Dr. Marcus Dekiert, Kunstgeschichte, Wallraf-Richartz-Museums & Fondation Corboud
04/06/2015Aktuell: Leiter des Wallraf-Richartz-Museums & Fondation Corboud in Köln Studium: Kunstgeschichte
Dr. Marcus Dekiert hat an der Uni Würzburg und in Bonn Kunstgeschichte studiert. Seit März 2013 leitet er das Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud in Köln. Kunstwerke sind für ihn Zeitkapseln in vergangene Epochen und eine Schule des Sehens.
Der promovierte Kunsthistoriker war lange Zeit verantwortlicher Referent für die Alte Pinakothek in, bevor er im März 2013 die Leitung des Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud in Köln übernahm.
Das Kölner Museum besitzt eine der wichtigsten Sammlungen mittelalterlicher Malerei weltweit. Weitere Highlights sind die Malerei des Barock mit Gemälden von Rubens, Rembrandt, Murillo bis Boucher, die deutsche Romantik sowie der französische Realismus und Impressionismus.
Herr Dr. Dekiert, hatten Sie einen Lieblingsort in Würzburg?
Als junger Student, der beginnt, sich der Kunstgeschichte zu widmen, ist Würzburg mit seinen reichen Kunstschätzen ein perfekter Ort.
Besonders gern aber besuche ich bis heute die spätgotische Marienkapelle auf dem Marktplatz und betrachte besonders das Südportal mit Tilman Riemenschneiders Skulpturen des ersten Menschenpaars. Eines meiner ersten Seminar-Referate war diesen Bildwerken gewidmet – das verbindet dauerhaft.
Warum haben Sie sich für das Fach Kunstgeschichte entschieden?
Die Entscheidung Kunstgeschichte als Studienfach zu wählen, fiel recht früh – schon in der Obersekunda des Gymnasiums. Es waren – neben einem allgemeinen Interesse an der bildenden Kunst – die Begeisterung weckende Vermittlung meines damaligen Deutschlehrers am Kölner Apostelgymnasium, sodann die in den 1980er-Jahren blühende Kunstmetropole Köln und erste prägende Ausstellungsbesuche ebendort.
Und was fasziniert Sie besonders an der holländischen Barockmalerei?
Das große Faszinosum der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts – des so genannten „Goldenen Zeitalters“ – liegt für mich in der staunenswerten handwerklich-malerischen Qualität der Malerei von den großen Meistern Rembrandt oder Vermeer bis hin zu den zahllosen Kleinmeistern.
Es kommt einem Wunder gleich, wie die kleinen Niederlande für den Zeitraum weniger Jahrzehnte und während man bis 1648 die staatliche Souveränität und Freiheit gegen einen schier unüberwindlich scheinenden Gegner erstritt, eine beispiellose wirtschaftliche und kulturelle Blüte erlebten.
Sie waren verantwortlicher Referent für die Alte Pinakothek in München und leiten jetzt das Wallraf-Richartz-Museum in Köln. Was ist der größte Unterschied zwischen diesen beiden Tätigkeiten?
In München war ich vor allem Kustode und durfte mich – neben zahlreichen weiteren Amtspflichten – wissenschaftlich mit dem famosen Gemäldebestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen auseinandersetzen, so unter anderem eine Reihe von Ausstellungen in der Alten Pinakothek kuratieren, die Filialgalerie in Bayreuth neu konzipieren und Texte über die Kunstwerke und ihre Sammlungsgeschichte publizieren. Eine wunderbare Zeit.
In Köln nun stehe ich dem ältesten Museum Kölns und der bedeutendsten Sammlung Gemälde Alter Meister und des 19. Jahrhunderts im Westen Deutschlands vor. Die unmittelbare Beschäftigung mit den Kunstwerken tritt bedauerlicherweise in den Hintergrund, da die Erledigung zahlreicher weiterer Aufgaben – allgemeine Verwaltung, Repräsentation, Verhandlungen über Ausstellungsvorhaben und Leihgaben, Einwerben von Drittmitteln und Dergleichen mehr – von primärer Bedeutung sind.
Wie dürfen wir uns den Berufsalltag eines Museumsleiters vorstellen?
Es gilt unter zunehmend nicht ganz einfachen Begleitumständen ein attraktives Ausstellungsprogramm zu entwickeln, die dafür benötigten Mittel herbeizuschaffen, sodann den baulichen Unterhalt und aktuell die Erweiterung des Museums zu organisieren, mit der lokalen Politik und der Verwaltung Wege und Möglichkeiten der Fortentwicklung zu erarbeiten, mit der internationalen Museumswelt in Kontakt zu stehen, Mittel zu akquirieren.
Welche Bedeutung hat die Kunst im gesellschaftlichen Alltag?
Die Bedeutung der Kunst im gesellschaftlichen Alltag ist aus meiner Sicht hoch und zudem ausgesprochen mannigfaltig. Nur Weniges kann hier schlagwortartig skizziert werden:
Zunächst stellen die künstlerischen Hervorbringungen vergangener Jahrhunderte eine unmittelbare Verbindung mit der Vergangenheit her. Sie sind Zeitkapseln, die uns ferne Epochen vergegenwärtigen und zugleich zu den Wurzeln der Jetztzeit führen.
Der Gegenwartsbezug gerade der alten Kunst besteht aber auch darin, dass dort allgemeinmenschliche Fragen verhandelt werden, die sich im 15. oder 17. Jahrhundert ebenso stellten wie heute. Nehmen wir beispielhaft die großen Historiengemälde Rembrandts, so wird man dort die großen Themen und Konflikte menschlichen Daseins ganz und gar zeitlos gestaltet finden.
Zudem bietet die Kunst diese Erkenntnisse auf dem Wege einer sinnlichen Erfahrung, die tief berühren und beglücken kann. Die Bildkunst ist eine Schule des Sehens – von höchster Bedeutung in der bildergesättigten Reizüberflutung unserer Tage. Das Glücksmoment des Entdeckens und Erkennens in der intensiven Betrachtung eines bedeutenden Kunstwerks sollte jeder einmal erfahren haben.
Und nicht zuletzt wohnt der Kunst ein zutiefst integratives Moment inne, da sie in einer universalen Sprache in unserer stets zunehmend pluralistischen und globalisierten Gesellschaft wiederseitiges Verständnis und Gemeinsamkeit stiften kann.
Vielen Dank für das Gespräch!