Anweisungen der DVCS
Seit vielen Jahren ist die Volksrepublik China (VR China) ein wichtiger Partner für deutsche und europäische Institutionen im akademischen Bereich. Aus diesem Grunde ist es erstrebenswert, die Kooperation zwischen der VR China und Deutschland bzw. der Europäischen Union (EU) in Forschung und Lehre zu fördern und Rahmenbedingungen zu schaffen, die gewinnbringende Kooperationen ermöglichen, aber gleichzeitig den durch die unterschiedlichen politischen Systeme gegebenen Herausforderungen Rechnung tragen.
Diese Handlungsempfehlungen haben zum Ziel, den beteiligten Institutionen einen Orientierungsrahmen sowie konkrete Empfehlungen im Umgang mit der VR China im akademischen Bereich zu geben. Dabei sollen insbesondere der Anspruch der Einhaltung von Recht und Gesetz, die besonderen Anforderungen an integres Verhalten sowie der Schutz der Freiheit von Forschung und Lehre gewährleistet werden. Ferner wird angestrebt, den Austausch zwischen Forschungsinstituten über best practices sowie Chancen und Herausforderungen bei der Kooperation zu befördern und so einen gemeinsamen Fundus an Wissen zu schaffen, von dem alle Beteiligten profitieren können.
Informationsaustausch
In Deutschland sollen nach Möglichkeit zentrale beratende Anlaufstellen (z. B. bei Einmischungen seitens der VR China in akademische Freiheiten) eingerichtet werden. Bei erfolgter oder versuchter Einmischung sollen auch die Landes- und Bundesregierung, vertreten durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Auswärtige Amt, informiert werden.
Ferner wird empfohlen, eine gemeinsame zentrale Stelle für den Austausch von „Codes of Conduct“, „Handlungsempfehlungen“ bzw. best practices einzurichten und zu fördern.
Basierend auf diesen Zielen und Vorhaben werden folgende 16 Handlungsempfehlungen vorgeschlagen:
Als Orientierungsgrundlage sollen bereits existierende Vorgaben und best practices von Forschungsinstituten sowie Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis zu Rate gezogen werden.
Deutsche und europäische Gesetze und Bestimmungen müssen in allen Fällen eingehalten werden. Dies gilt insbesondere auch für die EU-Datenschutz-Grundverordnung. Grundsätzlich soll jedoch auch eine gesetzlich zulässige Weiterleitung von gesammelten personenbezogenen Daten an die VR China nach Möglichkeit vermieden werden.
Auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland soll chinesisches Recht nicht angewandt werden, sondern ausschließlich deutsches Recht gelten. Als Gerichtsstand für strittige Fragen soll ein deutsches Gericht bestimmt werden. Es empfiehlt sich daher eine entsprechende Rechtswahl- und Gerichtsstandsklausel in die Kooperationsvereinbarungen aufzunehmen.
Bei Abschluss oder Verlängerung einer Kooperationsvereinbarung der VR China mit einer akademischen Institution in Deutschland (z. B. Einrichtung eines Konfuzius- Instituts) sollen – falls vorhanden – die chinawissenschaftlichen Einrichtungen dieser Institution angehört und bei den Planungen beteiligt werden.
Inhalte von Kooperationsvereinbarungen mit der VR China sollen innerhalb einer deutschen akademischen Institution transparent offengelegt werden.
Unterhält eine Unterabteilung einer Dachinstitution (z. B. Universität) eine Kooperation mit der VR China (z. B. Konfuzius-Institut), so bleibt für andere Abteilungen derselben Dachinstitution die Freiheit der Forschung und Lehre völlig unbeeinträchtigt und wird von der Leitungsebene geschützt. Das beinhaltet insbesondere Forschungsinhalte, Wortwahl, Forschungsergebnisse und deren Veröffentlichung, Inhalte von Websites, Personalentscheidungen, Organisation und Inhalte von Lehrveranstaltungen usw.
Die Verwendung von Drittmitteln (einschließlich nicht monetärer Zuwendungen, Schenkungen usw.) aus der VR China erfolgt nur für Forschung, Lehre und kulturellen Austausch. Jegliche Mittel oder Zuwendungen für Privatreisen oder nicht forschungs- bzw. lehrbezogene Honorare werden zurückgewiesen.
Im Bereich des curricularen Unterrichts (Bachelor/Master-Studiengänge, Zertifikatsstudiengänge usw.) bleibt die Freiheit der Lehre unbeeinträchtigt. Durch die Kooperation mit China unbeeinflusst bleiben insbesondere die Wahl der Lehrwerke (z. B. im Chinesisch-Unterricht), der unterrichteten Schriftzeichen (traditionelle bzw. ver- einfachte Schriftzeichen) und die Auswahl des Lehrpersonals im Sprachunterricht. Die Entscheidungsbefugnis über Kursinhalte und Lehrmethoden liegt vollends bei der deutschen Seite.
Die Freiheit der Partnerwahl bleibt für die jeweiligen akademischen Institutionen bestehen. Eine Kooperation mit der VR China führt zu keinen Ausschlusskriterien, insbesondere nicht nach Land oder Region.
Die Verwendung der von der VR China zur Verfügung gestellten Drittmittel erfolgt transparent und in Einklang mit den jeweiligen für die Institutionen geltenden Bestimmungen und Regelungen sowie unter ordnungsgemäßer Beteiligung der verant- wortlichen institutionsinternen Gremien (z. B. Universitätsleitung, Fakultätsrat und Senat).
Spezifische, die Freiheit der Forschung und Lehre einschränkende Bedingungen (u. a. bei Personalentscheidungen, Verlinkung von Inhalten, Nutzung von Lehrmaterialien etc.) werden zurückgewiesen. Dadurch soll eine (politische) Vereinnahmung durch Organe der VR China verhindert werden.
Als politische Vereinnahmung wird u. a. verstanden: öffentliche, einseitige Unterstützung von nicht kooperationsbezogenen (ggf. propagandistischen) Positionen der chinesischen Regierung bzw. der Kommunistischen Partei Chinas sowie die Verlinkung oder Weiterleitung von nicht kooperationsbezogenem Material der VR China.
Bei Veröffentlichungen ist darauf zu achten, dass internationale wissenschaftliche Standards eingehalten werden. Autoren, Herausgeber oder Institutionen, die eine Veröffentlichung in der VR China anstreben, müssen sicherstellen, dass Modifikationen von Publikationen mit den jeweiligen Autoren vor der Veröffentlichung abgesprochen werden.
Bei strittigen Fällen und bei Beeinflussungsversuchen der VR China im Bereich der Forschung und Lehre – unabhängig davon, ob diese innerhalb einer mit der VR China kooperierenden Einrichtung oder an anderer Stelle auftreten – wird die Institutsleitung, eine Ombudsperson zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, der Ethik-Rat oder eine vergleichbare Anlaufstelle informiert. Diese Stellen unterstützen auch einen Projektgeldnehmer, wenn er sich ggf. von dem Projekt zurückziehen muss, weil es Konflikte o. ä. gibt. Als Beispiele hierfür gelten: vollzogene oder angedrohte Visa-Sperren für Wissenschaftler; Beschwerden der chinesischen Botschaft oder der chinesischen Studierendenvereinigungen über Inhalte von Webseiten, Lehr- veranstaltungen oder wissenschaftlichen Publikationen; geforderte Ausladung von Gastrednern oder eine geforderte Änderung von Vortragstiteln.
Die Freiheit der Meinung, Forschung und Lehre von (Gast-) Studierenden und (Gast-) Wissenschaftlern aus der VR China wird ausdrücklich gewährleistet. Die Einrichtung bemüht sich nach besten Kräften, die Betreffenden gegen Versuche der Einflussnahme aus der VR China zu schützen und benennt im Bedarfsfalle Anlaufstellen, die betroffenen Personen Unterstützung gewähren.
Um einen transparenten Austausch auf Augenhöhe zu unterstützen, soll überprüft werden, ob Mitglieder von Delegationen, Gastwissenschaftler/innen, Gastdozent/inn/en und Gastredner/innen aus der VR China in Deutschland auch unter ihrer tatsächlichen Funktionsbezeichnung auftreten. Insbesondere sollen Parteikader in ihrer Funktion wahrgenommen und von chinesischer Seite vorgegebene Standard- übersetzungen von Titeln und Ämtern nicht ungeprüft übernommen werden. Sofern die gastgebende deutsche Einrichtung über keine ausreichende China-Kompetenz zur Beurteilung der Sachlage verfügt, steht die Deutsche Vereinigung für China- studien e. V. (DVCS) im Rahmen ihrer Möglichkeiten beratend zur Seite.
Wegen der nicht vorhersehbaren Entwicklungen der politischen Rahmenbedingungen sollen bei bilateralen Projekten mit der VR China zumindest mittelfristig Exit- Optionen gewahrt und keine Mittel unbefristet gebunden werden.