Inklusion in der Lernwerkstatt
07/16/2013Mit Physik und Mathematik befassten sich zwei inklusive Schulklassen bei Projekten in der Lernwerkstatt des Instituts für Sonderpädagogik. Für Lehramtsstudierende eine gute Gelegenheit, praxisnah zu arbeiten: Sie haben die Projekte vorbereitet und durchgeführt.
Die Heuchelhof-Grundschule in Würzburg ist eine von aktuell 86 Schulen in Bayern, die das besondere Profil „Inklusion“ besitzen. Das heißt: Kinder mit und ohne Behinderungen werden dort gemeinsam unterrichtet, und zwar jeweils im Tandem von einer Grundschullehrkraft und einer Lehrkraft aus der Sonderpädagogik. So ist es möglich, auch Kinder mit schweren Behinderungen in einen entsprechend angepassten Grundschulunterricht einzubinden.
Für zwei inklusive Klassen aus der Heuchelhof-Grundschule haben Studierende der Sonderpädagogik und des Grundschullehramtes in diesem Sommersemester Projekte zum gemeinsamen Unterricht vorbereitet und durchgeführt.
Neue Räume für die Lernwerkstatt
Erstmals konnten sie dabei die neuen Räume der Lernwerkstatt des Instituts für Sonderpädagogik nutzen. Die Einrichtung war bislang Gast in der Teilbibliothek am Wittelsbacherplatz und verfügt nun im selben Gebäude über fakultätseigene Räume.
Der Vorteil daran: „Die Seminarräume sind jetzt auch während der Vorlesungszeit voll nutzbar“, erklärt Walter Goschler, Leiter der Lernwerkstatt. So seien nun kontinuierliche Projektangebote für Schulklassen möglich.
Stationen für heterogene Gruppen
In einem Projekt mit der Heuchelhof-Grundschule haben die Studierenden das Thema „Strom“ für Kinder der vierten Jahrgangsstufe aufbereitet. Zuerst wurden die Lernausgangslagen erfasst und weitergehende Interessen erfragt. Auf dieser Grundlage bereiteten die Studierenden dann 17 Stationen vor, die sich für heterogen zusammengesetzte Kleingruppen eignen.
Dabei achteten sie einerseits darauf, die Arbeitsanweisungen und Arbeitsblätter in differenzierter Form anzubieten – viel Text für gute Leser, weniger Text für schwächere Leser, Bilder und Piktogramme für Nichtleser. Andererseits gründeten viele Stationen auf einem handlungsorientierten Angebot, das für alle Kinder zugänglich war und sich ebenfalls differenziert bearbeiten ließ.
Was an den Stationen gelernt wurde
Die Schüler bauten verschiedene Stromkreise auf, lernten in Experimenten Leiter und Nichtleiter kennen, setzten sich in Versuchen mit den Wirkbereichen elektrischer Energie auseinander oder ergründeten die Funktionsweise von Batterien. Fachbegriffe und Gefahren im Umgang mit Strom kamen dabei ebenso zur Sprache wie Aspekte der Stromerzeugung und ökologische Überlegungen.
Als Wunschthema hatten die Kinder oft „Blitze“ genannt. Darum kam – neben den handlungs- und experimentorientierten Materialien der Lernwerkstatt – auch ein Van-de-Graaff-Generator des Physikalischen Instituts zum Einsatz. Mit diesem Gerät lassen sich kleine Blitze erzeugen.
Stimmen von Teilnehmern
„Durch das Seminar ‚Aktiv-entdeckendes Lernen im Sachunterricht‘ konnten wir Studenten unsere Lehrkompetenz nicht nur ausbauen, sondern auch handelnd erproben. Besonders lehrreich und motivierend war die sehr aktive Ausrichtung des Zugriffs auf das Lernthema Strom, wie er im normalen Schulalltag so leider nur selten anzutreffen ist. Und genauso wie die Kinder haben auch wir vieles über Strom dazu gelernt“ (Johannes Schwarzkopf, Student).
Die Kinder äußerten sich unter anderem so: „Man konnte viel ausprobieren“, „Tolle Experimente: Strom hörbar, Blitze, alternative Energie“.
Umgang mit großen Mengen
Das zweite Projekt „Mathematikhaltige Gegenstände in großen Mengen“ (Magro) wurde für Kinder der ersten Jahrgangsstufe konzipiert. Obwohl der Grundschullehrplan für dieses Alter den Zahlenraum bis 20 vorsieht und die Lehrpläne der sonderpädagogischen Förderschwerpunkte sich an den individuellen Voraussetzungen der Kinder orientieren, wurde hier Wert auf einen handelnden Umgang mit großen Mengen gelegt.
Die Kinder konnten sich mit 600 Münzen, 250 Augenwürfeln in verschiedenen Farben oder mit Holzwürfeln und Patternblocks auseinandersetzen. Auch kontinuierliche Mengen, wie Flüssigkeiten in verschiedenen Gefäßen, waren im Angebot. Zudem galt es, geometrische Erfahrungen mit Geobrettern zu machen.
Die unterschiedlichen Mengen wurden den Kindern in einem Spannungsfeld zwischen Instruktion und Konstruktion angeboten. Das bedeutet: „Bei einem ersten Termin konnten sich die heterogen zusammengesetzten Kleingruppen relativ frei mit den Materialien befassen. Bei einem Folgetermin wurden an den Stationen dann definierte Aufgaben gestellt, die aber im Sinne der Differenzierung als nach oben offene Lernumgebungen aufbereitet waren“, so Goschler.
Stimmen von Teilnehmern
„Im freien Umgang mit dem Material haben die Schülerinnen und Schüler intuitiv mathematische Handlungen gezeigt, obwohl das Verständnis und Bewusstsein dafür bei ihnen noch nicht vorhanden ist. Dieser intuitive Zugang zur Mathematik bietet eine wichtige Voraussetzung für bewusste und geplante Prozesse. Unsere Beobachtungen haben außerdem gezeigt, dass der Umgang mit großen Mengen einen motivierenden Charakter hat und die Kommunikation und Kooperation zwischen den Schülern anregen kann.“ (Ines Breckner, Studentin)
„Das Projekt der Lernwerkstatt hat mir einen völlig neuen Blickwinkel bei der Betrachtung von mathematischen Materialien ermöglicht. Wichtig war nicht, wie sonst, das Ergebnis, das die Schüler am Ende vorweisen können, sondern das Interesse, das sie an dem Material haben. Und dieses war enorm! Es hat mich erstaunt, mit welcher Neugier und Energie die Schüler mit den ‚Unterrichtsgegenständen‘ umgehen.“ (Adrienne Bosch, Studentin)
Fazit des Projektleiters
Walter Goschler, der die Projekte initiiert und begleitet hat, sieht darin eine Win-win-Situation: „Für die Studierenden, weil sie sich aktiv mit der Planung und Durchführung von Unterrichtssequenzen für heterogene Gruppen auseinandersetzen und dabei mit Studierenden aus anderen sonderpädagogischen Fachrichtungen und anderen Lehrämtern zusammenarbeiten. Und für die Schülerinnen und Schüler, weil sie sich mit hochwertigen Unterrichtsmaterialien und handlungsorientierten Stationen auseinandersetzen können.“
Kontakt
Walter Goschler, Institut für Sonderpädagogik, T (0931) 31-89118, walter.goschler@uni-wuerzburg.de