Experteninterview mit Sylwia Bialas
03.08.2020Sylwia Bialas ist selbständige Sängerin, Komponistin, Produzentin, Bandleaderin, Texterin und Coach. Seit Ihrem Studium in Jazzgesang und "Digitaler Musikproduktion" geht Sie Ihrer Leidenschaft zur Musik nach und bietet im Rahmen Ihrer Ausbildung Workshops im Bereich Stimmbildung und Atemtechnik an. Als Coach liegen Ihr vor allem die Themen Empathie, Selbstreflektion und ein gesundes Selbstwertgefühl am Herzen.
Was für ein Studium / was für eine Ausbildung haben Sie durchlaufen?
Ich habe Jazzgesang auf DML (mit Pädagogik) und "Digitale Musikproduktion" an der Hochschule für Musik studiert.
Welche Erkenntnisse waren in Ihrem Studium / Ihrer Ausbildung prägend für Ihre heutige Tätigkeit?
Ein Schlüsselmoment in meinem Studium war, als ich erkannte, dass es nicht ausreicht an nur einem Ort und von nur einigen Dozenten zu lernen.
Um die beste Version von sich selbst zu werden, muss Wissen aus verschiedensten Quellen angehäuft werden.
Das bedeutet, dass durch das Recherchieren, Lernen und Ausprobieren besonders in den Bereichen die uns sehr interessieren, wertvolles Wissen erworben wird.
Das leidenschaftliche und lustvolle Erforschen dieser Themen sorgt dafür, dass das so gewonnene Wissen vertieft und langfristig erhalten bleibt.
Das Pflegen der Eigenständigkeit sowie die Arbeit am Selbstwertgefühl helfen sehr im zukünftigen Berufsleben.
Was war Ihr außergewöhnlichster Nebenjob?
Während meines Studiums erhielt ich keine finanzielle Hilfe und musste meinen Unterhalt selbst verdienen. Bei einem meiner vielen Nebenjobs arbeitete ich im Privathaushalt einer blinden Person.
Meine Aufgabe bestand darin, die Wohnung zu reinigen. Dabei war es absolut wichtig, die Position der Gegenstände nicht zu verändern.
Er war ein leidenschaftlicher Bastler und hatte ein geordnetes Chaos in seiner Wohnung.
Dieses Chaos, durfte nur entstaubt aber nicht beseitigt werden. Diese Herausforderung hat mich viel Geduld gekostet und war sehr lehrreich für meine pädagogische Ausbildung.
Ich habe dabei gelernt meine Schüler so zu akzeptieren wie sie sind.
Menschen durch gesunde, zielführende Kommunikation dort abzuholen, wo sie sich gerade befinden, egal wie außergewöhnlich ihre Lebenslage ist, wurde dadurch zu meiner Stärke.
Mir war kein Nebenjob zu schräg, weil jede Erfahrung die ich sammelte, ob positiv oder negativ unheimlich wertvoll ist.
Welche Kompetenzen sollte man – aus Ihrer Sicht – bereits vor dem Berufseinstieg trainieren?
Vor dem Berufseinstige ist es meiner Meinung nach sehr sinnvoll, wenn folgende Kompetenzen vorhanden sind: Empathie, Menschlichkeit,
aufmerksames Zuhören, Erkennen von Problemen und Aufgaben sowie Flexibilität bei der Problembeseitigung. Gesunde Selbsteinschätzung die auf starkem Selbstwertgefühl basiert.
Ich meine, dass z.B. zuviel Selbstkritik oder zu wenig Selbstreflektion sehr destruktiv werden kann.
Teambezogene Kompetenzen: Arbeitsfreude, Hilfsbereitschaft, Kreativität (trainiert die Fähigkeit zu improvisieren), Authentizität, und das absolut wichtigste "Gewaltfreie Kommunikation" sind meiner Meinung nach für alle Berufe vorteilhaft.
Was würden Sie rückblickend in Ihrem Studium / Ihrer Ausbildung besser planen, wenn Sie dieses noch einmal beeinflussen könnten?
Ich persönlich finde einen erhöhten Fokus auf die praktischen Fähigkeiten erstrebenswert. Es ist wichtig, diese Fähigkeiten zu schulen und zu meistern und Theorieprüfungen im Verhältnis geringer zu gewichten.
Am Ende geht es vor allem um das Wissen, das für immer hängen bleibt. Dieses Wissen prägt uns und geht nicht wie das Gelernte aus dem Kurzzeitgedächtnis verloren.
Wie alt waren Sie, als Sie ins aktive Berufsleben eingestiegen sind?
Ich war 20 Jahre alt.
Was war das prägendste Erlebnis / ein Schlüsselereignis Ihrer bisherigen Karriere?
Es ist sehr schwer für mich nur ein solches Erlebnis auszuwählen, vor allem deshalb, weil mein Berufsleben nicht nur auf einen Beruf beschränkt ist und sehr dynamisch verläuft.
In meiner Karriere als Stimmtraining Coach, war eines der prägendsten Erlebnisse, wie meine Gesangsschülerin nach einem Autounfall, bei dem Ihr Stimmapparat beschädigt wurde, wieder Sprechen und Singen gelernt hat.
Solche Erlebnisse vergisst man nicht und ich fühle mich geehrt so viele Menschen bei Ihren Erfolgen aber auch in schweren Zeiten begleiten zu dürfen.
Als Berufssängerin prägte mich jeder Moment, den ich auf verschiedensten Bühnen der Welt gemeinsam mit meiner Band erleben durfte.
Wenn Sie noch einmal ein Praktikum machen könnten, was würden Sie gerne ausprobieren?
Ich würde mich freuen ein Praktikum im Bereich professioneller Photographie machen zu können.
Welche Herausforderungen sehen Sie auf Ihre Branche in den nächsten 20 Jahren zukommen?
Ich sehe die größten Herausforderungen vor allem in meinem Beruf als Sängerin. Die künstlerische Branche leidet gewaltvoll unter den wirtschaftlichen Folgen der Covid Pandemie. Viele Clubs und Venues waren gezwungen zu schließen.
Öffentliche Konzerte sind in der nächsten Zeit sehr schwer zu organisieren und werden damit immer seltener. Es ist definitiv überlegenswert sich in unterschiedlichen Richtungen auszubilden um diese Phase bewältigen zu können.
Was geben Sie Ihren Praktikanten für deren Zukunft mit auf den Weg?
In meinem Fall sind das eher Schüler als Praktikanten. Vor allem versuche ich ihnen zu vermitteln wie wichtig es ist eigene Stärken zu erkennen und wahrzunehmen.
Meiner Meinung nach ist das die Basis von einem erfolgreichen Berufsleben. Wir funktionieren in einer Gesellschaft die auf Leistung, Ergebnisse und intensive Kritik fokussiert ist.
Ich staune wie viel Druck, Frustrazion und Stress dabei entsteht.
Das selbständige Denken, Autentizität, gesundes Selbstbewußtsein und ständige Kommunikation / Austausch mit anderen müssen unbedingt geübt werden.
Sie gehören zu einer erfüllten Existenz nicht nur im Berufsbereich.