbesondre auch für Fremdveranstaltungen, stimmt mich ausgesprochen hoffnungsfroh.



Vielen Dank für das Gespräch!

Von Michaela Thiel

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