Operationen in 3D verfolgen
03/25/2013In einem aufwändigen, internationalen Kurs schult die HNO-Klinik des Würzburger Universitätsklinikums seit 25 Jahren Ärzte in mikrochirurgischen Mittelohr-Operationstechniken. Zum Programm gehören auch Operationen, die live in den Hörsaal übertragen werden.
Es ist wie in einem modernen 3D-Kino: Knapp 50 Hals-Nasen-Ohrenärzte aus aller Welt sitzen mit Polarisationsbrillen in einem Hörsaal des Universitätsklinikums Würzburg. Was sie gebannt verfolgen, ist aber kein Spielfilm-Blockbuster. Sie beobachten eine dreidimensionale Liveübertragung von einer Operation am Mittelohr eines Patienten.
Die Teilnehmer des 25. Mikrochirurgischen Mittelohr-Kurses der HNO-Klinik sehen das gleiche Bild, das auch Professor Rudolf Hagen in einem benachbarten Operationssaal zeitgleich durch sein Operationsmikroskop sieht. Riesenhaft vergrößert und in brillanter HD-TV-Qualität können sie mitverfolgen, wie der Direktor der HNO-Klinik routiniert präzise Eingriffe in kleinsten Operationsarealen durchführt.
Für Anfänger und Experten
Demonstriert werden Standard-Operationen wie das Verschließen eines Lochs im Trommelfell, aber auch diffizilere chirurgische Eingriffe wie das Entfernen eines Tumors im Schädelinnern. Zu letzterem gehört das Anheben des Gehirns, ohne dass am Ende das Hörvermögen oder der Gesichtsnerv des Kranken geschädigt sind.
„Mit dieser therapeutischen Spannweite werden wir dem jeweiligen Ausbildungsstatus unserer Gäste gerecht, der vom Anfänger- bis zum Expertenniveau reicht“, berichtet Hagen.
Gäste aus Peru, Irak und Mongolei
Die von Hagen geleitete Klinik genießt seit Jahrzehnten einen Ruf, der weit über die Grenzen Deutschlands hinaus anerkannt ist. Das beweist auch ein Blick in die Teilnehmerliste des Kurses, der in diesem Jahr vom 25. bis 27. Februar stattfand: Die HNO-Fachleute kamen nicht nur aus Deutschland, Österreich, Belgien, Kroatien und der Türkei, sondern auch aus Russland, Jordanien, Peru, der Mongolei und dem Irak.
Neues Hörimplantat eingesetzt
„Um die hohe internationale Reputation auf Dauer aufrecht zu erhalten, ist es wichtig, immer up to date zu sein“, betont Hagen. „Deshalb haben wir in diesem Jahr zum Beispiel das Einpflanzen eines neuen Hörimplantats gezeigt, das den Schall über den Knochen überträgt.“ Das Gerät wurde von den Experten des Comprehensive Hearing Centers Würzburg mit einem führenden Medizintechnik-Unternehmen und den weltweit vernetzten Kooperationskliniken entwickelt. Im Jahr 2011 wurde es erstmals eingesetzt.
Bei dem jährlich stattfindenden Mittelohr-Operationskurs werden die Bilder aus dem Operationssaal von Erläuterungen in englischer Sprache begleitet – zum einen von einem ärztlichen Moderator im Hörsaal, zum anderen vom Operateur selbst. Auch Fragen aus dem Publikum beantwortet der operierende Arzt selbst.
„Natürlich übt dieses ‚Veranstaltungsformat‘ einen gewissen Druck auf den behandelnden Chirurgen aus und bedeutet für unser ganzes Team eine beträchtliche organisatorische Anstrengung“, so Hagen. „Wir könnten diesem Stress aus dem Weg gehen, indem wir einfach vorher produzierte Lehr-Videos zeigen. Aber wir glauben, dass der Live-Aspekt einer der wesentlichen didaktischen Pluspunkte unseres Kurses ist.“ Selbstverständlich holt die HNO-Klinik von allen Patienten der Schau-Operationen zuvor die Einwilligung ein.
Übertragungstechnologie als Alleinstellungsmerkmal
Nach Hagens Wissen verfügt keine andere HNO-Klinik in Deutschland über eine vergleichbare, fest installierte 3D-Übertragungsanlage. Ihre gesamte Technik wurde erst vor zwei Jahren mit Fördergeldern der Dr.-Herbert-Brause-Stiftung auf den neuesten Stand gebracht.
Training im Felsenbein-Labor
Neben den täglich gut vierstündigen Live-OPs aus zwei Operationssälen boten die drei Kurstage Vorträge von internationalen Referenten sowie Trainingssitzungen im Felsenbein-Labor. Das Felsenbein ist der Teil des Schädels, der das Mittel- und Innenohr enthält. Im Labor der HNO-Klinik konnten die Kursteilnehmer an Präparaten dieses Knochenabschnitts diverse mikrochirurgische Techniken mit Originalgeräten selbst erproben.