Orthographie
Jean Pauls Orthographie
Zur Orthographie des jungen Jean Paul (1782-1789)*
"Aber die eigenwillige Orthographie des jungen Richter ist doch ein zu charakteristischer Zug, als daß er verwischt werden dürfte, und außerdem ist der periodische Wechsel in der Orthographie [...] eines der wichtigsten Hilfsmittel zur Datierung der Handschriften. Übrigens ist Jean Pauls Orthographie zwar eigenwillig, aber keineswegs willkürlich, sie folgt, wo sie vom Herkömmlichen abweicht, meist wohlüberlegten Grundsätzen, und man liest sich daher bei einigem guten Willen rasch in sie ein." (Eduard Berend, Vorwort zur zweiten Abteilung, in: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. 2.Abteilung, 1.Band, Ausgearbeitete Schriften (1779-1782). Weimar, 1928, S.X)
1. Vereinfachung der Doppelkonsonanten im Auslaut und vor Konsonanten
Von Berend als Haupteigenschaft der Schreibweise des jungen Jean Paul definiert, überwiegt in den Exzerptheften die Vereinfachung der Doppelkonsonanten bis 1804. Auch Fremdwörter und Eigennamen unterliegen zunächst streng dieser Regel, erst ab1786 finden sich hier vereinzelte Ausnahmen. z.B.: Begrif, zurük, gewis, Schlus, wil, unnüz, iezt Schiksal, Samlung, Irthümer, solte, bekant, gefast, läst Pasquil, Rebel, Zimmerman, Lapland Regelmäßige oder häufige Ausnahmen sind: denn, wenn, Herr
2. Doppelkonsonanten zwischen Vokalen
Für ck, und tz zwischen Vokalen schreibt Richter kk oder k, zz oder z z.B. Augenblikke/Augenblike, Fakkel/Fakel, sezzen/sezen, Kazze/Kaze, Nuzzen/Nuzen, Grundsäzze/Grundsäze Für ß steht stehts ss: z.B. schiessen Erst Ende 1789 erfolgt der Übergang von kk/k zu ck; für tz und ß stehen auch weiterhin zz/z und ss.
3. Wechsel von dt d und t
Verkürzung von dt zu d: Neben Stadt, Schwerdt und Anverwandte auch: Stad, Schwerd, Anverwande
4. Wechsel zwischen g und ch
Diminutivsilbe -gen neben -chen: Theilgen, Samenthiergen
Ableitungssilbe -lig neben -lich: mannigmal, almählig, Fröligkeit; Ölich, steinich, adelich
Ableitungssilbe -igt neben -icht: schattigt, steinicht
5. Wechsel zwischen Schreibvarianten des s (deutsche Schrift)
6. Ersatz von j und y durch i
Bis 1790 (bei Berend für die ausgeführten Nachlass-Texte ab 1791) wird j in der Regel durch i substituiert. 1790 stellt ein Übergangsjahr dar, in dem Jean Paul beide Schreibweisen verwendet: iede/jede, iüdisch/jüdisch Ausnahme: Eigennamen werden stets mit j geschrieben: Björnstahl y nur in Fremdwörtern und Eigennamen: Satyre neben Satire, Bayle neben Baile
7. Dehnungs-h und th
Ab November 1780, beginnend mit dem Exzerptband 1b10, bis 1783 erfolgt häufig eine Aus- bzw. Weglassung des Dehnungs-h: z.B. warnemen, one, Teile, Tier, änlich, merere, fülende, Iarhundert.
Eine Ausnahme bildet wol, das Jean Paul bereits ab 1778 neben wohl verwendet.
Regelmäßig ausgenommen bleiben nur die Possessivpronomina ihr, ihm und ihn(en), wenn sie allein steht häufig auch die Interjektion oh.
In Fremdwörtern und Eigennamen erfolgt mitunter die Tilgung von h nach t und r: z.B. Teologie, Partei, Kateder, Tron, Rinozeros, Aten, Pytagoras, Labyrint
8. Doppelvokale
Eine Vereinfachung der Doppelvokale tritt in den Exzerptheften erstmals am Ende von 1b09 (1780) auf: z.B. Schos (noch 1785 in 2a08), As (noch 1785 in 2a07), Sal (noch 1783 in 2a03), Los (noch 1783 in 2a03); sogar Schne (noch 1782 in 2a01) und Kaffe (noch 1796 in 4a12).
Zugleich wird jedoch auch die Verwendung der Doppelvokale fortgesetzt.
9. Gebrauch von ie
Häufig: Giebt, fieng, gieng, hieng
Die Ableitungssilbe -iren erscheint bis Ende 1789 dagegen oft mit einfachem i: kopiren, studiren, phantasiren
10. Wechsel zwischen i und ü
Neben den Formen mit i bzw. ü auch: Würklich, würken, verdrüslich, küzzeln, betriegt
11. Wechsel zwischen ä und e
Gränze, Stätigkeit, Vorältern, läugnen, Stängel, ächt, verläumden, Lerm, Ermel, Scherpe
12. Wechsel zwischen ai und ei
Krais, Saife, baizen, Getraide, Papagai
13. Eindeutschung der Fremdwörter
Ersetzung von c durch k bzw. z, auch in Eigennamen: z.B. Kartesius, Kalvin, Zizero
Vor der Endsilbe -ion wird t zu z: z.B. Reformazion, Distinkzion
Häufig wird Ch im Anlaut durch K substituiert: Karakter, Kronologen; jedoch stets Christus, christlich etc.
In französischen Wörtern erscheint zuweilen ä für ai: rässonnieren, Schimäre; ü für u: Miniatür, Nüance
Für y tritt zuweilen ein i ein: Baile, Pigmäen
14. Große und kleine Anfangsbuchstaben
Richter folgt hier keinen festen Regeln, so daß viele Inkonseqenzen und Korrekturen vorkommen. Majuskel und Minuskel sind nicht immer deutlich zu unterscheiden. Betontes wird häufig groß geschrieben: der Eine, in Einem Zusammengesetzte Adjektive mit Substantiv am Beginn zuweilen groß geschrieben: Strafenswürdig, Sternvollen Substantivierte Adjektive mit vorausgehendem Artikel meist groß: das Gute, Böse, Wahre, ein Gutes, Böses, Wahres etc. Substantivierter Infinitiv meist großgeschrieben: das Studiren, Zweifeln, Prüfen etc.
15. Verbindung und Trennung der Wörter
Feste Regeln sind auch hier nicht erkennbar: z.B. willkürlicher Wechsel von soviel und so viel, destomer und desto mer etc. In zusammengesetzten Substantiven stehen die Bestandteile zuweilen unverbunden nebeneinander: z.B. Tier Mensch, Greisen Alter
16. Gebrauch des Apostrophs
Anstelle von elidiertem oder apokopiertem e steht in der Regel der Apostroph, wo er fehlt, liegt meist Nachlässigkeit vor: z.B. hatt', werd', könt', Aug' Am Wortanfang erscheint Apostroph z.B. in 's, ‚'was (=etwas), im Wortinneren vereinzelt in d'raus oder d'räun Ausgeprägter Gebrauch des aus es, das oder sie verkürzten angelehnten s': z.B. scheint's, geht's. Ebenso: bei'm In Eigennamen wird der Apostroph vor dem s des Genitivs oder Plurals, dem n des Dativs und der Adjektivendung -scher gebraucht: z.B. Cicero's, Luther'n, Lessing'scher In vokalisch auslautenden Fremdwörtern steht oftmals der Apostroph vor dem Genitiv- und Plural-s: Genie's, Kerl's * Diese Ausführungen zur Orthographie Jean Pauls gehen auf die Angaben Eduard Berends in den Lesarten-Apparaten der Nachlaß-Bände seiner historisch-kritischen Jean-Paul-Ausgabe zurück. Zusammenstellung: Sabine Straub.