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Christina Rothenhäusler & Thomas Schmidt, Chemie, Unternehmen Huafeng in China

09/04/2019

Unsere beiden Alumni lernten sich während Ihrer Zeit an der JMU kennen, wo sie beide in Chemie promovierten. Heute arbeitet das Paar in der Abteilung „Innovation & Creation“ in Putian, einer Stadt mit rund einer Million Einwohnern an der Ostküste Chinas.

Christina Rothenhäusler und Thomas Schmidt bei einem Besuch im Mazzu-Tempel in in Meizhou Dao, einer kleinen Insel zwischen China und Taiwan. Dort ist die Heimat der Göttin Mazzu, Schutzgöttin der Seefahrer und Fischer. (Bild: privat)
Christina Rothenhäusler und Thomas Schmidt bei einem Besuch im Mazzu-Tempel in in Meizhou Dao, einer kleinen Insel zwischen China und Taiwan. Dort ist die Heimat der Göttin Mazzu, Schutzgöttin der Seefahrer und Fischer. (Bild: privat)

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie beide nach China „ausgewandert“ sind? Das ist eine lange Story. Nach meiner Promotion war die Jobsituation für Chemiker in Deutschland katastrophal, die Großindustrie hatte praktisch einen Einstellungsstopp. Ich habe mich auf die Insel gerettet und begann einen Postdoc in Durham, UK. Gleichzeitig hatte ich viele Bewerbungen an die Industrie geschrieben, darunter auch an adidas, wo ich mich gezielt um eine Stelle in Vietnam bewarb. Ein Jahr später erhielt ich dann einen Anruf, dass jetzt eine Stelle in Asien zu haben sei, nicht in Vietnam aber in China, es ging um Arbeitssicherheit, Feuerschutz, Umweltschutz. Von da an ging alles ziemlich schnell: Ich bin nach China abgezogen, und Christina musste so schnell wie möglich ihre Promotion abschließen. Sie ist dann drei Monate später nachgekommen.

Und seitdem leben Sie in China? Nein. Wir verbrachten spannende zwei Jahre in China mit viel Reisetätigkeit durch ganz Asien. Und wir schlossen dort viele gute Freundschaften. Nach zwei Jahre wollte ich aber wieder zurück in die chemische Industrie, um mein Wissen aus dem Studium besser zu nutzen. Ich fand einen Job bei TIGER Coatings in Österreich und machte meine Karriere in der Entwicklung von Pulverlacken und industriellen Digitaldrucktinten. Wir genossen 14 Jahre dort und hätten eigentlich bis zur Rente im schönen Osterreich bleiben können.

Was hat sie davon abgehalten? Einer meiner chinesischen Freunde arbeitete seit einigen Jahren bei Huafeng und hat den internationalen Vertrieb dort aufgebaut. Er hat aus einem kleinen lokalen chinesischen Textilunternehmen einen Top-Lieferanten für die internationale Sportbranche gemacht. Über die Jahre waren wir immer in losem Kontakt, er hatte schon vor zwei bis drei Jahren mehr aus Spaß heraus gesagt, ich solle wieder nach China kommen. Doch plötzlich war die Zeit reif dafür. Ich war bereit für ein neues Abenteuer, und Huafeng hatte gewaltige Wachstumspläne und brauchte dringend neue Ideen und Innovationen.

Und der Wechsel ging so einfach? Wir trafen uns in Deutschland in einem Restaurant, schrieben einen kurzen Vertrag auf einen Bierdeckel und die Sache war per Handschlag vereinbart. Wir waren die ersten Ausländer bei Huafeng, wir sind die einzigen Deutschen in Putian und alles ist ziemlich chinesisch hier. Vom Expat-Leben in Shanghai oder Beijing ist hier auf jeden Fall nichts zu spüren. Aber es ist fantastisch, wie wir hier aufgenommen wurden und wie gastfreundlich Putian uns empfangen hat und uns immer noch jeden Tag überrascht.

Können Sie uns Ihre Arbeit in der Innovationsabteilung in kurzen Worten beschreiben? Unsere Kernkompetenz ist alles rund um Textilien, besonders für die Sportbranche, Schuhe und Bekleidung. Mit meinem Eintritt haben wir angefangen neue Beschichtungssysteme für Textilien zu entwickeln. Unser Star sind die Haptic-Beschichtungen, eine Art 3D-Druck, mit dem das gesamte Obermaterial von Sportschuhen funktional und dekorativ gestaltet und zudem der Produktionsprozess von Schuhen massiv vereinfacht werden kann. Alle großen Sportmarken haben unsere Produkte heute im Programm. Ich habe ein schlagkräftiges Team aus Chemikern und Technikern aufgebaut. Mein Job ist wahnsinnig vielfältig und ich bringe mich überall ein, wo mein Wissen oder Kulturverständnis zum Erfolg beitragen kann.

Was heißt das konkret? Ich kümmere mich um Kontakte zu Rohstoff- und Maschinenherstellern, gebe meinem Team Ideen zur Formulierung von Beschichtungen, arbeite mit unseren Designern, um die Vorzüge unserer Technologien in neuen Konzepten richtig herauszuarbeiten. Und natürlich arbeite ich mit den Innovationsteams und Produktmanagern der Sportmarken international zusammen, um die Marktbedürfnisse auch richtig umzusetzen. Ich bin viel unterwegs, mal in Europa, mal in USA, aber mein Lebensmittelpunkt und fester Wohnsitz ist in Putian, China. Mein Job ist aber nicht nur die Technik, ich bin auch im Marketing aktiv. Ich habe zum Beispiel unseren Markennamen für die 3D-Beschichtungen und für Recycling-Garne entworfen. Und ich unterstütze unsere Vertriebsteams durch technisches Marketing, Broschüren, Produktbeschreibungen und Präsentationen. Nebenbei bin ich der Coach für viele meiner Kollegen, erzähle über den Westen, zeige, wie wir in Europa unsere Freizeit genießen und tue einfach viel für die Völkerverständigung.

Was empfinden Sie als besonders anders am Arbeiten für ein chinesisches Unternehmen? Zuerst einmal muss man feststellen, dass es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gibt. Ich halte es für maßlos übertrieben, immer nur über die Kulturunterschiede zu reden, wir haben alle sehr ähnliche Bedürfnisse. Es ist immer wieder beeindruckend, mit welchem Teamgeist und Einsatz hier Dinge erledigt werden.

Aber es wird schon Unterschiede geben – oder? Es ist nicht alles so effizient und durchgeplant wie in Deutschland, aber die Flexibilität und Einsatzbereitschaft ist sensationell. Man geht anders an die Dinge heran. Man beginnt einfach mal und nähert sich dann iterativ der Lösung an. Das erlaubt eine sehr schnelle Herangehensweise, schnelle erste Resultate und weitere verbesserte Entscheidungen auf dem Weg. Natürlich geht das auch manchmal schief, aber die Dynamik ist atemberaubend. Und wenn es darauf ankommt, der Kunde in USA oder Deutschland ein Muster braucht, dann wird auch mal durchgearbeitet, bis alles fertig ist, ohne vorher Überstunden zu planen. Meine Kollegen haben einen unglaublichen Biss und Willen zum Erfolg, man redet darüber, wie man sich selbst verbessern muss und ist dankbar für jeden Verbesserungsvorschlag. Und alle sind unheimlich stark ausgerichtet auf Chinas Fortschritt, das ist der gemeinsame Punkt, an dem man sich  immer wieder trifft.

Unterschiede gibt es sicherlich auch auf kulinarischer Ebene. In der Kantine gibt es natürlich lokales chinesisches Essen. Das ist anders als in Deutschland, aber durchaus gut bis auf wenige sehr spezielle Gerichte. Christina hat jetzt angefangen, unserem Koch in der Kantine etwas westliche Küche beizubringen. Die selbst gemachte Pizza gelingt schon recht gut! Und jetzt kommen als nächstes Käsespätzle dran. Alle haben Freude daran, mal etwas Neues kennenzulernen.

Sie sind ein Paar und arbeiten in einer Abteilung. Wie schaffen Sie es, Berufliches und Privates zu trennen? Berufliches und Privates werden meiner Meinung nach in unserer Gesellschaft oft zu sehr getrennt. Wenn das Leben nur außerhalb der Arbeit stattfindet, dann stimmt etwas an der Arbeit nicht. Leider sehe ich das in vielen Firmen überall auf der Welt. Wir haben sehr viel Spaß bei der Arbeit, und das Team arbeitet gut zusammen. Meine Frau arbeitet in der Regel von daheim im Home Office, ich verbringe meinen Tag in der Fabrik oder auf Dienstreise. Und mit den Kollegen hat man hier ein sehr enges Verhältnis, wir gehen oft zusammen zum Abendessen oder ich lade das Team auf ein Bier ein. Manchmal fühlt es sich an wie eine große Familie oder ein Freundeskreis.

Sprechen Sie Chinesisch? Ich kann überleben, ein kaltes Bier bestellen, etwas zu essen besorgen und Taxi fahren. Aber die Sprache ist schwierig. Zum Glück gibt es heute Smartphones mit Übersetzungshilfen. Ich verstehe mehr als ich sprechen kann. Christina hat deutlich mehr in das Sprachenlernen investiert und kann einfache Alltagssprache sprechen. Beruflich reicht das aber nicht. Zum Glück habe ich eine wunderbare Assistentin, die fließend Englisch spricht und mir jederzeit zur Hilfe steht.

Das stelle ich mir im Alltag bisweilen ziemlich kompliziert vor. Jeder Tag steckt voller neuer Erfahrungen, das macht das Leben so spannend hier. Man darf nur nicht verzweifeln, wenn man nicht das bekommt, was man sich gerade vorstellt.

Zum Beispiel? Als ich zum Beispiel Europa verließ, habe ich Auto und Motorrad verkauft. Mein großer Wunsch war es allerdings, hier in China auch ein Motorrad zu haben. Das ist jedoch nicht so einfach. Es hat mich fünf Jahre und drei Assistentinnen gekostet, bis endlich ein Weg gefunden wurde. Dafür musste ich zuerst den Autoführerschein machen, das ging noch relativ problemlos. Dann hieß es, ich könne in einem Jahr wieder antreten zum Motorrad-Führerschein. Ein Jahr später sagte man mir, Ausländer können keinen Motorradführerschein machen. Dann die Nachricht, es gehe doch, aber der Theorietest müsse auf Chinesisch gemacht werden. Übersetzer nicht erlaubt. Nach viereinhalb Jahren hat es meine Assistentin geschafft, mich zur Prüfung anzumelden, man hatte ihr gesagt, dass es vermutlich einen englischen Test gebe. Nach dem obligatorischen Gesundheitscheck standen wir dann vor dem Computer, es gibt aber nur den chinesischen Test. Was tun? Es fand sich schließlich doch ein Weg der Übersetzung, und schon nach fünf Jahren hatte ich den Motorradführerschein.

An welche Begebenheit aus Ihrer Promotionszeit erinnern Sie sich besonders gerne? An unsere tollen Lagerfeuer und Grillabende unten am Röntgenring im Innenhof. Unglaublich, wie wir mitten in der Stadt so feiern konnten. Dank der Baustellen rings herum gab es immer genug Bauholz zum Verheizen.

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