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Teaching

King Curry mit Affe auf der Schulter

06/10/2014

Er ist Musiker, Sänger, Komponist, Manager und Moderator: Jetzt war Henning Wehland zu Gast an der Universität Würzburg. In einem Seminar im Studiengang Medienkommunikation diskutierte er mit Studierenden über die Frage, wie Musik dazu beitragen kann, die Welt zu verbessern.

Erst 15 Jahre gefeiert und dann bei den Söhnen Mannheims gelandet: Henning Wehland (l.) hat das Seminar von Nicolas Ruth besucht. (Foto: Gunnar Bartsch)

Rockmusik ist Sex und Drogen und Gewalt. Im Pop dreht sich alles um Liebe und die eigene Befindlichkeit. Und der Schlager gaukelt eine heile Welt vor. Weiß doch jeder. Oder stimmt das etwa nicht? Gibt es auch im Rock Lieder, die ihre Zuhörer dazu auffordern, die Welt zu verbessern? Mit welchen Themen beschäftigen sie sich? Und wer hört diese Musik?

Mit diesen und vielen weiteren Fragen beschäftigen sich in diesem Semester rund 20 Studierende der Medienkommunikation in dem Seminar mit dem programmatischen Titel „Heal The World. Normativität in der populären Musik“. Und wer könnte ihnen besser Auskunft geben als ein Mann, der Millionen von Schallplatten verkauft hat, rund fünf Jahre lang durchgehend auf Welttournee war und jetzt unter anderem Mitglied der Söhne Mannheims ist, einer Band, die auch für ihr soziales Engagement ausgezeichnet wurde?

Henning Wehland – ein vielseitiger Musiker

Die Rede ist von Henning Wehland – Gründer und Frontmann der Band H-Blockx, Sänger bei den Söhnen Mannheims, Moderator, Manager und einem breiten Publikum vermutlich bekannt als Mitglied der Jury bei der Casting-Show The Voice Kids. Der 42-Jährige war auf Einladung des Seminarleiters Nicolas Ruth für einen Tag nach Würzburg gekommen; im Zentrum für Mediendidaktik stand er den Studierenden Rede und Antwort, bot Einblicke in die Komponistenwerkstatt – und brachte dabei manch idealistische Vorstellung zum Platzen.

„Der Xavier improvisiert seine Texte häufig, wenn wir im Studio etwas ausprobieren. Hinterher weiß er dann gar nicht mehr, was er gesungen hat. Da ist es ganz gut, dass wir immer ein Aufnahmegerät mitlaufen lassen. Die Botschaft kommt dann später dazu.“ „Xavier“ ist natürlich Xavier Naidoo, Gründungsmitglied der Söhne Mannheims und bekannt für sein Engagement für Christentum und Nächstenliebe in seinen Liedtexten.

Dementsprechend überrascht diese Aussage Henning Wehlands ein wenig – nachdem die Studierenden gerade das Lied „Das hat die Welt noch nicht gesehen“ interpretiert und einen starken Appell für Freiheit, Toleranz, Liebe und Nächstenliebe darin entdeckt hatten. Ein Widerspruch ist das trotzdem nicht: „Man denkt beim Texteschreiben nicht ständig daran, was man damit sagen will“, erklärt Wehland. Aber im Grunde versuche jeder Musiker eine Botschaft zu transportieren.

Erste Erfolge mit H-Blockx

Seit bald 25 Jahren steht Henning Wehland im Musikgeschäft und hat in dieser Zeit sehr viele Facetten kennen gelernt. Die großen Erfolge mit H-Blockx: „Mein Ziel war es, Musik zu machen und möglichst viel zu feiern. Das hat 15 Jahre lang geklappt“, sagt er. Da stand das Motiv, die Welt zu verbessern nicht unbedingt im Vordergrund. Wenn Liedtexte Raum für Interpretationen lassen, findet Wehland das gut. Wenn aber Nazi-Skinheads diesen Spielraum für ihre Ansichten nutzen, ist auch bei ihm eine Grenze überschritten. Dann zettelt die Band schon mal eine Schlägerei vor der Bühne an und muss später mit Polizeischutz die Stadt verlassen – so geschehen auf einem Konzert in den USA.

Mit H-Blockx hat Wehland auch erlebt, was es bedeutet, wenn nach vielen Jahren auf Tournee plötzlich der Erfolg bröckelt. „Du kommst dir lange Zeit vor wie King Curry und denkst, das geht immer so weiter. Bis die Leute auf einmal nix mehr von dir wissen wollen.“ Kein Wunder, dass Musiker und Drogen häufig eine enge Verbindung eingehen und Depressionen bei ihnen keine Seltenheit sind. Wehland, der im Musik-Business extrem gut vernetzt ist, weiß jedenfalls, wer momentan gerade stationär in Behandlung ist oder wer sie schon hinter sich hat.

Der schwierige Start einer Solo-Karriere

Die Erfahrungen aus dieser Zeit fließen in Wehlands aktuelles Projekt ein – ein Soloalbum, in dem er sich intensiv mit der eigenen Persönlichkeit auseinandersetzt. Zwei Demo-Versionen dieser Kompositionen spielt er den Studierenden vor. Haben sie „normativen Charakter“, will er damit die Welt verbessern? „Eigentlich überhaupt nicht. Oder doch? Doch, eigentlich schon!“, lautet seine zögerliche Antwort. In dem Lied „Der Affe und ich“ bietet Wehland jedenfalls einen tiefen Einblick in seine Erfahrungen; es geht um Alkohol und „die Dämonen, die einen verfolgen, wenn man ein paar Jahre zu heftig gefeiert hat“, sagt er. Wer will, kann das Lied also als Warnung vor dem Alkohol interpretieren.

Allerdings habe er beim Texten definitiv nicht an das Publikum gedacht; aus dem Unterbewusstsein sei die Musik entstanden, erzählt er den Studierenden. Und hinterher habe er festgestellt, dass der Text mehr über ihn selbst aussage, als er eigentlich zeigen wolle. Fragt sich nur noch, ob das Publikum den Song überhaupt zu hören bekommen wird. In der Plattenfirma habe man ihm jedenfalls deutlich gesagt, dass das Lied Hitqualität besitze – „aber nicht mit diesem Text!“, so Wehland.

Soziales Engagement mit den Söhnen Mannheims

Eindeutig mit normativem Charakter: Das gilt für die Musik der Söhne Mannheims. „Wir verstehen uns als politische Band und versuchen, auf Dinge aufmerksam zu machen, die sonst unter den Teppich gekehrt werden“, sagt Henning Wehland. Das Engagement der Musiker reicht aber weit über ihre Liedtexte hinaus: Sie unterstützen beispielsweise die Arbeit von World Vision Deutschland und von Amnesty International und fordern ihre Fans dazu auf, selbst tätig zu werden: „Erhebt eure Stimme gegen die Armut!". Darüber hinaus hat die Band den Verein „Aufwind“ ins Leben gerufen, der sich gegen Kinderarmut in sozialen Brennpunkten Mannheims engagiert.

Aus Sicht des Texters und Komponisten ist dieses Engagment konsequent, schließlich entstehe Musik immer aus einer Form der Unruhe heraus, sagt Henning Wehland. Auslöser dieser Unruhe könne Verliebtheit sein, Aggression oder auch eine Verzweiflung angesichts des Zustands der Welt, der Politik oder des Nachbarviertels. In solchen Momenten sei Musik ein gutes Ventil. Und wenn es dann noch gelinge, eine emotionale Bindung zu den Zuhörern aufzubauen, sei der Erfolg zwar nicht garantiert, aber doch in greifbarer Nähe.

Ein guter Rat zum Schluss

Feiern und Spaß haben, das eigene Ich ausloten, die Welt verbessern: Henning Wehland hat bei seinem Besuch an der Universität Würzburg gezeigt, welch unterschiedliche Facetten das Leben und die Arbeit eines Musikers und Komponisten haben können. Sein Rat zum Schluss an die Studierenden: „Musik braucht nicht immer so viel Interpretation!“

Das Seminar

In dem Seminar erforschen Studierende, wie viele „Weltverbesserer“ es in der Popmusik gibt, wer solche Musik gerne hört und ob diese Art von Musik eine Wirkung auf die Hörer hat. Dabei geht es um Lieder mit politischen, sozialen, ökologischen oder idealistischen Inhalten, die eventuell auch einen normativen, also weisenden Charakter haben – die also die Menschen dazu auffordern, etwas zu verbessern. Ein bekanntes Beispiel für diese Songkategorie ist „Heal The World“ von Michael Jackson. Nach diesem Song hat Dozent Nicolas Ruth sein Seminar auch benannt.

Nicolas Ruth, Jahrgang 1986, hat Musikwissenschaft an der Universität Gießen und „Populäre Musik und Medien“ an der Universität der Informationsgesellschaft in Paderborn studiert. Seit 2012 ist er an der Universität Würzburg wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Mensch-Computer-Medien im Bereich Medien- und Wirtschaftskommunikation. Seine Interessens- und Forschungsschwerpunkte: Populäre Musik und Medien, Musikpsychologie, Rezeptions- und Wirkungsforschung, Musikmanagement.

Kontakt

Nicolas Ruth, T: (0931) 31-81716; nicolas.ruth@uni-wuerzburg.de

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