Erziehung des Blicks
Die Erziehung des Blicks ist eine Einübung in das Sehen, die das Gesehene als intentional unter der Blick-Gestalt einer Ordnung identifiziert. Über die Bildquellen kann dann erforscht werden, was durch den gelenkten Blick handlungswirksam werden sollte, da durch die Bilder ein sozialer Geschmack vermittelt, Normen inkorporiert und soziale Strukturen stabilisiert worden sind.
Die Produktion der Schulwandbilder zielte auf den wissenschaftsbasierten Erkenntnisgewinn des Lernenden und die Bildung eines spezifisch sehenden Subjekts, gleichzeitig wurde auf einen vermeintlich ästhetischen Selbstzweck, eine Freisetzung des ästhetischen Blicks rekurriert. Performativ erzeugten Schulwandbilder pädagogische Objektivierungsformen, die den Menschen adressierten, ihn zu einem bestimmten Subjekt werden ließen. Die bildliche Macht evozierte eine Erziehung des Blicks und so Aufmerksamkeits- und Subjektivierungseffekte, die bislang in der Forschung wenig Berücksichtigung erfahren haben.
In dieser Lesart stehen die Bilder in der Funktion der Blickerziehung durch eine bildliche, nahezu unmittelbare Anrufung und Adressierung an das sehende Subjekt. Sie zielen auf die Erzeugung von ästhetischen Wirkungen, die nicht nur die Wahrnehmung bzw. die Semantik des Gesehenen, sondern die Modalität des Sehens betreffen, also die Ordnung des Blicks, unter der das Bild gesehen wird. Die zu untersuchenden Forschungsobjekte von INSIGHT legen somit im Rahmen der Erziehung des Blicks eine „Geschichte der verschiedenen Formen der Subjektivierung des Menschen“ offen. Die Erziehung des Blicks wird in drei Problemfigurationen auf den Feldern der Bildobjekte untersucht:
der ökonomische Blick als Konfiguration eines tendenziell marktförmigen Subjekts durch einen frühen Einfluss von Werbung und Marken in der Herstellung der Schulwandbilder, die politische Indienstnahme von Bildmedien aus der Zeit des Nationalsozialismus und die Blickerziehung in der Ambivalenz von Anrufung und Anmutung durch die Bilder und der Erziehung hin zum ästhetischen Blick durch Bilder des sogenannten künstlerischen Wandschmucks.