Wie Lehrer gemeinsam lernen können
05/05/2015Lehrer sind häufig Einzelkämpfer. Welche Möglichkeiten es gibt, wie sie sich doch mit Kollegen austauschen und neue Ideen entwickeln können: Diese Frage stand im Mittelpunkt der ersten Gymnasien und Fächer übergreifenden Fachsitzung an der Universität Würzburg.
Was im Klassenzimmer passiert und wie der Unterricht genau abläuft, das ist allein Sache der Lehrkräfte. Sicher, sie müssen sich an Vorgaben halten und haben in ihrer Ausbildung gelernt, wie man Unterrichtsstunden gestalten sollte. Aber wenn die Ausbildung einmal abgeschlossen ist, gibt es nur alle paar Jahre einen Unterrichtsbesuch von der Schulleitung zur Beurteilung. Ansonsten bleiben Lehrkräfte und Schüler für sich. Wenn sich die Lehrkraft also nicht aktiv Rückmeldung von den Schülern oder von Kollegen holt, bleibt sie mit der Optimierung ihrer Arbeit und der Bewältigung neuer Aufgaben auf sich alleine gestellt – eine Situation, die es in praktisch keinem anderen Beruf so gibt.
Gastdozentin aus den USA
Wie man dies ändern kann, erläuterte jetzt Dr. Karin Lohwasser von der University of Washington/Seattle naturwissenschaftlichen Gymnasiallehrern der Region. Im Rahmen einer gymnasialübergreifenden Fachsitzung, zu der die Ministerialbeauftragte von Unterfranken in Zusammenarbeit mit dem MIND-Center der Universität Würzburg eingeladen hatte, stellte Lohwasser Konzepte für professionelle Lerngemeinschaften von Lehrkräften vor. Unter ihren Zuhörern waren Lehrer für Chemie und Physik des Dag-Hammarskjöld-Gymnasiums aus Würzburg und der Gymnasien in Bad Kissingen, Kitzingen und Marktbreit.
Das Programm „Observing for Evidence of Learning (OEL)“ zum Beispiel wird seit über zehn Jahren erfolgreich im Nordwesten der USA praktiziert. Für die naturwissenschaftlichen Lehrkräfte der beteiligten Schulbezirke ist es verpflichtend. Sie werden hierfür an mehreren Terminen ganztags freigestellt. An einem Tag konzipieren die Lehrer gemeinsam mit Coaches und Wissenschaftlern eine Unterrichtseinheit. Eine Stunde dieser Unterrichtseinheit wird an einem der folgenden Tage durchgeführt, wobei ein Lehrer unterrichtet, und die anderen Lehrkräfte bei Schülergruppen sitzen, die Schüler bei ihrer Arbeit beobachten und deren Unterrichtsgespräche verfolgen. Im Anschluss wird das Konzept von den Lehrkräften unter Leitung eines Coaches reflektiert und überarbeitet, im Idealfall werden Konsequenzen für die Verbesserung des eigenen Unterrichts gezogen.
Kollegen lernen voneinander
„Durch die fachliche Kooperation werden nicht nur Erfahrungen ausgetauscht, sondern auch bisher unausgesprochene Paradigmen hinterfragt“, meint Karin Lohwasser. Sie betont, dass auf diese Weise Kollegen nicht nur voneinander lernen können, sondern zusammen neues Wissen und neue Ideen generieren. Die Referentin beschrieb, dass nach beginnender Skepsis bisher alle Lehrkräfte diese Möglichkeit der Zusammenarbeit mit Fachkollegen als sehr hilfreich ansähen. Spätestens, wenn Schüler, die sich sonst nie am Unterricht beteiligt haben, plötzlich mit Freude mitmachen, sei auch der letzte Kollege überzeugt.
Im Anschluss an den Vortrag bestand für die Zuhörer die Möglichkeit, Fragen zu stellen und in Workshops – nach Fächern getrennt – weiter zu diskutiert. Inwiefern wäre eine solche Fortbildung auch im bayerischen Schulsystem möglich und hilfreich? Welche Kollegen haben bereits Erfahrungen mit dem gegenseitigen Austausch gemacht? Welche Zusammenarbeit ist bereits etabliert? Was wäre in Hinsicht auf eine professionelle Zusammenarbeit von Lehrern wünschenswert? Vieles – das wurde wohl allen Teilnehmern deutlich. Allerdings müsse man dafür, so machte auch die Referentin klar, „konkrete organisatorische Voraussetzungen schaffen, um diese regelmäßige Kooperation in einem beurteilungsfreien Rahmen zu ermöglichen“.
Katja Weirauch
Kontakt
MND-Center der Universität Würzburg
Thomas Mühlbauer, Tel.: +49 931 31-84203, E-Mail: t.muehlbauer@uni-wuerzburg.de
Katja Weirauch, Didaktik der Chemie, Tel.: +49 931 31-83353, Katja.Weirauch@uni-wuerzburg.de