Mit einem Pilzmedikament Prostatakrebs bekämpfen
08/12/2021Forschungsteams aus Würzburg und Heidelberg haben einen neuen Angriffspunkt zur Behandlung von Prostatakarzinomen entdeckt – mit einem Medikament, das sonst bei Pilzinfektionen eingesetzt wird.
Dass ein Medikament mehr als nur ein Krankheitsbild behandeln kann, ist nicht unbedingt selten. Dass es sich um sehr unterschiedliche Krankheitsbilder handelt und das Medikament zudem ein schweres Leiden wie Krebs behandeln könnte, ist jedoch ein bedeutender Fund. Forschende aus der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg, dem Universitätsklinikum Würzburg (UKW) und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg ist nun ein solcher Fund gelungen: Mit dem Medikament Terbinafin bei Prostatakarzinomen.
Das Forschungsteam konnte in einer Studie aufzeigen, dass Prostatakarzinome große Mengen des Enzyms Squalen Epoxidase (SQLE) bilden. SQLE wird in Zellen für die Synthese von Cholesterin gebraucht und das Team konnte zeigen, dass das Enzym das Wachstum von Prostatakarzinomzellen fördert. Das Ziel war in einem nächsten Schritt die Blockade von SQLE.
Tumorzellen sterben ab
Die Blockade gelang mit dem Medikament Terbinafin. Dieses Medikament blockiert die Funktion von SQLE und wird normalerweise zur Behandlung von Pilzinfektionen verwendet. Bei Mäusen, denen humane Prostatakarzinomzellen implantiert wurden, zeigte die Gabe von Terbinafin ein Absterben von Tumorzellen und eine Reduktion des Tumorwachstums. Außerdem konnte das Team zeigen, dass eine SQLE-Blockade bei Prostatakarzinompatienten zu einer Reduktion des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) führte. Dieses wird im Blut von Prostatakarzinompatienten nachgewiesen und ist ein Marker für das Fortschreiten der Krankheit. „Unsere Studie hat gezeigt, dass SQLE eine neuartige Zielstruktur für die Behandlung von fortgeschrittenem Prostatakrebs sein könnte und dass Hemmstoffe von SQLE in klinischen Studien genauer untersucht werden sollten“, erklärt Almut Schulze, Professorin und Abteilungsleiterin am DKFZ.
„Eine Weiterentwicklung des Wirkprinzips von Terbinafin könnte eine neue Therapie für Patienten mit fortgeschrittenen Prostatakarzinomen darstellen“, erklärt Dr. med. Charis Kalogirou, Oberarzt und Erstautor der Studie von der Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie am UKW. „Ein solches ‚repurposing‘ von existierenden Medikamenten hat große Vorteile, da Wirkung und Sicherheitsprofile bereits bekannt sind.“
Klinische Studie als nächster Schritt
Der nächste Schritt wäre daher die Ausweitung der Studienergebnisse auf eine größere Gruppe von Patienten. „Daher prüfen wir gerade die Möglichkeiten für eine klinische Studie“, so Schulze.
Veröffentlicht wurden die Forschungsergebnisse jetzt im Fachmagazin „Nature Communications“.
Neben Kalogirou und Schulze waren Forschende des Lehrstuhls für Biochemie und Molekularbiologie
um Professor Martin Eilers (Biozentrum JMU), Forschende der Klinik für Urologie und Kinderurologie
unter der Leitung von Professor Hubert Kübler (UKW), Teams um Dr. Johannes Linxweiler
(Universitätsklinik des Saarlands), Dr. Burkhard Kneitz (UKW), Dr. Mathias Rosenfeldt (Pathologisches
Institut, JMU) sowie Forschende aus Erlangen, Innsbruck und Zürich an der Studie beteiligt. Finanziell
unterstützt wurde die Arbeit durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), das Ferdinand-
Eisenberger-Forschungsstipendium der Deutschen Gesellschaft für Urologie und das
Interdisziplinäres Zentrum für Klinische Forschung der JMU.
Publikation
Kalogirou C, Linxweiler J, Schmucker P, Snaebjornsson MT, Schmitz W, Wach S, Krebs M, Hartmann E,
Puhr M, Müller A, Spahn M, Seitz AK, Frank T, Marouf H, Büchel G, Eckstein M, Kübler H, Eilers M, Saar
M, Junker K, Röhrig F, Kneitz B, Rosenfeldt MT and Schulze A.: MiR-205-driven downregulation of
cholesterol biosynthesis through SQLE-inhibition identifies therapeutic vulnerability in aggressive
prostate cancer, Nature Communications 08/2021, doi: 10.1038/s41467-021-25325-9
BU: Die Grafik zeigt das Wachstum von Prostatakarzinomzellen mit und ohne Behandlung mit dem
SQLE-Hemmstoff Terbinafin. Die Bilder demonstrieren das Absterben von Tumorzellen nach
Behandlung mit Terbinafin. Dies wird durch die große Zahl an grünen Strukturen, einem Marker für
Zelltod, dargestellt. (Foto: Kalogirou, Schulze et al.)