Experteninterview mit Dr. Christina Kreibich
10.03.2021Als Pressesprecherin des Kernkraftwerks Gundremmingen, das zur RWE gehört, verantwortet die promovierte Germanistin seit Juli 2018 die gesamte externe und interne Kommunikationsarbeit für den Standort Gundremmingen in Bayerisch Schwaben und agiert zudem in RWE-Nuclear-bezogenen Projekten standortübergreifend.
Christina Kreibich sieht sich als „Brückenbauerin" zwischen den Welten der Industrie/Wirtschaft und dem Bereich der Geisteswissenschaften. Gleichzeitig sind in ihren Veranstaltungen, die sie für das Career Centre der Universität Würzburg regelmäßig seit 2010 hält, Studierende aller Fakultäten herzlich willkommen.
Was für ein Studium / was für eine Ausbildung haben Sie durchlaufen?
An der Universität Würzburg habe ich Germanistik, Geschichte und Sozialkunde für das Lehramt an Gymnasien studiert, alle drei Fächer vertieft. Mit dem I. und II. Staatsexamen habe ich das Studium abgeschlossen. Das Studienreferendariat führte mich vom Würzburger Siebold-Gymnasium (Seminarschule) aus jeweils ein halbes Jahr an Einsatzgymnasien in Mühldorf am Inn und in Neu-Ulm. Im Anschluss absolvierte ich einen Promotionsstudiengang an der Uni Würzburg in Älterer Germanistik (Mediävistik). Die Themenstellung "Der mittelhochdeutsche Minneleich" wurde von Herrn Prof. Dr. Dietrich Huschenbett als Doktorvater betreut. Mein Rigorosum war am 9. Juni 1999.
Welche Erkenntnisse in Ihrem Studium waren prägend für Ihre heutige Tätigkeit?
Zweifellos gibt es viele Erkenntnisse, von denen ich bis heute zehre. Eine ganz klare Einsicht hat mir die vertiefte Lektüre von "Die Klage der Kunst" von Konrad von Würzburg (13. Jh.) im Rahmen eines Oberseminars vermittelt. Es geht in diesem allegorisch geprägten Werk darum, dass die Kunst, die personifiziert auftritt, die ihr zustehende Unterstützung ("milte") gerichtlich einfordern möchte. Mein Fazit daraus: Es gibt im Leben etliche Dinge, von denen man vermeintlich der Auffassung ist, man müsse sie einfordern können. Das ist aber tatsächlich nicht so. Das sollte man einsehen und dem Ganzen mit einer gewissen erhabenen Gelassenheit begegnen.
Was war Ihr außergewöhnlichster Nebenjob?
Direkt nach dem Abitur im Jahr 1988 und in den Semesterferien habe ich mehrmals in den Kernkraftwerken Gundremmingen gearbeitet. Das war ein interessanter Bürojob, um die Revisionsplanung zu unterstützen. Außerdem durfte ich auch die innersten Reaktorbereiche besichtigen. Seit 2018, und das hätte ich damals im Kontext der Ferienjobs überhaupt nicht ins Kalkül gezogen, bin ich im Kernkraftwerk Gundremmingen, das zur RWE AG gehört, als Pressesprecherin beschäftigt.
Welche Kompetenzen sollte man – aus Ihrer Sicht – bereits vor dem Berufseinstieg trainieren?
Durchhaltevermögen, das "Bohren dicker Bretter", langen Atem, ein "Jetzt-erst-recht"-Denken.
Eigeninitiative und "Think-out-of-the-box"-Denken.
Humor, Selbstironie und Resilienz (ohne den Verlust von Empathie!).
Neben diesen Soft Skills sind Fremdsprachen immer ein großes Plus auf dem heutigen Bewerbermarkt.
Was würden Sie rückblickend in Ihrem Studium besser planen, wenn Sie dieses noch einmal beeinflussen könnten?
Ich würde schon viel früher mit Praktika in unterschiedlichen Bereichen und Unternehmen beginnen, um realistische und vielfältige Einblicke ins Berufsleben zu gewinnen und Netzwerke aufzubauen. Zudem würde ich schon früher mehr Wert auf den Erwerb sehr guter Fremdsprachenkenntnisse legen und im Studium zumindest einen Auslandsaufenthalt einplanen.
Wie alt waren Sie, als Sie ins aktive Berufsleben eingestiegen sind?
Ich war 26 Jahre alt, als ich im Jahr 1995 mit dem Studienreferendariat begonnen habe. Ich war 30 Jahre alt, als ich 1999 meine erste "normale" Stelle in der Papierindustrie im Bereich Personalwesen angetreten habe.
Wie kann und sollte die Work-Life-Balance in die Karriereplanung einbezogen werden?
Im Sinne bestmöglicher Weichenstellungen sollte man sich früh überlegen, welche Art von Lebensplanung (Familiengründung unabdingbar wichtig?) man im Blick hat. Gleichwohl sind aber viele Dinge auch nicht planbar. Karrieremöglichkeiten ergeben sich oft spontan: Ein Karrierepfad entwickelt sich, während er beschritten wird. Sicherlich ist hier auch die Resilienz, die ich bereits erwähnt habe, ein möglicher Schlüssel zum Glück: Resiliente Menschen haben die Eigenschaft, ihren Lebens- und Karriereweg in seiner Art als sehr gelungen und gut zu bewerten. Wenn es unterwegs Stolpersteine und Reibungsverluste gab, dann ist es im Sinne von Resilienz wichtig, diese Untiefen als wertvoll für den weiteren Weg und dessen Entwicklungsmöglichkeiten zu begreifen. Auch schmerzhafte Erfahrungen macht man nicht umsonst. Generell gibt es für die richtige Work-Life-Balance kein Patentrezept. Interessante Erkenntnisse hat dazu übrigens auch die Glücksforschung beigetragen.
Was war das prägendste Erlebnis / ein Schlüsselereignis in Ihrer bisherigen Karriere?
Als junge Mitarbeiterin habe ich in der Papierindustrie nach zwei Berufsjahren miterlebt, wie ein traditionsreiches deutsches Familienunternehmen mit über 150 Jahren Geschichte und ca. 4.200 Mitarbeitern im Rahmen einer freundlichen Übernahme an einen großen finnischen Papier- und Forstkonzern mit über 36.000 Mitarbeitern verkauft wurde. Über Nacht war die Konzernsprache Englisch; die Zentrale lag nicht mehr in Augsburg, sondern in Helsinki. Von der Verkaufssumme in Milliardenhöhe schüttete die Inhaberfamilie Haindl/Holzhey einen Anteil von 1 % in Form von Treueprämien an die "verkauften" Mitarbeiter aus. Das war eine Geste sozialen Unternehmertums und bisher einmalig in dieser Form in der Industriegeschichte.
Wenn Sie noch einmal ein Praktikum machen könnten, was würden Sie gerne ausprobieren?
Ich würde mich gern in den Bereichen Zukunftsforschung und Glücksforschung orientieren. Das wären allerdings keine herkömmlichen Praktikumsplätze, die hier erforderlich wären. Auch der Bereich KI, der Künstlichen Intelligenz, und dazugehörige ethische Fragestellungen faszinieren mich.
Welche Herausforderungen sehen Sie auf Ihre Branche in den nächsten 10 bis 20 Jahren zukommen?
Gegenwärtig bin ich im Energiesektor (RWE AG) beschäftigt und hier speziell – am Standort Gundremmingen – in einem der letzten noch im Leistungsbetrieb befindlichen Atomkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland. Auf Basis des Atomgesetzes (AtG § 7) wird es zum Jahresende 2022 kein in Betrieb befindliches Kernkraftwerk auf deutschem Boden mehr geben. Das Kernkraftwerk Gundremmingen schaltet zum Jahresende 2021 ab und geht dann für die nächsten ca. 15 Jahre komplett in den Rückbau. Die Bundesregierung, die Bundesnetzagentur und die Energiebranche stehen also vor der großen Herausforderung, angesichts eher wachsender Energiebedarfe (Elektroautos!) und stark rückläufiger Kraftwerke (Kernenergie, Kohlekraft), die die Grundversorgung abgedeckt haben, unsere Energieversorgung auch weiterhin sicherzustellen.
Im Kommunikationssektor sehe ich große Herausforderungen im Kontext von Industrie 4.0 und Kommunikation 4.0 auf uns zukommen. Die gesamten ethischen und juristischen Fragestellungen in diesem Zusammenhang werden uns in nächster Zeit in Atem halten: Wir müssen verantwortungsvoll damit umgehen.
Was geben Sie Ihren Praktikanten für deren Zukunft mit auf den Weg?
In fachlicher Hinsicht zeige ich ihnen die riesige Bandbreite an Themen und Aufgabenstellungen auf, die das Spektrum der Unternehmenskommunikation so facettenreich und spannend machen. Speziell Geisteswissenschaftler möchte ich ermutigen, über Praktika im Bereich der Industrie/Wirtschaft für sich eine attraktive berufliche Nische zu finden.
In persönlicher Hinsicht versuche ich, die Praktikanten, auf Basis eines gegenseitigen Vertrauensverhältnisses, eng und "off records" an meinen Einschätzungen, Gedanken und Entscheidungsüberlegungen teilhaben zu lassen und ihnen Erfahrungswerte mit auf den Weg zu geben. Im Rahmen persönlicher Coaching-Telefonate unter vier Augen ist häufig eine individuelle und intensive Beratung möglich, speziell bei Weichenstellungen an der Schnittstelle vom Praktikum hin zum Einstieg ins Berufsleben.
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