Operation am virtuellen Knie
07/01/2014Als erstes Krankenhaus in Deutschland setzt die Orthopädische Klinik König-Ludwig-Haus einen neu entwickelten Simulator ein, der ein virtuelles Training der Kniegelenksspiegelung ermöglicht. Medizinstudenten und angehende Orthopäden können dort die endoskopische „Schlüsselloch"-Chirurgie trainieren.
Auf den ersten Blick sieht das Kniegelenk gut aus: Der Knorpel weist keine Verletzungen auf, seine Oberfläche ist glatt und weiß. Erst ein Schwenk mit der Kamera macht das ganze Ausmaß der Zerstörung sichtbar: Das Kreuzband ist zerrissen, ein paar büschelförmige Reste lassen erkennen, wo es ursprünglich angesetzt hatte. Und auch der Meniskus ist eingerissen. Für den Operateur sind die nächsten Schritte klar: Über ein kleines Loch an der Seite des Knies führt er eine winzige Zange in das Gelenk ein und trennt Stück für Stück die defekten Anteile des Meniskus ab. Anschließend entfernt er mit einer Art „Mini-Sauger“ diese Stücke aus dem Gelenkspalt.
Neues Angebot für Studierende und Assistenten
„Das haben Sie sehr gut gemacht. Sie können sicher auch Chirurg werden“, lobt Dr. Stephan Reppenhagen den Operateur. Der ist allerdings gar keiner, sondern studiert Medizin gerade mal im achten Semester. Momentan absolviert er gemeinsam mit seinen Kommilitonen das orthopädische Praktikum. Zu dessen Bestandteilen gehört neben dem Untersuchungskurs, einem Gipskurs und einer Einführung in die Sonographie seit Neuestem auch ein praktisches Training der Arthroskopie – der Kniegelenksspiegelung.
„Wir wollen auf diesem Weg mehr Praxis in das Medizinstudium bringen und nebenbei auch ein wenig Werbung für das Fach Orthopädie treiben“, erklärt Reppenhagen. Der Mediziner ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie am König-Ludwig-Haus und Spezialist für arthroskopische Operationen; gemeinsam mit dem Oberarzt Privatdozent Dr. Thomas Barthel betreut er den Schwerpunkt für Sportorthopädie und arthroskopische Operationen – und den neuen Simulator.
Der Knie-Simulator ArthroS
Vor wenigen Monaten hat die Orthopädische Klinik König-Ludwig-Haus unter Leitung von Professor Maximilian Rudert in Kooperation mit der Firma VirtaMed den ersten Knie-Simulator vom Typ „ArthroS“ in Deutschland in Betrieb genommen. Er wird zur operativen Ausbildung von Studenten und Assistenten eingesetzt und erweitert ein bestehendes Trainingslabor, in dem bisher lediglich mit regulären Kniegelenks- und Schultergelenksmodellen gearbeitet wurde.
Ein künstliches Knie, ein Monitor und die typischen Instrumente sind die Kernstücke des Simulators. Ein feiner Stab, an dessen Ende eine Kamera sitzt, sendet Live-Bilder vom Gelenkinneren auf den Monitor. Die Kamera wird über einen kleinen Schnitt an der einen Seite des Knies eingeführt. Ein zweiter Schnitt auf der gegenüberliegenden Seite dient als Zugang für die Instrumente, die bei der OP zum Einsatz kommen. Auf dem Monitor kann der Operateur nicht nur das Geschehen im Gelenk verfolgen; ein anatomisches Modell daneben zeigt ihm gleichzeitig auch die Position seiner Instrumente im Knie und ermöglicht so die genaue räumliche Orientierung.
Übung ist der beste Weg zum Erfolg
„In erster Linie viel Übung“ ist nach den Worten von Stephan Reppenhagen erforderlich, damit eine Arthroskopie erfolgreich abläuft. Weil diese Übung heute kaum noch im OP zu kriegen sei – „dort ist einfach zu wenig Zeit für eine intensive Anleitung von Anfängern“, sagt der Mediziner – sei der Simulator der ideale Weg, angehenden Orthopäden Trainingsmöglichkeiten zu bieten. Unterstützt werden diese dabei von einem ausgeklügelten Simulationsprogramm. Das beginnt mit einfachen Aufgaben im Anfängermodus, in dem sich jetzt die Studierenden bewegen. Mit steigender Erfahrung nimmt der Schwierigkeitsgrad zu und führt über den Fortgeschritten- zum Expertenmodus. Dann liefert das Programm auch eine Auswertung des vorgenommenen Eingriffs. Die „Operateure“ und ihre Anleiter können unter anderem genau sehen, wie lange der Eingriff gedauert hat, wie viele Bewegungen der Instrumente überflüssig waren und wie sehr das umgebende Gewebe dabei belastet wurde.
„Chirurgen können mit ArthroS Eingriffe so lange üben, bis sie buchstäblich jede Herausforderungen im Griff haben", verspricht der Hersteller des Geräts, die Schweizer Firma Virtamed. Das ist natürlich auch für die Patienten von Vorteil: Studierende und Assistenten werden am Simulator schrittweise an die arthroskopische Chirurgie herangeführt, sie lernen verschiedenste Operationsbedingungen kennen und gewinnen im Laufe der Zeit Sicherheit. ArthroS ermöglicht es ihnen, Operationen der endoskopischen „Schlüsselloch"-Chirurgie am digital simulierten Patienten bis zur Perfektion zu trainieren. „Das virtuelle Training am Simulator ist mit moderner Technologie sicher ein Weg in die Zukunft, die Ausbildung junger Kollegen zu verbessern und zu strukturieren. Es bietet die Möglichkeit die zeitintensive Ausbildung am Arthroskop ein Stück weit aus dem Operationssaal zu verlagern und somit zunächst fundierte Erfahrungen zu sammeln, bevor die Ausbildung am Patienten beginnt. Das erhöht die Patientensicherheit und nebenbei die Effizienz der Ausbildung“, so Maximilian Rudert, Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Klinik König-Ludwig Haus, der die Anschaffung des Simulators unterstützt und ermöglicht hat.
Studie untersucht den Lernfortschritt
In mehreren Studien will die Klinik jetzt untersuchen, wie das Training aussehen muss, damit es zum größtmöglichen Erfolg führt. „Es geht um die Fragen, unter welchen Bedingungen der meiste Lernzuwachs erreicht wird“, sagt Reppenhagen. Wie oft sollte das Training stattfinden, welche Frequenz ist erforderlich, reicht das Training alleine, oder sollte es unter Anleitung stattfinden? Diese und weitere Fragen werden die Orthopäden in den kommenden Monaten untersuchen; am Ende soll dann ein Ausbildungsplan stehen, der eine zielgerichtete fundierte Ausbildung in der arthroskopischen Chirurgie ermöglicht.
Und die Studierenden? Wie fanden sie ihren ersten Eingriff am Simulator? „Es hat einem einen ersten Einblick ermöglicht“, sagt Simone Volk. Bei ihrer Famulatur in einer orthopädischen Praxis habe sie zwar die Instrumente schon mal in der Hand gehabt. Um wirklich damit arbeiten zu können, habe jedoch die Zeit gefehlt. Sie ist überzeugt davon, dass das Training am Simulator dabei hilft, ein Gefühl für die Technik zu bekommen und Sicherheit zu gewinnen.
Kontakt
Dr. Stephan Reppenhagen, T: (0931) 803-3123, s-reppenhagen.klh@uni-wuerzburg.de