Mutig nach vorne blicken
12/01/2020Der universitätsweite Tag der Lehre steht für Wertschätzung und Sichtbarkeit der Lehre und stellte 2020 das Thema „Lehren und Studieren in Coronazeiten – Möglichkeiten der Online-Lehre“ in den Mittelpunkt.
In diesem Jahr wurde die Veranstaltung „Tag der Lehre“ aufgrund der Corona-Situation ins Internet verlegt und mit einem umfangreichen Online-Programm in verschiedensten Formaten angeboten. „Unter den aktuellen Rahmenbedingungen ist ein besonderes Anliegen, sich gegenseitig zu unterstützen und miteinander die Möglichkeiten und Auswirkungen der Online-Lehre zu diskutieren“, kündigten die Vizepräsidentinnen Ulrike Holzgrabe und Andrea Szczesny den universitätsweiten Tag an.
Präsenz als Auslaufmodell?
„Wir müssen das Beste aus den medialen Bedingungen machen, die aufgrund der momentanen Situation entstehen“, unterstreicht Professor Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, während der virtuellen Talkrunde zum Auftakt des Tages der Lehre mit dem Thema „Präsenz als Auslaufmodell? Lehren und Studieren am Küchentisch oder im Hörsaal?“. Seiner Meinung nach komme es in der Lehre nicht vorrangig auf die Art der Medien an, sondern auf ihre sinnvolle Verwendung: „Medien sind wertneutral, das war auch schon vor Corona so. Auch Wandtafel und Kreide garantierten keine gute Lehre.“
Dabei zeichnet Alt ein eher positives Bild, vor allem im Hinblick auf Vorlesungen. Untersuchungen zufolge gebe es gerade hier eine große Zufriedenheit aufseiten der Studierenden und Lehrenden. „Wir haben in der Lehre lange die Illusion gehegt, dass das Lerntempo aller Anwesenden einer Vorlesung gleich sei – was nicht der Fall ist“, unterstreicht er. „Online-Formate können helfen, diese Unterschiede auszugleichen, Texte können angehalten, Links nachgeschlagen, Informationen sofort geprüft werden.“
Soziale Komponenten nicht aus den Augen verlieren
Neben der Stoffvermittlung und dem Medieneinsatz besitzt Lehre aber auch eine wichtige soziale Komponente: „Problematisch ist der fehlende direkte Kontakt bei Lehrveranstaltungen“, empfindet die Vizepräsidentin Professor Ulrike Holzgrabe die Einschränkungen, die bei der Lehre auf virtuellen Plattformen herrschen. „Vor allem bei großen Veranstaltungen mit vielen stummgeschalteten Teilnehmenden hat man oft das Gefühl, ins ‚Nichts‘ zu sprechen“.
Ausbleibende Reaktionen auf das Gesagte – wie Mimik oder spontane Äußerungen – führen dazu, dass Lehrende oft schwer abschätzen können, ob und wie der Stoff bei Studierenden ankommt. Auch der informelle Kontakt zu Mitarbeitenden, ein kurzes Gespräch auf dem Flur oder ein Treffen in der Teeküche fehlen zurzeit.
Auch aufseiten der Studierenden machen sich die Corona-bedingten Änderungen in Forschung, Lehre und Alltag bemerkbar: „Der Zugang zu neuen Technologien spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle“ erläutert Dr. Yasmin Djabarian, Programmmanagerin beim Stifterverband im Hochschulforum Digitalisierung. „Erschwert wird das Studium vor allem durch den Rückgang von Nebenjobs und auch zunehmende soziale Isolation.“ Ihren Einschätzungen zufolge erfahren 60% der Studierenden durch die Pandemie negative Auswirkungen in diesen Bereichen.
Chancen und Risiken
Eine Erfahrung, die Chantal Beck bestätigen kann: „Auch aus den Fachschaften kamen zu den technischen Zugangsvoraussetzungen wenig problematische Rückmeldungen“, so die Master-Studentin, die momentan ein Studiensemester in Schweden absolviert. Schwieriger ist in ihren Augen die Abgrenzung von Universität und Freizeit. „Die Grenzen verschwimmen zusehends, man braucht ein gutes Zeitmanagement.“
Nutzt man alle angebotenen virtuellen Inhalte, wie Quellenprüfung, kann aus einer einst eineinhalbstündigen Präsenz-Vorlesung zukünftig rasch eine mehrstündige Online-Veranstaltung werden – dazu kommen dann noch Vor- und Nachbereitung. Ihr hat es vor allem das Prinzip des „Inverted Classroom“ angetan. „Darin werden Inhalte einer Vorlesung selbst erarbeitet. In Präsenzkursen geht es dann verstärkt um den fachlichen Austausch und Verständnisfragen.“ Solche Methoden könnten langfristig – auch nach Coronazeiten – als attraktive Modelle in der Lehre bestehen bleiben.
Pausen nicht vergessen!
Pausen strukturieren die Arbeitszeiten und sind wichtig für die körperliche und psychische Regeneration. Die wichtige Trennung von Arbeit und Pausen wurde am Tag der Lehre vorbildlich umgesetzt. In den je halbstündigen Pausen zwischen den Vorträgen und Workshops bot Dr. Andreas Petko vom Sportzentrum der Uni Würzburg praktische Übungen an. Unter dem Motto „Schmerz lass nach“ absolvierte er mit den Teilnehmenden ein sportliches Programm, das vor allem der Belastungen des langen Sitzens am Schreibtisch entgegenwirkt.
Für eine Abwechslung musikalischer Art sorgte David Saam mit seiner „Elefantösen Musik zu Kaffee und Tee“. Wer den Geist fliegen lassen oder das Tanzbein schwingen wollte, kam zu Liebesliedlyrik mit finnischem Walzer und fränkischen Texten ebenso auf seine Kosten, wie zu thailändischen Elefantensongs, die Saam mit hiesigem Highspeed-Volkstanz paarte.
In einer virtuellen Kaffeeküche trafen sich Teilnehmende, um die Inhalte des Tages der Lehre Revue passieren zu lassen, Fragen zu stellen und sich zu vernetzen. Hier standen in Diskussionsrunden vor allem Themen der Übertragung von neuen, spontan eingerichteten Verfahren in zukünftige Lehrkonzepte im Vordergrund.
Neues ausprobieren – Bewährtes bereichern
Zahlreiche Vorträge und virtuelle Workshops boten den Teilnehmenden Einblicke in neue Techniken und Lehrkonzepte – die vielfach auch gleich ausprobiert werden konnten. Ob elektronische Prüfungs- und Lernkontrollverfahren, kreative Nutzung von Breakout-Sessions im Rahmen größerer Veranstaltungen oder der Einsatz aktivierender Methoden in der Live-Online-Lehre – den zahlreichen Teilnehmenden stand ein breites Feld an Workshops und Seminaren offen und sie nutzten dabei vielfach die Chatfunktionen für den kollegialen Austausch.
Dabei wurde auch deutlich: Zu neuen Lehr- und Lehrformen gehört mehr als der Einsatz technischer Hilfsmittel und die reine Verlagerung in virtuelle Welten. Daher begleitete ein informatives Vortragsangebot den Tag der Lehre: Hier lernten Lehrende aus allen Fakultäten die Fallstricke des digitalen Urheberrechts ebenso kennen wie elektronische Prüfungsformen oder die virtuellen Angebote der Universitätsbibliothek. Themen, die die Vereinbarkeit von Präsenzzeiten, wie Labor-Praktika, mit der Online-Lehre darstellten, wurden ebenso diskutiert, wie Möglichkeiten und Grenzen bei der Unterstützung von Lehre durch Videoclips.
Die Frage, welche kurzfristig eingeführten virtuellen Techniken und Methoden sich langfristig im Lehrbetrieb etablieren könnten, wurde anhand zahlreicher Good Practice-Beispiele interdisziplinär betrachtet. Auch die Frage, wie man Erstsemesterstudierenden den Zugang zum Studium trotz Hybridsemestern erleichtern könne, nahm einen breiten Raum ein.
„Es war ein interessanter Tag der Lehre und technisch hat ja alles bombe funktioniert“, sagt ein Teilnehmer. „Je reibungsloser sowas abläuft, umso mehr weiß ich, wieviel Arbeit dahintersteckt. Großes Lob! So ein Tag hat ja dann etwas gebracht, wenn man drei bis vier neue Dinge gelernt hat, die man auch wirklich interessant findet und weiter beherzigt. Das habe ich!“
Nach den informativen Stunden, die die Lehrenden mit Vorträgen, Diskussionen und Vernetzung verbrachten, schloss der Tag der Lehre mit einem bunten Abendprogramm, in dessen Rahmen die Universitätsleitung gemeinsam mit dem Fachschaftenrat den „Studentischen Preis für herausragende Lehre 2020“ vergab.
„Sexy Science“ – Kabarett mit ernsten Untertönen
Abgerundet wurde der Abend von der unterhaltsamen Vorlesung „Sexy Science“ des bekannten Kabarettisten und Physikers Vince Ebert, der sein Studium an der Universität Würzburg absolviert hat. In seinem Programm betrachtete er auf witzige Weise und mit ernsten Untertönen den Stellenwert der Wissenschaft in der Gesellschaft, blickte kenntnisreich auf das Nerdtum und karikierte skurrile Forschungsbereiche.
„Brauchen wir“, so seine provokante Frage ans Publikum im Live-Stream, „nicht nur im Hinblick auf Corona vielleicht mehr Menschen in öffentlichen Debatten, die naturwissenschaftliche Positionen vertreten?“ Sein abschließender Appell an die Zuschauerinnen und Zuschauer lautete: „Wir müssen mutiger und optimistischer werden!“ Ein gutes Motto für die Herausforderungen der Zukunft, nicht nur in Forschung und Lehre.
Website, Kursraum und Interview
Weitere Eindrücke vom Veranstaltungstag zeigt auch die Bildergalerie auf der Website „Tag der Lehre“.
Der WueCampus-Raum „Tag der Lehre 2020“ bleibt geöffnet und bietet weiterhin die Möglichkeit, sich in den Foren auszutauschen oder Material aus den Sessions herunterzuladen.
Vor dem Auftritt mit „Sexy Science“ wurde ein Interview mit dem Alumnus und Kabarettisten Vince Ebert geführt.
Kontakt
Diana Maschek, Referat A3, T: +49 931 31-87278, und Annette Popp, Pressestelle, T: +49 931 31-88459, Mail: tagderlehre@uni-wuerzburg.de