Tierversuche an der JMU
Viele Errungenschaften auf dem Gebiet der Medizin beruhen auf Ergebnissen, die zuvor durch Tierversuche erzielt worden sind. Das gilt zum Beispiel für Impfstoffe gegen zahlreiche Infektionskrankheiten und für Medikamente wie Antibiotika, aber auch für Erfolge auf dem Gebiet der Chirurgie und Medizintechnik. Trotz des breiten Einsatzes und der dynamischen Weiterentwicklung von Ersatzmethoden sind Tierversuche auch heute noch eine wesentliche Voraussetzung für Fortschritte in der medizinischen und biologischen Grundlagenforschung sowie bei der Entwicklung von Medikamenten und sicheren Therapien.
Dabei sind sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehr wohl bewusst, dass tierexperimentelle Forschung mit Belastungen für Tiere verbunden ist. Es gilt also, beste wissenschaftliche Qualität und möglichst hohe, ethisch vertretbare Tierschutzstandards gleichermaßen sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund arbeiten die Forscherinnen und Forscher der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) nach dem 3R-Prinzip (Replace, Reduce, Refine, also vermeiden, verringern, verbessern), das strenge Regeln festlegt. Konkret heißt das: Tierversuche dürfen nur durchgeführt werden, wenn nachweislich keine anderen geeigneten Methoden zur Verfügung stehen. Zudem sind Anzahl und Belastung der Versuchstiere auf ein notwendiges Maß zu reduzieren.
In diesem Sinne trägt die JMU dem Tierschutz durch vorbildliche Tierhaltung, sachgerechte Ausbildung der beteiligten Personen sowie sorgfältige Planung und Durchführung der Versuche Rechnung. Die Tierschutzbeauftragte unterstützt hierbei durch Beratung und Kontrollen.
Damit Sie sich einen besseren Eindruck über die Situation an der JMU verschaffen können, haben wir im Folgenden häufige Fragen und Antworten sowie Zahlen zu Tierversuchen in unserer Forschung zusammengestellt.
Häufige Fragen
Um Krankheiten erfolgreich zu bekämpfen, müssen wir grundlegende Funktionsweisen des menschlichen Organismus verstehen. Dies ist für die Entwicklung von neuen Medikamenten und Therapien unerlässlich. Bei Tieren funktionieren zahlreiche Zellprozesse genauso wie bei Menschen, weshalb viele menschliche Krankheiten auch bei Tieren auftreten.
Tierversuche sind dabei unerlässlich, weil sich die hoch komplexen Ganzkörperreaktionen mit einer unbekannten Anzahl von beteiligten Zelltypen, Organen und biologischen Reaktionen im Labormodell immer noch nicht vollständig nachstellen lassen.
Nur Wirkstoffe und Verfahren, die sich in einer Reihe von gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen in Tier bewährt haben, dürfen letztlich als potentielle neue Medikamente und Therapien am Menschen überhaupt erprobt werden.
Hierbei gilt stets: Erst nachdem wir in intensiven Voruntersuchungen am Computermodell und anhand von Zellkulturen und Gewebeproben mögliche Mechanismen oder Ansätze für neue Therapieformen und Medikamente erfolgreich identifiziert haben, erproben wir die vielversprechendsten Wirkstoffe auch an Tieren.
Genehmigungspflicht
Tierversuche dürfen nur nach behördlicher Genehmigung durchgeführt werden und unterliegen der ständigen Kontrolle durch die zuständigeTierschutzbeauftragte der Universität Würzburg, die Regierung von Unterfranken und das städtische Veterinäramt.
Das heißt, alle wissenschaftlichen Projekte an der Universität, bei denen Tiere involviert sind, bedürfen einer intensiven Prüf- und Vorbereitungsphase, werden durch eine unabhängige Ethikkommission begutachtet und erst nach erfolgreicher Prüfung behördlich genehmigt.
3R-Prinzip als gesetzliche Grundlage zur Genehmigung von Forschungsvorhaben
Für eine Genehmigung müssen die Anforderungen des sog. 3R-Prinzip (Reduktion, Refinement und Replacement), die im Tierschutzgesetz und der Tierschutz-Versuchstierordnung verankert sind, hinreichend erfüllt sein. Ob die Kriterien des 3R-Prinzips erfüllt sind, wird durch die zuständigen Landesbehörden kritisch auf Grundlage des jeweils aktuellen Wissenstandes überprüft, bevor sie eine Genehmigung für die tierexperimentelle Arbeit erteilen:
- Replace: Die Möglichkeit einer Anwendung von Alternativmethoden muss geprüft und ausgeschlossen sein.
- Replacement: Die Anzahl an Versuchstieren muss auf das kleinstmögliche Maß reduziert sein.
- Refinement: Die Belastung für die involvierten Tiere muss so gering wie möglich gehalten werden.
Unsere Forscherinnen und Forscher müssen außerdem nachweisen, dass ihre wissenschaftliche Fragestellung neu ist und bisher nicht in einem Tierversuch erprobt wurde.
Unabhängige Kontrollen
Zudem wird die Einhaltung aller Vorschriften und Auflagen bei der Durchführung von Untersuchungen an den Tieren mehrmals im Jahr durch die neutrale Tierschutzbeauftragte der Universität Würzburg vor Ort kontrolliert. Das Veterinäramt ist ebenfalls berechtigt, unangekündigt Ortsbegehungen vorzunehmen.
Im Tierschutzgesetz ist festgelegt, dass Tierversuche nur von Personen geplant und durchgeführt werden dürfen, die über die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen. Hierzu zählen Fachleute aus Veterinär-, Human- sowie Zahnmedizin und Biologie, die eine spezielle amtlich anerkannte Zusatzqualifikation erworben haben.
Unter anderem bei Untersuchungen zu Tumorerkrankungen, neurologischen Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Multipler Sklerose oder Muskelschwund, in der Infektions-, der Schmerz- oder der Schlaganfallforschung, bei der Entwicklung neuer Implantate, für die Weiterentwicklung der Stammzelltherapie, bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, in der Immunologie, bei psychiatrischen Erkrankungen und vielem anderen mehr helfen uns Tierversuche, die zugrunde liegenden Mechanismen besser zu verstehen und darauf basierend neue Therapien zu entwickeln.
Von Erkenntnissen der modernen Medizin profitieren heute bereits Millionen von Patientinnen und Patienten. Die gewonnenen Erkenntnisse kommen zudem auch der Tiermedizin zugute. So werden Insulin und die meisten Antibiotika in ähnlicher Weise auch bei kranken Tieren eingesetzt.
Wissenschaftliche Entdeckungen an der Universität Würzburg
Durch den Einsatz von Tieren in der Grundlagenforschung an der JMU konnten bereits wichtige medizinische Fortschritte erzielt werden:
- Gewinnung von monoklonalen Antikörpern zur Diagnostik menschlicher Krankkeiten und Therapie von Krebs- und Autoimmunerkrankungen
- Entwicklung von Antikörpern in der immunologischen Forschung zur Therapie von Melanomen
- Entwicklung von Impfstoffen mit sog. Dendritischen Zellen zur Therapie von Tumorerkrankungen
- Ursachenforschung von altersbedingter Degeneration peripherer Nerven
Es existieren bereits eine Vielzahl an Alternativmethoden. Deren Weiterentwicklung und Erprobung wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Auf der Webseite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) finden Sie weitere Informationen zur Förderung von Alternativmethoden.
Erforschung von Alternativmethoden an der JMU
Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten intensiv daran, neue Alternativ- und Ergänzungsmethoden zu entwickeln. Einerseits aus ethischen Gründen, aber auch aus Gründen der Effizienz. So sind alternative Methoden häufig kostengünstiger und in der Regel weniger zeitintensiv als Tierversuche.
So greifen wir bereits auf viele Alternativverfahren wie zum Beispiel Untersuchungen von Zell- oder Gewebekulturen oder spezielle Bildgebungsverfahren und Computersimulationen zurück.
Auszeichnung für die Erforschung alternativer Methoden
Die Initiative „Europäische Partnerschaft für alternative Ansätze zu Tierversuchen“ (EPAA) zeichnet mit dem 3R Science Prize wissenschaftliche Arbeiten aus, die dabei helfen, Tierversuche zu ersetzen, zu reduzieren oder zu verbessern. So ging 2018 die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung an Dr. Antje Appelt-Menzel vom Lehrstuhl für Tissue Engineering und Regenerative Medizin des Uniklinikums Würzburg.
Wir legen sehr großen Wert auf Gesundheit, Sauberkeit und Wohlbefinden unserer Tiere, denn nur so können wir qualitativ hochwertige sowie zuverlässige Forschungsergebnisse erhalten. Die Haltung, Pflege und Ernährung unserer Versuchstiere erfolgt entsprechend den Vorgaben des Tierschutzgesetzes art- und verhaltensgerecht.
Die Tierhaltungsbereiche sind nur intensiv geschultem wissenschaftlichem Personal nach eingehender Einweisung, dem pflegerischen Personal sowie der Tierschutz- und Sicherheitsbeauftragten der Universität zugänglich.
Unabhängige Kontrollen
Das Wohlergehen der Tiere sowie die Einhaltung aller Vorschriften und Auflagen wird mehrmals im Jahr durch die neutrale Tierschutzbeauftragte der Universität Würzburg vor Ort kontrolliert. Das Veterinäramt ist ebenfalls berechtigt, unangekündigt eine Ortsbegehung vorzunehmen.
Beispiele zur Tierhaltung an der Universität Würzburg
Das größte Tierhaus befindet sich im Zentrum für Experimentelle Molekulare Medizin (ZEMM).
Im Institut für Virologie und Immunbiologie stehen drei Bereiche mit zwölf Räumen zur Verfügung. So werden zum Beispiel Mäuse und Ratten in transparenten Kunststoffkäfigen gehalten, die mit Holz- oder Zellulosegranulat eingestreut werden, um natürliche Bewegungsmuster und das allgemeine Wohlbefinden der Tiere zu fördern.
Die nach neusten Standards aufgebaute Tierhaltungsanlage des Rudolf-Virchow-Zentrums und Instituts für molekulare Infektionsbiologie umfasst neun Räume für die Zucht und Haltung von Mäusen, zwei Eingriffsräume sowie einen großen Bereich für die hygienische Aufbereitung der Käfige, die Abfallentsorgung und Lagerräume für die Vorräte an Einstreu, Nistmaterial und Futter für die Tiere.
In §1 des Deutschen Tierschutzgesetzes (TierSchG) steht der zentrale Grundsatz: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Laut §7 TierSchG sind Versuche an Wirbeltieren lediglich dann erlaubt, wenn die zu erwartenden Schmerzen, Leiden oder Schäden der Tiere hinsichtlich des Versuchszwecks ethisch vertretbar sind.
Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind verpflichtet, Untersuchungen grundsätzlich nur unter Betäubung oder mit der Gabe von Schmerzmitteln durchzuführen, wenn Schmerzen für die Tiere zu erwarten sind. Eine Ausnahme ist nur dann zulässig, wenn die Narkose für das Tier zu belastend wäre.
In der universitären Lehre kommen primär alternative Methoden zum Einsatz. In einzelnen Lehrveranstaltungen im Fachgebiet Physiologie, Anatomie und Entwicklungsbiologie sind Versuche an Tieren aktuell noch Bestandteil der Ausbildung.
Aktuelle Daten zum Tierverbrauch und Einsatz von Alternativen im Studium an der JMU finden Sie u.a. im Ethik-Hochschulranking, einer alljährlichen Erhebung des Bundesverbandes Menschen für Tierrechte.