Hineindenken in die Politik
07/18/2023Wie kommen in der EU Gesetze zustande? Dieser Frage sind Lehramtsstudierende der Universität Würzburg nachgegangen – in einem Planspiel im Würzburger Rathaus gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern aus dem Landkreis Kitzingen.
Die politische Struktur der Europäischen Union ist äußerst komplex und für Außenstehende nur schwer zu durchschauen; gleiches gilt für das Gesetzgebungsverfahren der EU. Trotzdem werden viele Lehrerinnen und Lehrer in ihrem Berufsleben wohl nicht darum herumkommen, sich damit auseinanderzusetzen und ihren Schülerinnen und Schülern diese Prozesse zu erläutern.
Um sie dabei zu unterstützen, hat jetzt die Fachdidaktik „Politik und Gesellschaft“ der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) ein Seminar angeboten, das Lehramtsstudierenden das System und die Abläufe der Europäischen Union näherbringen sollte. Gleichzeitig konnten die Studierenden dabei eine Methode kennen lernen, die sie später möglicherweise selbst in der Schule einsetzen: die unterrichtspraktische Durchführung eines Planspiels.
Politische Komplexität besser verstehen
Organisiert hatte das Seminar Sabine Kehr, Mitarbeiterin der Fachdidaktik Politik und Gesellschaft. Sie beschreibt die Ziele des Seminars so: „Mit Blick auf die künftige Lehrerinnen- und Lehrerprofessionalität ist neben der Erprobung dieser fachdidaktischen Methode auch fundiertes politisches Wissen für einen handlungs- und schülerorientierten sowie aktualitätsbezogenen Politikunterricht von großer Bedeutung, denn die Studentinnen und Studenten lernen die politische Komplexität der Europäischen Union besser zu verstehen, systematisch zu denken und vermögen somit ihr politisches Wissen um diese spezifische Institution zu erweitern und zu differenzieren.“
Aus diesem Grund haben vom 26. bis zum 27. Juni Studierende zusammen mit Schülerinnen und Schülern eines Gymnasiums aus dem Landkreis Kitzingen erstmalig im Würzburger Rathaus an einer planspielbasierten Politiksimulation zur EU-Klimapolitik teilgenommen. Im Mittelpunkt stand dabei die Neugestaltung des europäischen Emissionshandels. Aufgabe der Teilnehmerinnen und Teilnehmer war es, die unterschiedlichen politischen Länderpositionen zu diskutieren und darüber zu verhandeln, Kompromisse zu suchen und einen Gesetzestext zu formulieren.
Ein Spiel im passenden Rahmen
In ihrer Rolle als Politikerin oder Politiker mussten sie unterschiedliche Länderpositionen vertreten, politische Mehrheiten suchen und am Ende ein neues Emissionshandelsgesetz verabschieden – und das in dem passenden „politikdidaktischen Setting“ – also der Kombination aus Politiksimulation mit einer authentischen politischen Atmosphäre im Würzburger Rathaus.
„Auf diese Weise war es den Teilnehmerinnen und Teilnehmern möglich, in wirklichkeitssimulierender Weise politische Erfahrungen mit der Europäischen Union als supranationale Institution zu sammeln“, sagt Sabine Kehr. Im Planspiel wurden sie in die Lage versetzt, ökonomische und politische Situationen auf EU-Ebene zu analysieren, Handlungsoptionen zu entwickeln und deren Konsequenzen im Spielverlauf zu erleben.
Beim nächsten Mal wieder dabei
Besonders die Übernahme von Positionen von Mitgliedern der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments sowie des Ministerrats habe den Studierenden geholfen, politische Prozesse in der Europäischen Union besser nachzuvollziehen. So bewerte eine Lehramtsstudentin denn auch das „Hineindenken in politische Prozesse“ positiv. In der „Förderung der sozialen und politischen Kompetenzen, der Konflikt- und Diskussionsfähigkeit sowie der Entscheidungs- und Urteilsbildungsprozesse“ sah sie einen enormen Mehrwert dieser Planspielmethode.
Insgesamt bewerteten die Studierenden das real-simulative Handeln im EU-Gesetzgebungsverfahren als sehr positiv und gewinnbringend für ihre künftige Rolle als Politik-Lehrkräfte. Oder, wie es ein Lehramtsstudent sagte: „Ich verstehe jetzt besser, wie die EU funktioniert, und kann durch das Planspiel die Zusammenarbeit der Institutionen nachvollziehen.“ Ein anderer Teilnehmer äußerte seine Begeisterung nach dem Planspiel so: „Ich bin auf jeden Fall beim nächsten Mal wieder dabei!“
Aufgrund der positiven Resonanz und des unterrichtlichen Mehrwerts plant die Didaktik Politik und Gesellschaft, dieses praxisorientierte Seminar auch künftig regelmäßig anzubieten.
Kontakt
Sabine Kehr, Institut für Politikwissenschaft und Soziologie, T: +49 931 31-82670, sabine.kehr@uni-wuerzburg.de