GSiK-Tag 2019: All* of us.
Studentische Tagung vom 23. November 2019 zu Gender und sozialer Ungleichheit
Die soziale Konstruiertheit von Geschlecht sichtbar machen. Macht und Ungleichheiten sehen und benennen. Mit der Ordnung brechen. Neue Freiheiten schaffen. Geschlechterverhältnisse umschreiben - gerade, weil sie sozial konstruiert sind. Das sind anspruchsvolle Ziele des Gender-Diskurses. An deren Grundlagen wollen wir an der studentischen Tagung „All* of us.“ arbeiten.
Denn egal, ob eine Person sich als weiblich, männlich, trans*, inter*, neutral, variabel, queer, … benennt: Wir alle verhalten uns in irgendeiner Weise zu Geschlecht. Niemand steht außerhalb von Geschlecht. Alle haben Geschlecht. Wir können aus Geschlechterverhältnissen nicht hinaustreten. Unsere Lebenswelt wird geformt und definiert durch Geschlecht. Sie gibt vor, nach welchen Mustern wir uns entsprechend unseres Geschlechts zu verhalten haben, um in die Gesellschaft zu passen.
Dass dadurch soziale Ungleichheit entsteht und reproduziert wird, ist einer der Gründe, warum es Feminismus in all seinen möglichen Facetten seit inzwischen über einem Jahrhundert gibt. Hinzu kommt, dass Geschlecht nicht die einzige Ungleichheitsvariable ist, sondern intersektional mit weiteren Faktoren verwoben ist. Darauf hat Sojourner Truth mit ihrer anklagenden Frage „Ain‘t I a woman?“ bei einer Veranstaltung weißer Feministinnen bereits 1851 aufmerksam gemacht. Zunehmend zeigt sich: Unterdrückung ist nicht ein-, sondern multidimensional. Der Kampf dagegen ebenso. Feminismus ist keine Bewegung für Frauen. Feminismus setzt sich für Gleichberechtigung und Selbstbestimmung aller Geschlechter ein!
Am GSiK-Tag habt ihr die Möglichkeit, einen Tag lang mit Kommiliton*innen und Expert*innen aus verschiedenen Fachrichtungen zu diskutieren, neue Impulse zu bekommen und Eure Ansichten einzubringen. Herzliche Einladung!
Der Ablauf
Der GSiK-Tag 2019 wird durch einen Vortrag der Politikwissenschaftlerin Dr.'in Gundula Ludwig eröffnet. Er gibt erste Impulse zum Themenkomplex.
In der Workshopphase wird ein (fach-)spezifischer Aspekt in Kleingruppen vertieft. Ihr könnt dabei aus verschiedenen Workshops einen wählen. Im anschließenden Gender-World-Café gibt es Raum, um sich über die verschiedenen Workshopinhalte auszutauschen und diese zu verknüpfen. Studentische Expert*innen aus den Workshops stehen dabei abwechselnd für Fragen bereit.
Die Abschlussdiskussion bringt alle erneut zusammen und gibt schließlich den Raum, über den Tag entstandene Fragen gemeinsam zu diskutieren.
Insgesamt können am GSiK-Tag 3 Punkte für das GSiK-Zertifikat erworben werden.
Das Programm
Die Anmeldung zu den Workshops erfolgt über WueStudy. Wie gewohnt kannst Du Prioritäten entsprechend Deiner Themeninteressen angeben. Vortrag und Podiumsdiskussion sind fester Bestandteil der Tagung, benötigen aber keiner gesonderte Anmeldung.
Registrierung: Bitte registriere Dich vor der Veranstaltungseröffnung ab 9:00 Uhr. Bitte komm nicht zu knapp, da vor allem kurz vor Schließung der Registrierung mit Wartezeiten am Empfang zu rechnen ist. In der halben Stunde bis zur Eröffnung kannst Du Dich auch mit einem Kaffee stärken.
Workshops
Isabella Kölz, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Würzburg
„Das grundsätzlichste und wichtigste Anliegen der Geschlechterforschung ist die Infragestellung „natürlicher“ Geschlechtsunterschiede und der durch sie legitimierten gesellschaftlichen Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen.“1
Im Workshop versuchen wir ausschnitthaft über historische Beispiele und Quellen aufzuzeigen, wie Geschlechterordnungen und zweigeschlechtliche Vorstellungen um „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“ in Europa entstanden sind, wie sie sich etabliert haben und woher unsere gegenwärtigen Vorstellungen vom Leben und "Wesen" von Männern und Frauen kommen. Die Beschäftigung mit unterschiedlichen historischen Definition und Deutung von Geschlecht führt dabei zu epistemologischen Fragen danach, woher wir wissen, was wir über Geschlechter(ordnungen) wissen, in welchem Verhältnis wir „Natur“ und „Kultur“ denken (und gedacht haben) und bildet somit einen wichtigen Teil postmoderne Wissenschaftskritik, wenn anhand historischer Quellen deutlich wird, dass auch (und vielleicht im Besonderen) Diskurse, Wissensbestände und Vorstellungen der Naturwissenschaften spezifisch historisch gewachsen und damit nicht objektiv oder „natürlich“ sind.
1 Claudia Opitz-Belakhal: Geschlechtergeschichte. Frankfurt/New York 2010, S. 39.
Fachbereich: Europäische Ethnologie/Volkskunde.
GSiK-Bereiche: C, D
Danyel Büyükaşık, Lehramtsstudent an der Universität Würzburg.
In diesem Workshop beschäftigen wir uns mit der Konstruktion des »Muslims« und deren Wandel von einer orientalistischen Begierde zu einer vermeintlichen Gefährdung neoliberalistischer Freiheiten. Dabei schauen wir uns an, wie Rassifizierung und Männlichkeitskonstruktionen interagieren und wo sie im Verhältnis zu weißer „Männlichkeit“ stehen. Letztlich stellen wir uns folgende Fragen: „Wer ist »der Muslim« in einem gedachten europäischen Raum? Was sind Einschreibungen in die Sexualität des muslimischen Mannes? Können diese Einschreibungen subversiv gegen die Rassifizierung, gegen das ‚zu dem Anderen gemacht werden‘, genutzt werden? Wie kann diese Konstruktion gequeert werden? Was gibt es für Widerstandsformen?“ Es sind alle willkommen, die sich gerne kritisch mit Rassismus, Genderkonstruktionen und Intersektionalität beschäftigen aber auch jene, die noch keine Erfahrungen in diesem Bereich haben.
Fachbereich: fächerübergreifend
GSiK-Bereich: A, D
MissMutig
MissMutig versteht sich als queer*feminstische Aktionsgruppe (flint*only), die neben (Party‑)Awarenessarbeit auch Demos, Infostände, Bildungs- und Abendveranstaltungen organisiert.
„Awareness Arbeit“ etabliert sich in der queer*feministischen Bewegung als konkrete politische Praxis, der Reproduktion von alltäglichen Diskriminierungen entgegen zu wirken sowie eine Kultur des Miteinanders zu schaffen, in der sich alle Menschen wohl fühlen können. Eigene Grenzen und die anderer Menschen wahrzunehmen, ist dabei eine notwendige Voraussetzung. In unserem Workshop werden wir verschiedene Diskriminierungsformen mit alltäglichen, grenzüberschreitenden Situationen zusammendenken und Umgangsstrategien entwickeln, wie wir als Betroffene, aber auch als alliierte Personen auf diskriminierendes Verhalten reagieren können. Dabei werden wir auch selbstkritisch über eigene Privilegien und unser Verständnis von Konsens reflektieren. Ziel des Workshops ist, für diskriminierendes und/oder grenzüberschreitendes Verhalten zu sensibilisieren und Teilnehmer*innen zu ermutigen, sich im eigenen Alltag sowie persönlichen Umfeld für ein achtsames Miteinander einzusetzen.
Fachbereich: fächerübergreifend
GSiK-Bereich: A, D
Laura Zapfe & Lea Goldan vom AK Gender der Universität Würzburg.
Der Workshop behandelt in Anlehnung an die Veranstaltungsreihe des AK Gender im Wintersemester 2019/20 das Thema der gendergerechten Sprache. Anhand verschiedener Diskussionsimpulse werden Vor- und Nachteile sowie Chancen und Risiken gendergerechter Sprache reflektiert. Der Workshop gibt den Teilnehmenden die Möglichkeit, sich mit diesem hochaktuellen und gesellschaftlich relevanten Thema auseinanderzusetzen, um eine eigene und fundierte Position zu entwickeln. Die Teilnehmenden sind dazu aufgefordert, sich aktiv durch Diskussionsbeiträge in den Workshop einzubringen.
Fachbereich: fächerübergreifend
GSiK-Bereich: A, D
Jennifer Danquah, Lehrbeauftragte der Universität Würzburg.
Eine Straßenkreuzung mit der Verwobenheit von Diskriminierungserfahrungen gleichzusetzen und über eine strikte Trennung von Rassismus und Sexismus hinauszugehen – hier ist Kimberlé Crenshaws Ansatz der Intersektionalität anzusiedeln. Intersektionalität verdeutlicht die Verwobenheit verschiedener Kategorien, wie Gender, Klasse und Hautfarbe, die die Positionierung einer Person in der gesellschaftlichen Ordnung beschreibt. Mit Hilfe dieser theoretischen und methodischen Brille gibt es somit die Möglichkeit multiple Diskriminierungserfahrungen sichtbar zu machen.
In diesem Workshop werden wir soziale Ungleichheitsverhältnisse mit der intersektionalen Sichtweise betrachten und reflektieren. Dabei wird von der Genderforschung ausgegangen und anschließend die geschichtliche sowie die aktuelle sozialpolitische Perspektive untersucht.
Ihr habt Interesse daran, euch mit dem Konzept der Intersektionalität auseinanderzusetzen, es zu hinterfragen und weiterzudenken? Dann sehen wir uns im Workshop!
Fachbereich: fächerübergreifend
GSiK-Bereich: A, B
Dr. Maria Luisa Mariscal de Körner, Lehrbeauftragte der Universität Würzburg.
Die Mehrzahl der Hochschulabsolventen ist weiblich. Kaum ein Unternehmen kann es sich leisten, diese Zielgruppe der weiblichen High Potentials außer Acht zu lassen. Dazu erlangt das Unternehmen mit Frauen in Führungspositionen besseren Zugang zu den Konsumentinnen auf Absatzmärkten, verschafft sich Flexibilität und leitet notwendige Innovationen der Produkte und Dienstleistungen ein.
Die Unternehmen benötigen das Know-how von Frauen, insbesondere von Frauen in Führungspositionen oder solchen, die das Potenzial haben, dorthin zu kommen. Doch wie können Unternehmen Frauen nicht nur gezielt gewinnen und binden, sondern auch befähigen, weitere Karriereschritte zu machen?
An dieser Stelle ist es an der Personalentwicklung, Ideen zu generieren und diese unternehmenspolitisch so zu platzieren, dass sie nachhaltig umgesetzt werden.
Die Teilnehmenden erhalten einen Überblick über die aktuelle Forschung zu Frauen in Führungspositionen und gängige Fördermethoden im deutschen Unternehmensalltag. Sie reflektieren ihre Unternehmenskultur und Unternehmenspolitik zum Thema Frauenförderung.
Fachbereich: Wirtschaftswissenschaft
GSiK-Bereich: C, D
Dr. Thomas Gesterkamp, Politikwissenschaftler und Buchautor.
Sind Männer, die Gleichstellung befürworten „Feministen“? Die Konzepte von Geschlechterpolitik unterscheiden sich. Viele Akteure wollen nicht nur „einbezogen“ werden, sondern ihre Anliegen selbst vertreten – ohne wie Antifeministen die Schuld bei den Frauen zu suchen.
Fachbereich: fächerübergreifend
GSiK-Bereich: A, D
Prof.‘in Elisabeth Schömbucher-Kusterer, Professorin an der Universität Würzburg.
Die Kategorie tritiya prakriti, "drittes Geschlecht", bezeichnet bereits in den frühesten indischen Texten Personen, die sich nicht innerhalb des binären Geschlechtssystems verorten. In Deutschland beschloss das Bundeskabinett am 15. August 2018, dass mit der Kategorie „drittes Geschlecht“ Personen, die sich nicht im binären Geschlechtssystem verorten, eine weitere Möglichkeit haben, sich in das Personenstandsregister eintragen zu lassen. Außer m (männlich), w (weiblich) existiert nun d (divers).
Während Transgender Personen in Indien als drittes Geschlecht in einem dritten Raum leben, mit eigenem rituellen und gesellschaftlichen Status, leben Transgender Personen in Deutschland weitgehend im binären heteronormativen Raum. Transsexualität wird als medizinisches Phänomen betrachtet, das mit geschlechtsangleichenden Therapien behandelt werden kann. Beide normativen Systeme werden jedoch zunehmend von den betroffenen Akteuren kritisch hinterfragt.
In dem Workshop werden die unterschiedlichen kulturellen Konzepte und die unterschiedlichen Differenz- und Ungleichheitserfahrungen im Zusammenhang mit dem Begriff „drittes Geschlecht“ aufgezeigt.
Fachbereich: Indologie
GSiK-Bereich: C, D