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Teaching

Steh auf und beweg dich!

02/10/2015

Ein selbstgebauter Datenhandschuh, Bewegungsanreize für Schreibtischarbeiter, neue Strategien für das Marketing: Die Projektarbeiten im Studiengang Mensch-Computer-Systeme beschäftigen sich mit vielen Themen. Auf einer Art Messe haben die Studierenden jetzt ihre Projekte vorgestellt.

Es geht auch billiger: der Datenhandschuh von Daniel Kneip, Jürgen Pichen und David Heidrich.

Mit einer 3D-Brille tief in die virtuelle Welt von Computerspielen eindringen: Das ist heute schon möglich. Immerhin kosten solche Geräte aktuell nur noch 350 US-Dollar. Allerdings macht sich bei den Spielern häufig nach dem ersten Aufsetzen leichte Enttäuschung breit. Denn wenn sie sich in den virtuellen Welten virtuos bewegen und Gegenstände in die Hand nehmen und bedienen wollen, sind sie immer noch auf die Hilfe von Tastatur und Maus angewiesen – die sie nun allerdings nicht mehr sehen können.

Datenhandschuhe im Handel sind zu teuer

Abhilfe könnte ein Datenhandschuh leisten, der dem Computer exakte Informationen über die Lage der Hand des Computerspielers im Raum und die Krümmung von Fingern und Handgelenk liefert. Der Rechner montiert die Hand in das Spiel; der Spieler kann dort an Lenkrädern kurbeln, Säbel schwingen oder eine Schatzkiste öffnen – fast wie in echt und ohne Vermittlung über Maus oder Tastatur. Solche Handschuhe gibt es bereits. Mit Preisen zwischen 5000 und 6000 Euro sind sie für den „normalen“ Gamer allerdings nicht erschwinglich. „Das muss auch billiger gehen“, haben sich drei Studenten des Studiengangs Mensch-Computer-Systeme gedacht und diese Idee zur Basis ihrer Studienarbeit gemacht. Jetzt stehen David Heidrich, Daniel Kneip und Jürgen Pichen in einem Seminarraum im Zentralen Hörsaalgebäude der Uni Würzburg und präsentieren ihren Prototypen der Öffentlichkeit.

Näharbeiten am Neoprenhandschuh

„Wir haben einen handelsüblichen Neopren-Handschuh für Fahrradfahrer genommen und zu unseren Zwecken umgenäht“, erklärt David Heidrich. Insgesamt 15 Sensoren sitzen nun in dem Handschuh und liefern einem Prozessor exakte Informationen darüber, welcher Finger wie weit gekrümmt ist, ob das Handgelenk gerade oder gestreckt ist, in welche Richtung die Hand sich bewegt oder dreht. Per Bluetooth gelangen diese Daten an einen Rechner. Der zaubert mit Hilfe einer von den Studenten selbst programmierten Software ein genaues Abbild der Hand auf den Monitor.

330 Euro betragen die Materialkosten für den Würzburger Datenhandschuh. „Bei einer Massenproduktion sind vermutlich 250 Euro ein realistischer Preis“, schätzt Daniel Kneipp. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg, und ein Händler hat sich ebenfalls noch nicht gemeldet. Immerhin haben die Studenten eine Einladung auf die Mainfrankenmesse im Herbst 2015 in der Tasche. Dort dürfen sie ihr Produkt erneut einem fachkundigen Publikum präsentieren. In der Zwischenzeit wollen sie ihr Werk weiter verbessern – auch wenn sie das eigentliche Ziel schon erreicht haben: eine im Studium vorgeschriebene Projektarbeit abliefern.

Der Studiengang Mensch-Computer-Systeme

Solche Abschluss- und Projektarbeiten haben Studierende der Studiengänge Mensch-Computer-Systeme und Human-Computer-Interaction zum Semesterende der Öffentlichkeit vorgestellt. Diese Studiengänge vermitteln Kenntnisse aus Informatik und Psychologie mit dem Ziel, technische Systeme für menschliche Bediener zu gestalten. Die Studierenden lernen dabei Methoden des Software-Engineering und der empirischen Evaluation von Systemen kennen. Wie vielfältig die Gebiete sind, auf denen dieses Wissen zum Einsatz kommen kann, zeigte sich im Themenspektrum der präsentierten Arbeiten.

„Steh auf und sitze weniger“, heißt das Motto von Jennifer Knött, Anna Vogel und Juri Wan. Die drei haben untersucht, wie lange Menschen während ihres Arbeitstags sitzen oder sich bewegen. Und haben sich Gedanken darüber gemacht, mit welchen Methoden man „Schreibtischtäter“ dazu bringen kann, ihren Stuhl häufiger zu verlassen.

„Dass langes Sitzen ein Gesundheitsrisiko ist, wissen die meisten Menschen“, erklärt Anna Vogel. Rückenschmerzen, Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Folge von Bewegungsmangel seien den meisten bekannt. Was viele nicht wissen – so die Untersuchung der Studierenden: Wer ständig sitzt, hat außerdem ein erhöhtes Risiko an Diabetes und Darmkrebs zu erkranken und nimmt eine erhöhte Sterblichkeit in Kauf.

Im Großraumbüro bleibt die Bewegung auf der Strecke

Eine erste Gegenmaßnahme könnte es sein, jedem Arbeitnehmer sein eigenes Büro zur Verfügung zu stellen. Denn wer alleine im Zimmer sitzt, verbringt seine Arbeitszeit durchschnittlich 5,1 Stunden sitzend und legt 4474 Schritte am Tag zurück, wie die Analyse des Teams bei einer Reihe von Arbeitgebern in der Region erbrachte. Teilen sich zwei oder drei Kollegen einen Raum, steigt die „Sitzzeit“ auf 6,9 Stunden und die Zahl der Schritte sinkt auf 2702. In einem Großraumbüro mit sechs und mehr Kollegen gewinnt die Trägheit vollends: Wer dort arbeitet, sitzt 7,3 Stunden und läuft nur noch 762 Schritte.

Dabei ließe sich nach Ansicht der Studierenden ohne großen technischen Aufwand mehr Bewegung ins Arbeitsleben bringen. Bürostühle ohne Rollen; Fußspuren am Boden, die zur Treppe führen, nicht zum Fahrstuhl; ein Stuhl, der die Sitzzeit misst und ab und zu an den Bildschirm meldet, sind nur ein paar Beispiele aus einer rund 40 Positionen umfassenden Liste, die das Team entwickelt hat. Denn dass das Wissen über die Gefahren allein nicht ausreicht, haben die drei während ihrer Projektarbeit am eigenen Leib erfahren. „Vor allem bei der Dateneingabe kam es schon mal vor, dass wir bis zu zehn Stunden vor dem Rechner gesessen sind“, sagt Juri Wan.

Die Aufmerksamkeit von Anästhesisten

Ebenfalls mit dem Arbeitsleben befasst hat sich Christoph Klöffel. Ihn hat die Frage interessiert, wie sich die visuelle Aufmerksamkeit von Anästhesisten bei der OP-Vorbereitung verteilt, je nachdem ob es ich um eine Simulation oder eine echte Situation handelt. Dafür hat er mit einem sogenannte „Eye Tracker“ die Augenbewegung der Narkoseärzte erfasst und analysiert. Seiner Hypothese nach sollte es einen Unterschied geben zwischen „echt“ und „simuliert“. Außerdem erwartet er Unterschiede zwischen erfahrenen Anästhesisten und Anfänger – allerdings nur unter realen Bedingungen. Die Projektarbeit stellt für Christoph Klöffel nur eine „Vorarbeit“ dar. In seiner Bachelorarbeit wird er das Thema vertiefen. Seine Erkenntnisse könnten dazu beitragen, das Simulationstraining, das heute in vielen Kliniken fester Bestandteil der Ausbildung ist, zu verbessern.

Wie Image-Schemata uns beeinflussen

Auf den ersten Blick sehr wenig mit dem Arbeitsleben und noch weniger mit der Interaktion von Mensch und Computer hat die Bachelorarbeit von Katja Hünig zu tun. Sie ist der Frage nachgegangen, inwieweit Menschen bestimmte Image-Schemata mit speziellen Eigenschaften verknüpfen. Klingt kompliziert, ist aber ganz einfach: Kalt und warm, groß und klein, hell und dunkel sind solche Image-Schemata, die jedem Menschen geläufig sind. „Solche Schemata verknüpfen wir häufig ganz automatisch mit bestimmten Eigenschaften“, sagt die Studentin. Wenn beispielsweise etwas „oben“ ist, ordnet ihm der Betrachter die Eigenschaft „gut“ zu, was unten ist, muss schlecht sein. Dementsprechend geht „traurig“ eher mit „schwer“ eine Verbindung ein als mit „leicht“ und „groß“ mit gebildet, nicht mit ungebildet.

Um diese These zu erforschen, hat Katja Hünig 30 Versuchspersonen jeweils 120 Entscheidungen treffen lassen – Ist der große Karton gut oder der kleine? Ist der schwere Stift traurig oder doch der leichte? – und die Ergebnisse statistisch ausgewertet. Wofür das gut ist? Möglicherweise um das Einkaufsverhalten der Menschen zu beeinflussen, indem man ihnen Waren so präsentiert, dass sie damit automatisch Positives assoziieren.

Mehr Informationen zu den Studiengängen gibt es hier

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