Prof. Dr. Tobias Hoßfeld, Informatik, JMU Würzburg
11/27/2020Prof. Dr. Tobias Hoßfeld ist am Lehrstuhl für Informatik III an der Universität Würzburg tätig. Er berichtet vom Alltag in Zeiten von Corona, Home-Office und spannenden neuen Projekten.
Hallo Tobias, wie geht es Dir in diesen ungewöhnlichen Corona-Zeiten? Wie ist Dein neuer Alltag?
Mir persönlich geht es sehr gut trotz dieser ungewöhnlichen Zeiten. Auch wenn der Arbeitsaufwand deutlich gestiegen ist.
Was die Lehre betrifft, gerade die ersten Monate habe ich um vielfaches mehr an Zeit und Mühe hineingesteckt, weil ich einiges didaktisch an die Situation und Online-Lehre anpassen wollte. Die Vorlesungsinhalte sind nun interaktiv aufgebaut, als Konzept verfolge ich den Flipped Classroom. Es sind neben den Texten und Grafiken nun vermehrt Videos, Quizze, interaktive Elemente und Aufgabenstellungen und auch im Browser ausführbare Programmskripte eingebunden. Den Studierenden hoffe ich so, das Wissen noch umfangreicher und einprägender vermitteln zu können als in der klassischen Präsenzveranstaltung. Diese Hoffnung stärkt die gut ausgefallene Evaluation. Aber das digitale Format passt nicht zu jedem Lernstoff und ich würde sicherlich gern wieder auch auf das Präsenzformat zurückgreifen. Ich vermisse es auch persönlich, die Vorlesung im Hörsaal zu halten und mit den Studierenden zu interagieren.
Privat ist es so - und was sicherlich alle betroffen hat -, dass man z.B. gerne wieder Freunde und Familien treffen wollte aber nicht konnte oder durfte. Man findet aber neue Wege mit den Menschen zu kommunizieren. Meinen privaten Alltag musste ich nicht weiter umstellen. Würzburg bietet als Stadt kurze Wege zur Natur, zu den Weinbergen, zum Einkaufen, zur Arbeit und erleichtert uns persönlich den privaten wie beruflichen Alltag. Das ist natürlich dann auch ideal zum Sport machen, egal ob Laufen oder Radfahren in der Natur.
Wie funktioniert das Home-Office bei euch am Lehrstuhl?
Unseren Lehrstuhl haben wir ein wenig digital nachgebaut: digitale Büroräume, elektronische Whiteboards für Brainstorming, virtueller Kaffeeraum. Was mir trotzdem fehlt sind die kreativen Meetings, spontan mal bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kurz vorbeizuschauen, die Gespräche, in denen plötzlich neue Ideen und Lösungen entstehen. Manchmal kommen aus den ungeplanten Gesprächen neue Lösungen zu den Problemen, die uns in der Forschung um- und antreiben. Das vermisse ich.
Was das verantwortungsvolle Arbeiten im Home-Office betrifft, da bin ich voll des Lobes für mein Team. Es funktioniert richtig gut. Das Team hat hier ein tolles Engagement gezeigt und neue Möglichkeiten und Wege ausprobiert, gerade auch um die Studierenden weiterhin gut zu betreuen. Und da bin ich schon sehr stolz auf meinen Lehrstuhl und das ist der Verdienst von allen Leuten am Lehrstuhl.
Deine Bildungslaufbahn ist größtenteils fest mit der Universität Würzburg verbunden: Nach Deinem Diplomabschluss in Informatik hast Du Dich mit der ausgezeichneten Dissertationsschrift zum Paradigmenwechsel und neuen Herausforderungen in zukünftigen Internetanwendungen summa cum laude promoviert. Danach schließt Du erfolgreich Dein Habilitationsprojekt „Modeling and Analysis of Internet Applications and Services“ ab und leitest zugleich die FIA research group “Future Internet Applications & Overlays” am Lehrstuhl für Kommunikationsnetze von Prof. Dr.-Ing. P. Tran-Gia, dessen Lehrstuhlnachfolger Du nun seit 2018 bist. Vor 2018 hattest Du 4 Jahre einen Lehrstuhl in Duisburg-Essen inne.
Wie war es für dich nach Würzburg zurückzukommen?
Ich habe mich auf Würzburg gefreut! Ich habe sehr wichtige und tolle Erfahrungen an der Universität Duisburg-Essen gesammelt, die für mich selbst sehr wertvoll waren. Ich bin dennoch sehr gern zurück an die Universität Würzburg gekommen. Das hat mehrere Gründe.
Es ist ein geniales Arbeitsumfeld. Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen in der Informatik macht Spaß und ist erfolgreich. Schon nach kurzer Zeit haben wir zusammen geforscht, wissenschaftliche Artikel geschrieben und sind dabei gemeinsame Projektanträge zu schreiben. Es geht voran in Würzburg! Es gibt neue Informatik Lehrstühle und auch neue Studiengänge, etwa zu eXtended Artificial Intelligence. Auch planen wir gerade einen Studiengang zu Nachhaltigkeit und Informatik. Gerade hierbei gibt es eine schöne Zusammenarbeit mit anderen Fakultäten, um das auf die Beine zu stellen. Dazu zählen auch die Möglichkeiten ein interessantes Studium anzubieten, z.B. die Vorlesung „Informatik und Ethik“ ins Leben zu rufen. Und zu diesem Arbeitsumfeld gehören natürlich auch die wissbegierigen und kritisch nachfragenden Studierenden, die an der Uni Würzburg eben auch ein tolles Umfeld vorfinden.
Auch das Glück und die einmalige Gelegenheit, die Lehrstuhlnachfolge des eigenen Doktorvaters anzutreten, ist natürlich super. Mit der vorgezogenen Nachfolge von Professor Tran-Gia war der Übergang dankenswerterweise fließend – was mir nicht nur sehr viel Mühe und Zeit gespart hat, sondern ich habe viel gelernt.
Die akademischen Gründe waren bei meiner Entscheidung also die wichtigsten. Auch die regionale Verankerung ist für mich sehr wichtig und das geht hier wunderbar. Wir haben mittlerweile Forschungsprojekte mit vier lokalen Unternehmen sowie auch der Stadt Würzburg, wo wir uns für eine Smart City Würzburg und den Green-City Plan engagieren können.
Aber auch private Gründe förderten unseren Umzug nach Würzburg. Meine Frau und ich haben in Würzburg 2017 geheiratet. Da lebten wir noch im Ruhrgebiet. Auch wenn wir das Ruhrgebiet lieben gelernt und dort die hohe Lebensqualität geschätzt haben, zeigt es unsere große Verbundenheit zu Würzburg. Ich habe hier studiert und meine akademische Laufbahn begonnen. Würzburg ist meine zweite Heimat. Ich bin auch stolz auf Würzburg, das merke ich, wenn wir immer wieder Besucher aus dem Ruhrgebiet haben und wir ihnen die Residenz, die Festung, das Käppele oder die Uni zeigen.
Du bist Mitglied in vielen nationalen und internationalen Gremien, wie z. B. in der GI, der IEEE, und Du bist Ko-Vorsitzender zahlreicher internationalen Konferenzen rund um das Thema Kommunikationsnetze. Wie ist aktuell die Zusammenarbeit im internationalen Umfeld? Trifft man da auch manchmal auf andere Alumni der Universität Würzburg?
Die Zusammenarbeit im internationalen Umfeld hat sich meinerseits kaum verändert, weil wir viele internationale Videokonferenzen und Projekttreffen haben. Das Fachliche funktioniert also sehr gut. Allerdings fehlen auch hier die zwischenmenschlichen Interaktionen. Neue Ideen entstehen eher im direkten Austausch, der manchmal auch zufällig stattfand. Gerade durch diese „Serendipity“ lernt man spannende neue Leute kennen, es kommt zum fachlichen Diskurs, es entstehen neue gemeinsame Projektideen und alternative Lösungsansätze. Das fehlt mir leider gerade tatsächlich sehr.
Auf die Alumni, insbesondere direkt von unserem Lehrstuhl, treffe ich tatsächlich viel in den nationalen und internationalen Konferenzen, was immer wieder eine Freude ist. Und jetzt noch öfter, weil die Reisezeit wegfällt und man an noch mehr Konferenzen teilnehmen kann.
Im April dieses Jahr ist Euer BMBF-Projekt WINTERMUTE gestartet. Was verfolgt das Projekt, wer ist involviert und was bringt es uns für das Internet der Zukunft?
Die Lösung (lacht). Man hat heutzutage allein schon in jedem Smartphone unzählige Apps, die Daten über das Internet übertragen. Durch die Digitalisierung der Industrie, durch kommunizierende Sensoren im Internet der Dinge und in Smart Cities steigt dazu die Zahl von Geräten und Maschinen, die miteinander über das Internet kommunizieren. Das Ergebnis sind komplexe Datenströme und komplexe Kommunikationsnetze. Man hat das Problem der Beherrschbarkeit dieser Datenströme und der Netze. Es geht um den Schutz vor Angriffen auf der für den gewöhnlichen Internetnutzer unsichtbaren Ebene. Wir wollen dabei den Spagat zwischen Kontrolle und Datensparksamkeit schaffen. Dabei steht aber der Datenschutz und die Privatsphäre der Nutzer im Vordergrund. Mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz und des Machine Learnings sollen hierbei die Netze und die Kommunikation sicherer und effizienter gestaltet werden. Als Lösungsansatz wollen wir hier IT-Spezialisten in Unternehmen und Netzverantwortliche unterstützen, um die komplexen Netze und Datenströme in den Netzen zu verstehen und die Spezialisten bei Entscheidungen zu unterstützen. Daher hat die Benutzerfreundlichkeit einen hohen Stellenwert bei unserem Lösungsansatz. Das System wird also von den IT-Spezialisten statt nur rein von Algorithmen weiterhin administriert und benutzerfreundlich aufgebaut. Wir setzen also KI-Methoden ein, die das Verhalten des Systems klassifizieren und den Administratoren Rückmeldung über Auffälligkeiten geben sollen.
Das Projekt ist dieses Jahr gestartet und wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit mit den beteiligten Firmen (genua GmbH als Wintermute Projektleiter, acs plus GmbH, IsarNet Software Solutions GmbH), und Universitäten (Würzburg, Bamberg, Bremen). Auch wenn unser Kick-Off Meeting, was eigentlich im April geplant war, erst verschoben und dann letztendlich nur virtuell stattgefunden hatte. Aber das erste physikalische Treffen werden wir wohl in den nächsten 3 Jahren noch nachholen.
Was fasziniert Dich an Deiner Arbeit als Wissenschaftler und was würdest Du der neuen Studentengeneration im Fach Informatik ans Herz legen?
Es ist für mich der beste Job der Welt: Selbstbestimmung in der Forschung und in der Lehre. Ich definiere meine eigenen Forschungsthemen, die mich faszinieren. Und dazu braucht man ein schlagkräftigtes Team – und ich habe ein tolles Team! Das weiß ich sehr zu schätzen. Was ich an den Studierenden sehr schätze und jedem ans Herz legen möchte: Neugierig bleiben, das Gegebene hinterfragen, kritisch sein und über den Tellerrand schauen. Immer wieder sich selbst auch zu fragen „Was kann ich besser machen?“, „Kann ich die Problemlösung noch energieeffizienter / umweltfreundlicher / benutzerfreundlicher machen?“ Auch die Auslandserfahrung an einer anderen Universität lohnt sich in mehrfacher Hinsicht und ich kann den Studierenden diese Chance nur wärmstens empfehlen.
Das Gespräch führte Stan Pilischenko, ESF-ZDEX Manager an der Universität Würzburg.