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Komplexe Mathematik – einfach und inklusiv

01/27/2015

Wie kann man Schülern mit einem besonderen Förderbedarf im Bereich der geistigen Entwicklung komplexe mathematische Inhalte und Muster nahebringen? Das haben Lehramtsstudierende der Uni Würzburg in einem Projekt der Lernwerkstatt Sonderpädagogik untersucht – und in der Praxis erprobt.

Mathematik muss nicht rein abstrakt sein. Die Lernwerkstatt zeigt, dass sich auch komplexe Fälle anschaulich darstellen lassen. (Foto: Lernwerkstatt)

Zehn Schüler der Christophorus-Schule Würzburg, einem Förderzentrum mit dem Schwerpunkt „Geistige Entwicklung“ haben vor Kurzem ein Angebot der Lernwerkstatt Sonderpädagogik der Universität Würzburg wahrgenommen und dafür ihren Mathematikunterricht für zwei Vormittage an den Wittelsbacherplatz verlegt. Dort konnten sich die im Durchschnitt neun Jahre alten Kinder an sechs Stationen mit einer speziellen „mathematischen Bastelei“, dem sogenannten Pascal’schen Dreieck, auseinandersetzen – hier sogar in seiner verschärften, dreidimensionalen Variante. Vorbereitet wurden die Vormittage von Studierenden aus den Studiengängen Lehramt Grundschule und Lehramt Sonderpädagogik im Rahmen eines Mathematik-Seminars der Lernwerkstatt. Unterstützung fanden die Seminarteilnehmer bei dem betreuenden Dozenten Walter Goschler und bei der ehemaligen Lehrerin der inklusiven Heuchelhof-Grundschule Maria Kauczok.

Das Prinzip des Pascal’schen Dreiecks

In seiner zweidimensionalen Version folgt das Pascal’sche Dreieck einem regelmäßigen Muster: An seiner Spitze steht eine Eins, links und rechts darunter folgen in der zweiten Reihe ebenfalls zwei Einsen. In den sich darunter anschließenden Reihen, die jeweils um zwei Ziffern in der Breite wachsen, gilt das Prinzip: Jede Zahl bildet die Summe der jeweils links und rechts in der Reihe über ihr stehenden Zahlen. In der dreidimensionalen Variante gilt das gleiche Prinzip.

In der Lernwerkstatt haben sich die Schüler in einem ersten Schritt mit den Größenmaßen und Längeneinheiten des dreidimensionalen Modells auseinandergesetzt, um dann den Aufbau des Dreieckes nachbilden zu können. Dabei repräsentierten Holzstäbe unterschiedlicher Länge die Zahlenwerten des Dreiecks: Dem Zahlenwert 8 entsprach ein acht Zentimeter hoher Holzstab, dem Zahlenwert 70 ein 70 Zentimeter langer Stab. Anhand der Größenvergleiche waren die Schüler schnell in der Lage, das Dreieck aufzubauen und den Aufbau in der zweidimensionalen Papierform anhand der Zahlenwerte nachzuvollziehen.

An sechs Stationen in den Zahlenraum über 100

In weiteren Stationen haben die Schüler beispielsweise die sich von Zeile zu Zeile verdoppelnden Zeilensummen erforscht. Neben der Dynamik von Zweier-Potenzen konnten sie sich dabei mit mehrgliedrigen Additionsaufgaben auseinandersetzen. Anhand der Zahlen des Zweier- und Fünfer-Einmaleins konnten sie außerdem Muster im Dreieck finden.

Bei all diesen Stationen stand das Handeln und Ausprobieren am Anfang; erst nach und nach folgte dann die Überführung in mathematische Operationen und somit zunehmende Abstrahierung. Dabei konnten einzelne Kinder bis in den Zahlenraum über 100 vordringen. „Durch die spezielle didaktische Aufbereitung der Stationen konnten sich alle Schüler mit den mathematischen Angeboten auseinandersetzen, was die didaktische Tragfähigkeit des Angebots als Inklusionsmaterial belegt“, sagt Walter Goschler.

Lob von der Lehrerin

Das bestätigt auch die Lehrerin der Christophorus-Schüler Karin Ebert: „Ich fand es sehr interessant zu sehen, wie alle Schüler von dem Material fasziniert waren und zunehmend dessen Aufbau erkannt haben und mathematische Zusammenhänge herstellen konnten – und zwar Jeder auf seinem Niveau“. Jeder Schüler habe dabei entsprechend seiner Fähigkeiten arbeiten und Neues entdecken können.

Gute Noten von den Studierenden

Auch die Studierenden waren von dem Projekt der Lernwerkstatt angetan. So sagte Mariella Wohlfeil, Sonderpädagogik-Studentin im vierten Semester: „Es war natürlich eine große Herausforderung an uns, die Themen des Pascal‘schen Dreiecks didaktisch so aufzubereiten, dass es die Schüler mit dem Förderschwerpunkt ‚Geistige Entwicklung‘ verstehen und behalten, da in solchen Klassen eine große Heterogenität herrscht. Ich finde, wir haben alles insgesamt gut gemeistert und können stolz auf uns sein, dass alles so gut geklappt hat und die Kinder viel Spaß hatten. Dies zeigt, dass solche Projekte von der Lernwerkstatt sehr nützlich und hilfreich sind, nicht nur für uns Studenten, sondern auch für die Schüler, die daran teilnehmen.“

Roxana Makor studiert im ersten Semester für das Lehramt an Grundschule. Ihr habe das Seminar einen großartigen didaktischen und methodischen Fortschritt gebracht, sagt sie. „Durch die intensive Beschäftigung mit dem Thema und die professionelle Betreuung bei der Projektdurchführung konnte ich Mathematikunterricht als ein unbeschwertes Lernerlebnis kennenlernen. Diese einmalige Erfahrung hat meine Freude an Mathematik gestärkt und meinen Horizont, auch was die Inklusionsmöglichkeit betrifft, erweitert“, so Roxana.

Johanna Heider, Sonderpädagogik-Studentin im vierten Semester, hat vor allem die Begeisterung der Kinder gefallen – nachdem Schüler sonst eher selten Spaß am Mathematikunterricht haben. „Das Seminar hat mir auf jeden Fall gezeigt, dass man auch scheinbar trockene Inhalte so aufbereiten kann, dass die Schüler sie gern bearbeiten. Die Lernwerkstatt bietet die Möglichkeit, im sonst oft sehr theorielastigen Studium Praxiserfahrungen zu sammeln“, sagt sie. Nach zwei Semestern Mathedidaktik sei es noch schwer, konkrete Unterrichtsstunden vorzubereiten. In dem Seminar der Lernwerkstatt habe sie Ideen sammeln, Unterrichtsentwürfe ausprobieren und Material kennenlernen können. „Diese Erfahrung ist sicherlich bei der künftigen Unterrichtsplanung sehr nützlich!“, so Johanna Heider.

Kontakt

Walter Goschler, Lernwerkstatt des Instituts für Sonderpädagogik, T (0931) 31-89118, walter.goschler@uni-wuerzburg.de

Zur Homepage der Lernwerkstatt

Literaturtipp

Im ersten Halbjahr 2015 wird ein Beitrag zu den inklusiven Möglichkeiten des Pascal’schen Dreiecks erscheinen:

Goschler, Walter (2015): Gemeinsames Lernen in heterogenen Gruppen – Das Pascalsche Dreieck im Spannungsfeld zwischen Individualisierung/Differenzierung und gemeinsamen Lernen.

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