Stippvisite zum Lehren und Lernen (11.07.22)
07/21/2022Jens Brandenburg, Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, war zu Gast an der Universität Würzburg. Bei seinem Besuch erhielt er einen Überblick über spezielle Uni-Angebote für Schulklassen und angehende Lehrkräfte.
Kaum ist Dr. Jens Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), an der Universität Würzburg angekommen, muss er sich schon wieder verabschieden. „Wir treffen uns gleich im virtuellen Raum!“, gibt ihm Kristina Förster mit auf dem Weg. Im „Dreieck der Gemeinsamkeiten“ will sie mit dem FDP-Politiker an einem virtuellen Objekt nach gemeinsamen Einstellungen oder Interessen suchen. Mit ihrem Avatar greift sie dafür nach einem Globus. Dieser eigne sich gut als Symbol, schließlich gehe es in diesem Projekt darum, transnationale interkulturelle Zusammenhänge in der Virtualität zu erforschen.
Digitale Medien in Schule und Studium
Förster ist Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Schulpädagogik der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und eine von 13 Promovierenden im BMBF-Projekt „Connected Teacher Education – CoTeach“. Heute hat sie die Aufgabe übernommen, Jens Brandenburg ein Arbeitspaket aus „CoTeach“ vorzustellen. Passend dazu ist der ausgewählte Ort des Geschehens eines der sechs DigiLLabs. Angesiedelt sind diese im Kompetenzzentrum für digitales Lehren und Lernen der JMU, einer Einrichtung, in der sich alles um das Lehren und Lernen mit und über digitale Medien in Lehrerbildung sowie Schule und Unterricht dreht, so die Sprecherin Professorin Silke Grafe.
Jetzt aber dreht sich erst einmal Jens Brandenburg um seine eigene Achse auf der Suche nach dem Globus im virtuellen Raum. Seine Erfahrungen mit einer VR-Brille auf dem Kopf und den entsprechenden Eingabegeräten in der Hand halten sich offensichtlich in Grenzen. Das Thema „Lehren und Lernen“ ist es, was ihn nach Würzburg geführt hat. Auf einer Tagung im Rahmen des vom BMBF mit rund 4,8 Millionen Euro ausgestatteten Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona“ wird er am Nachmittag ein Grußwort sprechen.
Den Einfluss auf das Klima sichtbar gemacht
Bevor es allerdings soweit ist, bekommt Brandenburg ein umfangreiches Programm in den DigiLLabs und im M!ND-Center der Universität Würzburg geboten – dem Mathematischen, Informationstechnologischen und Naturwissenschaftlichen Didaktikzentrum, das sich als Forschungs- und Lehrverbund der Fachdidaktiken aus den Bereichen Biologie, Chemie, Geographie, Informatik, Mathematik und Physik versteht.
Das Projekt „Labs4Future“ stellt Doktorand Jonathan Grothaus dem Staatssekretär vor. Schülerinnen und Schüler lernen in dem Labor, was sie selbst tun können, um den Klimawandel in Schranken zu halten, und an welchen Stellschrauben besser die Politik aktiv werden muss. Unterschiedlich große Holzplättchen verdeutlichen ihnen den CO2-Ausstoß, der mit unterschiedlichen Aktivitäten verbunden ist. Anschaulich erfahren sie, dass die Fläche, die nicht überschritten werden darf, wenn das 1,5-Grad-Ziel eingehalten werden soll, erschreckend klein ist.
Enorme Nachfrage nach Corona
„Ein enormes Bedürfnis zum Diskutieren nach zwei Jahren Corona“ attestiert Professor Thomas Trefzger an dieser Stelle den Jugendlichen, die jetzt endlich wieder das Labor besuchen können. Trefzger ist Sprecher des M!ND-Centers und Inhaber des Lehrstuhls für Physik und ihre Didaktik an der JMU. In dieser Funktion war er auch – gemeinsam mit Lernort Labor, dem Bundesverband der Schülerlabore e.V., daran beteiligt, Schülerlabore auszuwählen, die sich um eine Förderung im Rahmen des Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ beworben hatten.
Mit diesem Programm unterstützen das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) spezielle außerschulische Bildungsangebote. Nach zwei Jahren Corona mit Schulschließungen, Distanz- und Wechselunterricht sollen diese Angebote dabei helfen, Lerndefizite zu beheben und Kinder und Jugendliche in ihrer allgemeinen sozialen und persönlichen Entwicklung zu fördern. „Labs4 Future“ ist eines dieser Angebote.
Inklusion im Chemielabor
„GeT-in“, heißt das nächste Projekt, das Brandenburg zu sehen bekommt. Die Chemiedidaktikerin Dr. Katja Weirauch und die Sonderpädagogin Dr. Christiane Reuter stellen es ihm vor. Ziel dieses Angebots ist es, von Hochbegabten bis zu Kindern mit besonderem Förderbedarf alle Schülerinnen und Schüler bei chemischen Experimenten zu erreichen. Ein Angebot, von dem auch Lehramtsstudierende stark profitieren, wie die beiden Wissenschaftlerinnen erläutern. Deren Einstellung zum Thema „Inklusion“ würde sich mit dem Einsatz im GeT-in-Labor messbar ändern.
Begabte und interessierte Kinder und Jugendliche, die sich mit anwendungsorientierter Mathematik intensiv(er) auseinandersetzen möchten, sollten im „Wue_MatLab“ an der richtigen Stelle sein. Wenn es beispielsweise darum geht, origamiartig aus Papier Frösche zu falten, erleben sie hier „eine gute Verzahnung von Theorie und Praxis“, wie der Projektverantwortliche Professor Hans-Stefan Siller erklärt. Siller hat an der JMU den Lehrstuhl für Didaktik der Mathematik inne. Heute freut sich eine Schulklasse, dass sie mal ohne Aufsicht von Lehrern tüfteln darf und auch keine Hausaufgaben mit auf den Weg bekommt.
Digitale Angebote für Lehramtsstudierende
Stehen bei den Würzburger Angeboten im Programm „Aufholen nach Corona“ Kinder und Jugendliche im Mittelpunkt, kümmert sich das Projekt „CoTeach“ im Rahmen der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ in erster Linie um Lehramtsstudierende. In sieben interdisziplinären Arbeitspaketen (jeweils besetzt mit zwei Professoreninnen beziehungsweise Professoren und zwei Promovierenden) werden innovative Lern-Lehr-Konzepte entwickelt und wissenschaftlich erforscht. Federführend dort ist wiederum Thomas Trefzger.
Wie kann eine digitale Lernumgebung Studierende beim Lernen lernen unterstützen? Wie lassen sich Digitalisierung und Inklusion an Grundschulen sinnvoll miteinander kombinieren? Wie lassen sich Simulationen im Mathematikunterricht und Augmented Reality im Physikunterricht einsetzen? Wie sollen sinnvolle digitale Lehr-Lernszenarien für den Religions- oder Englischunterricht in Virtual Reality gestaltet sein? Praxiserprobte Anwendungen für diese Fälle bekommt Brandenburg bei seinem Besuch an der JMU vorgestellt. Was ihn daran besonders interessiert: „Wie kann die Politik dafür sorgen, dass das Wissen aus diesen Projekten tatsächlich in den Schulen ankommt?“
Fortbildung ist der Schlüssel zum Erfolg
Die Antwort gibt Thomas Trefzger: „Fortbildungen sind der Schlüssel zum Erfolg“, sagt er. Außerdem komme es darauf an, die verschiedenen Phasen der Lehramtsausbildung – Studium, Referendariat, Beruf – besser miteinander zu verzahnen, damit das Wissen unterwegs nicht verloren geht.
Anschließend muss sich Brandenburg im „Dreieck der Gemeinsamkeiten“ beweisen. Den Ansatz, inter- und transkulturelle Kompetenz im virtuellen Raum zu fördern, findet er „wahnsinnig spannend“. Vielleicht sei es ja möglich, dass sich dort nicht nur Staatssekretäre und Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen treffen, sondern Schulklassen aus unterschiedlichen Ländern, die über ihre Avatare miteinander ins Gespräch kommen, schlägt er vor. „Wir arbeiten an Konzepten für die Hochschullehre“, erklärt ihm Kristina Förster. Sein Vorschlag könne solch ein Konzept sein.
Besuch beim Exzellenzcluster der Physik
Gut 90 Minuten hatte sich Brandenburg Zeit genommen für den Einblick in die Angebote der JMU für Schülerinnen und Schüler und für ein zeitgemäßes Lehramtsstudium. Dann stand ein Themenwechsel an. Bei einem Gespräch mit den Professoren Ralph Claessen und Björn Trauzettel drehte sich alles um den Exzellenzcluster „Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien (ct.qmat) und damit um die verblüffenden Eigenschaften von Materie in atomaren Dimensionen.
Der Cluster, den die Universität Würzburg gemeinsam mit der TU Dresden eingeworben ist, ist Teil der Exzellenzstrategie. Bund und Länder stellen dafür seit 2018 jährlich rund 533 Millionen Euro bereit; auf die Exzellenzcluster entfallen davon rund 385 Millionen Euro im Jahr. 75 Prozent der Mittel stammen vom Bund – also im Prinzip aus dem Haushalt von Brandenburgs Ministerium.
Nach so viel geballter Information war Brandenburg dann selbst gefordert: #easeCorona – also in etwa „Die Folgen von Corona lindern“ hieß das Motto der Tagung, die am Nachmittag in der Neubaukirche mit einem Grußwort des Staatssekretärs ihren Auftakt nahm. Dort stellten sich Schülerlabore und andere Projekte vor, die im Rahmen des Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona“ gefördert werden. Ziel sollte es sein, durch den persönlichen Austausch zwischen den beteiligten Schülerlaboren den Status Quo dieser Förderung zu ermitteln.
Kontakt
Prof. Dr. Thomas Trefzger, Lehrstuhl für Physik und ihre Didaktik, T: +49 931 31-85787, thomas.trefzger@physik.uni-wuerzburg.de
Homepage „CoTeach – Connected Teacher Education (Qualitätsoffensive Lehrerbildung)”
Homepage des Kompetenzzentrums für digitales Lehren und Lernen
JMU-Angebote „Aufholen nach Corona“
(Quelle: einBLICK 19.07.2022, Gunnar Bartsch)