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35/A 10.26

Von Glückspilzen und Pechvögeln

Francesco Petrarca: Das Glückbuch Beydes deß Gutten und Boesen darin leere und trost wesz sich menigklich hierin halten soll

Augsburg: Heinrich Steyner, 1539; Ganzledereinband, Holzdeckel

Herkunft: Benediktinerabtei Münsterschwarzach

Signatur: 35/A 10.26

Inhalt:

1532 erschien die erste deutsche Gesamtübersetzung von Francescos Petrarcas «De remediis utriusque fortunae» bei Heinrich Steiner in Augsburg. Trotz großartiger Illustrationen floppte das teure Werk und sein Produzent suchte händeringend einen neuen Übersetzer, da er in der sehr am lateinischen Original klebenden, unbeholfenen Übersetzung den mangelnden Verkaufserfolg vermutete. In Stephan Vigilius, Lehrer an der Augsburger Lateinschule, überzeugter Lutheraner und großer Verehrer Francesco Petrarcas, fand er diesen schließlich. Im ersten Teil des 254 Kapitel umfassenden Werkes tauscht sich die als Person agierende Vernunft mit den ebenfalls personifizierten, positiven Leidenschaften Hoffnung und Freude aus und versucht, deren Überschwang zu bremsen und sie zum vernünftigen Handeln zu bewegen. Im zweiten Teil bemüht sich die Vernunft, ihre Gesprächspartner Schmerz und Furcht zu einer positiveren Einstellung zu bewegen. Während die Vernunft eloquent und kundig argumentiert und ein wahres Feuerwerk an Debattierkunst zündet, wiederholen alle vier Leidenschaften nur gebetsmühlenartig ihre Positionen. Diese vier Leidenschaften umfassen die gesamte menschliche Emotionalität: jeder Mensch erlebt Hoffnung und Freude, keiner entgeht Trauer und Furcht. Petrarcas vier Leidenschaften umfassen ein sehr großes Spektrum an Emotionen: so steht beispielsweise der Schmerz für körperliches und seelisches Leid, für Lebensüberdruss und große Niedergeschlagenheit, für die Unzufriedenheit mit sich selbst und den eigenen Schwächen, für den Unmut über die lästigen Seiten der Berühmtheit, aber auch für den Ärger über alltägliche, nervige Kleinigkeiten wie lärmende Menschenmengen, lautes Hundegebell und angriffslustige Insekten. Unser Übersetzer Vigilius wollte seine deutschen Leser nicht langweilen und kürzte die sich immer wiederholenden Lamenti der Leidenschaften radikal zusammen, während die Vernunft ihren Redeanteil behalten durfte. So hat unser frommer Übersetzer - bewusst oder unbewusst - Petrarcas Werk in eine gänzlich neue Form gebracht, die bis ins 17. Jahrhundert ihre Gültigkeit hatte.

Schadensbild:

Einband: 

Der Einband weist starke Gebrauchsspuren auf. Das Leder an den Ecken ist teilweise lose. Das greifende Schließenteil oben ist Verlust.

Buchblock:

Einige Blätter der ersten Lage fehlen. Auf den ersten und letzten Blättern und an einigen Stellen im Buchblock befinden sich Wurmfraßschäden, Knicke, Risse und Fehlstellen.

Kosten (Restaurierung inkl. Digitalisierung): 730,- €